Ein Signal an Russland? Trump feuert Hardliner John Bolton

Ein Signal an Russland? Trump feuert Hardliner John Bolton

[Kommentar von Julian Müller] Das politische System der Vereinigten Staaten unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Situation in der Bundesrepublik: Während der deutsche Bundeskanzler vom Bundestag gewählt wird und bei der Bildung seiner Regierung stets auf die Befindlichkeiten der Koalitionsparteien Rücksicht nehmen muss, wird der Präsident der USA direkt vom Volk gewählt. Regierung (Exekutive) und Parlament (Legislative) sind dabei anders als in Deutschland strikt getrennt. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist Chef der gesamten Exekutive sowie aller nachgeordneten Bundesbehörden und kann Personalentscheidungen treffen und Verordnungen herausgeben, hinzu kommt seine Rolle als Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Die Minister verfügen anders als im Rahmen des deutschen Ressortprinzips über keinerlei Eigenverantwortung über ihr Fachgebiet und sind vielmehr Erfüllungsgehilfen des Präsidenten. Das wahre Machtzentrum ist vielmehr das Präsidialamt namens Executive Office of the President, welches häufig einfach The White House genannt wird, aber weitaus mehr Personal und Gebäude als nur den als Weißes Haus bezeichneten Dienstsitz des Präsidenten umfasst. Diese vom mitunter sehr einflussreichen Stabschef des Weißen Hauses geführte Behörde unterteilt sich in diverse Unterabteilungen, eine davon wird vom Nationalen Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten geführt.

Ein mächtiger Posten

Einige gleichermaßen berühmte wie berüchtigte Persönlichkeiten haben in den letzten Jahrzehnten diese Funktion bekleidet – vom gebürtigen Fürther Henry Kissinger über den in keiner anständigen Verschwörungstheorie fehlenden Zbigniew Brzezinski hin zu den späteren Außenministern Colin Powell und Condoleezza Rice. Der 2017 verstorbene Brzezinski gilt als herausragender Verfechter jener Denkschule der amerikanischen Außenpolitik, welche als Unilateralismus bezeichnet wird. Ziel ist dabei die uneingeschränkte Dominanz der letzten verbliebenen Supermacht durch weltweite geopolitische Expansion ohne Rücksicht auf die Interessen anderer Parteien. Häufig wird die Außenpolitik der USA durch die Polarität zwischen Unilateralismus und Multilateralismus charakterisiert, wobei je nach Regierung und historischen Umständen eine der beiden Positionen größere Bedeutung hat. Den wohl stärksten Pendelschlag in Richtung Unilateralismus markierte die Administration von George W. Bush, US-Präsident von 2001 bis 2009. Mit seinem Einzug ins Weiße Haus wurden bedeutende Posten der Regierung mit Leuten besetzt, welche nach globaler Dominanz der USA strebten – auch Powell und Rice können zu diesem Zirkel gezählt werden. In dieser Zeit brachen die USA in Afghanistan und im Irak zwei Kriege vom Zaun, mit deren Auswirkungen sich die Weltgemeinschaft noch heute herumschlägt. Einer der größten Befürworter des Irakkriegs wurde 2005 Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen: John Bolton.

Der Nationale Sicherheitsberater gilt als eine der wichtigsten Positionen im Weißen Haus, er koordiniert die Zusammenarbeit mit Ministerien und Geheimdiensten und hat direkten Zugang zum Präsidenten. Eine leicht reißerische Szene aus dem Kinofilm Vice über Bushs späteren Vizepräsidenten Dick Cheney verdeutlicht dies: Hinter den verschlossenen Türen des Oval Office beschließen Richard Nixon und Henry Kissinger die massive Bombardierung von Kambodscha, um auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs die Nachschublinien des Vietkong zu unterbrechen. Nachdem Trump bereits zwei Nationale Sicherheitsberater verschlissen hatte, holte er im Februar 2018 John Bolton zurück aus der Versenkung, welchem eine große Affinität zu jeder Form militärischer Konfrontation nachgesagt wird. Beobachter waren über Trumps Personalentscheidung verwundert: Im Wahlkampf hat er sich häufig von der interventionistischen Tradition der US-Außenpolitik abgegrenzt, welche von seiner demokratischen Rivalin Hillary Clinton verkörpert wurde. Studien zeigen, dass die Kriegsmüdigkeit der Amerikaner ein wichtiger Faktor für die knappen Siege in den entscheidenden Swing States gewesen ist, welche Trump die Präsidentschaft gesichert haben. Nach zweieinhalb Jahren im Weißen Haus ist es zu früh, ein Urteil über seine Außenpolitik zu fällen – jedoch existieren diverse Anzeichen, dass er mit dem im Wahlkampf versprochenen Isolationismus Ernst macht und damit die gewohnten Pfade zwischen Unilateralismus und Multilateralismus verlassen will. Trumps Isolationismus wäre in vielerlei Hinsicht die Antithese zu Boltons Streben nach globaler Dominanz, vielmehr sollen sich die USA aus globalen Konflikten heraushalten.

Trumps außenpolitischer Schlingerkurs

Exemplarisch manifestiert sich dieser Konflikt in Bezug auf den Umgang mit Iran: Während Trump das unter Obama ausgehandelte Atomabkommen für einen schwerwiegenden Fehler hält und Iran mit Sanktionen zu Neuverhandlungen zwingen will, strebt Bolton einen Regimewechsel wie 2003 im Irak an. Als die Iraner vor ein paar Wochen eine amerikanische Drohne abgeschossen haben, schien ein Vergeltungsschlag durchaus vorstellbar – Trump entschied sich letztlich dagegen. Im kleinen Kreis soll Trump gesagt haben, dass sich die USA bereits in vier Kriegen befinden würden, wenn Bolten freie Hand gehabt hätte. Vor diesem Hintergrund erscheint die Demission von John Bolton durchaus nachvollziehbar – auch mit Trumps Annäherung an Nordkorea mitsamt der historischen Überschreitung des 38. Breitengrades soll der bellizistische Sicherheitsberater nicht einverstanden gewesen sein. Aus Russland kamen gemischte Reaktionen zum Rückzug des Hardliners.

Dmitry Novikov, kommunistischer Duma-Abgeordneter und stellvertretender Vorsitzender des  Ausschusses für Außenpolitik, spricht von einer positiven Nachricht: „Warten wir ab, wen Trump zum Nachfolger ernennt. Vielleicht kommt jemand, der eine moderatere Politik gegenüber Russland vertritt“.

Auch Konstantin Kosachev, seines Zeichens Mitglied im Föderationsrat, äußert sich vorsichtig optimistisch: „Bolton ist stets als Gegner von globaler Stabilität und Rüstungskontrolle aufgetreten. Er glaubt, dass die USA dadurch unnötig beschränkt und von der Demonstration ihrer Überlegenheit abgehalten würden. Ich weiß nicht, ob Trump ihn aus diesem Grund gefeuert hat, aber aufgrund dieses Grundes werde ich nach seiner Entlassung nicht um ihn trauern“.

Valery Gabuzov, stellvertretender Direktor eines Moskauer Think Tanks, sieht in den beiden Reisen von Bolton nach Russland keinen wesentlichen Effekt für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Ländern.

Der stellvertretende Außenminister Sergei Ryabkov erwartet durch Boltons Abgang keine kurzfristige Entspannung des angespannten Verhältnisses zu den USA – auch in der Vergangenheit hätten personelle Veränderungen in der US-Administration zu keiner Normalisierung der Beziehungen gesorgt.

Kreml-Sprecher Dmitry Peskov gab lediglich zu Protokoll, dass es sich bei Boltons Abgang um eine interne Angelegenheit der USA handele und sich Russland dort nicht einmische.

Im Wahlkampf hatte Trump vielfach eine Verbesserung der Beziehung zu Russland beschworen, passiert ist seitdem wenig. Russland steht nicht im Mittelpunkt seiner außenpolitischen Agenda, der Fokus liegt auf Iran und Nordkorea. Es wird sich zeigen, ob Trump die USA im Falle einer möglichen Wiederwahl konsequent auf isolationistischen Kurs führen würde. Für Russland wäre eine Abkehr vom Kurs geopolitischer Ausdehnung so schlecht nicht. Zwar zeigen sich gewisse Tendenzen, doch ein stringenter außenpolitischer Ansatz ist bislang nicht zu erkennen. Seine Außenpolitik ist vielmehr erratischer Natur, beständig ist lediglich ihr Schlingerkurs. So passt es auch ins Bild, warum Trump von Isolationismus redet, einen bekennenden Hardliner zu seinem Sicherheitsberater macht, sich angeblich in kleiner Runde über dessen Kriegslust beschwert und ihn schließlich entlässt.

[Julian Müller]

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