Ein russischer Salat als Inflationsspiegel

Ein russischer Salat als Inflationsspiegel

In jedem Land gibt es Rituale und Traditionen, wie man bestimmte Feste feiert bzw. Oft betreffen diese „Regeln“ auch die Speisen, die auf einer Festtafel nicht fehlen dürfen. Und so steht beinahe in jedem russischen Haushalt fest, was auf den feierlichen Tisch in der Silvesternacht kommen muss. Und zwar ein bestimmter Salat. Seine Geschichte geht so.

Im 19. Jahrhundert lebte in Moskau ein französischer Koch namens Lucien Olivier. Ihm gehörte ein schickes Restaurant. Eine der berühmtesten Spezialitäten des Restaurants war ein Salat, dessen Sauce bei den Moskauern besonders beliebt war. Das Rezept blieb geheim, obwohl die meisten Zutaten bekannt waren. Man nehme nur ein wenig Störkaviar, Krebsfleisch, gekochte Kalbszunge, zartes Haselhuhn, Kapern, französische Gewürze, Kartoffeln, junge Erbsen … Einer anderen Legende zufolge servierte der Koch mehrere einzelne Gerichte auf einer großen Platte, doch eines Tages sah er einen Kaufmann, der sie einfach durcheinandermischte. Da rief er entsetz aus: „Oh, diese Russen! Jetzt werdet ihr das ganze wie einen Salat essen!» Der Salat war jedenfalls so beliebt, dass er den Namen seines Erfinders bekam.

Auch heute, fast 150 Jahre später, darf der Salat Olivier auf dem Silvestertisch nicht fehlen. Allerdings ist vom ursprünglichen Rezept so gut wie nichts mehr übriggeblieben. Haselhuhn wird durch Hähnchen, Kalbszunge durch Fleischwurst ersetzt, und französische Kräuter, geschweige denn schwarzen Kaviar, sucht man im Salat vergeblich. Wahrscheinlich deswegen hieß diese etwas vereinfachte Variante in sowjetischen Restaurants „Salat Stolichnij“, also „der hauptstädtische Salat“.

Wegen seiner großen Beliebtheit werden jedes Jahr die Kosten für einen Olivier-Salat für eine vierköpfige Familie in Russland von Ökonomen gerechnet. Die widerspiegeln die Preiserhöhung für Lebensmittel insgesamt. So ist der Olivier-Salat im Jahr 2023 um 84,7 Rubel (plus 18,4 Prozent) auf 460,4 Rubel gestiegen. Das berichtet die Agentur TASS unter Berufung auf den Verband der Lebensmittelhersteller- und Lieferanten Rosprodsojuz.

Bei der Berechnung der durchschnittlichen Kosten für einen Salat berücksichtigte der Verband die Preise für Kartoffeln (500 g), Karotten (200 g), Hühnereier (4 Stück), Brühwurst (300 g), Mayonnaise (200 g), Zwiebeln (100 g) sowie grüne Erbsen (380 g) und frische Gurken (400 g).

Der Preis für einen anderen in Russland sehr beliebten Fischsalat, der „Hering im Pelzmantel“ heißt, wie er in Rosprodsojuz beschrieben wird, hat die Inflation nicht überschritten. Der Preis für Hering sei im Laufe des Jahres praktisch unverändert geblieben, während der Preis für Mayonnaise gesunken sei, so der Verband.

Die stellvertretende russische Premierministerin Wiktorija Abramtschenko berichtete, dass der Anstieg der Lebensmittelpreise in Russland bis Ende 2023 nicht über der Inflationsrate liegen wird, die auf maximal 7,5 Prozent geschätzt wird. Anfang 2024 bereiten sich die Hersteller laut Kommersant darauf vor, die Verkaufspreise für eine breite Produktpalette von Milchprodukten, Kaffee, Säften, Reis bis hin zu Süßwaren um 5 bis 20 Prozent zu erhöhen.

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