Ein Koloss wird zerschlagen – Der Machtkampf um Jukos eine Chronologie der Ereignisse

Noch vor wenigen Jahren war Yukos die unangefochtene Nummer eins in der russischen Ölbranche. Am Dienstag verfügte nun das Moskauer Schiedsgericht die Auflösung des Konzerns. Die Stationen der Yukos-Affäre:

19.2.2003 Bei einem Treffen mit Putin kritisiert Chodorkowskij die mangelnde Transparenz einiger Privatisierungsauktionen. Darauf kritisiert Putin die mangelnde Transparenz einiger Geschäfte von „Jukos“.

22.4.2003 Die Mineralölunternehmen „Jukos“ und „Sibneft“ kündigen an, dass sie fusionieren werden. An der Spitze des neuen Konzerns wird der Vorstandsvorsitzende von „Jukos“ Michail Chodorkowskij stehen. Der Präsident von „Sibneft“, Jewgenij Schwidler, soll Vorsitzender des Direktorenrates werden. Die Vereinigung soll bis Jahresende abgeschlossen sein.

Mai 2003 Veröffentlichung des Berichts eines „Rats für nationale Strategie“ (SNS) über die Verschwörung der „Oligarchen“ zur Machtergreifung in Russland.

19.6.2003 Verhaftung des Sicherheitschefs von „Jukos“, Alexej Pitschugin. Ihm wird Anstiftung zum Doppelmord vorgeworfen.

2.7.2003 Platon Lebedjew, Millionär und Miteigentümer des Mineralölunternehmens „Jukos“, wird festgenommen und verhört. Ihm wird vorgeworfen, bei der Privatisierung des Chemieunternehmens „Apapit“ den Staat um 283 Mio. Rubel (heute ca. 8–9 Mio Euro) betrogen zu haben.

4.7.2003 Michail Chodorkowskij und Leonid Newslin werden von der Generalstaatsanwaltschaft einvernommen. In den Büros von „Jukos“ und „Apatit“ werden Unterlagen beschlagnahmt.

9.7.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft teilt mit, dass gegen das Mineralölunternehmen „Jukos“ ein Untersuchungsverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet worden ist.

9.7.2003 Durchsuchung der Bank „MENATEP-Sankt Petersburg“, die eng mit „Jukos“ verbunden ist.

11–12.7.2003 Die Räume der Aktiengesellschaft „Apatit“ werden durchsucht.

11.7.2003 Durchsuchung von „MENATEP“, das „Jukos Universal Ltd“ kontrolliert.

16.7.2003 Präsident Putin verweigert dem Vorsitzenden des Unternehmerverbandes ein Gespräch über „Jukos“.

16.7.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft fordert das Steuerministerium auf, Aktivitäten von „Jukos“ zu untersuchen.

6.8.2003 Durchsuchung von „Sibintek“, einem Unternehmen, das „Jukos“ nahesteht.

14.8.2003 Das Antimonopol-Ministerium gestattet den Zusammenschluss der Mineralölunternehmen „Jukos“ und „Sibneft“ unter Auflagen. Die Firmen haben bis Ende des Jahres Zeit, den Zusammenschluss zu vollziehen.

3.9.2003 Gleb Pawlowskij, ein Politikberater, der Alexander Woloschin nahesteht, veröffentlicht „dienstliche Aufzeichnungen“, in denen er behauptet, dass eine Gruppe um Sergej Pugatschow, dem früheren Chef der Meshprombank, hinter dem Vorgehen gegen die Mineralölfirma „Jukos“ stehe. Der Gruppierung sollen auch führende Mitglieder der Präsidialverwaltung angehören.

4.9.2003 „Jukos“ kauft die liberale Wochenzeitung „Moskowskie nowosti“. Neuer Chefredakteur wird Jewgenij Kiseljow, früher Mitbesitzer und leitender Redakteur von NTV, dem privaten Fernsehsender des Medienunternehmers Gusinskijs, der im Jahr 2000 vor Verfolgungen der Staatsanwaltschaft ins Ausland ausgewichen ist.

4.9.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft eröffnet ein Verfahren gegen „Jukos-Moskau“.

3.10.2003 Durchsuchung des Geschäftsklubs von „Jukos“ sowie des von „Jukos“ geförderten Internats in Koralow.

5.10.2003 Durchsuchung des Büros von Anton Drel, der Platon Lebedjew als Verteidiger vertritt.

6.10.2003 Chodorkowskij erklärt, er werde nicht ins Ausland gehen.

16.10.2003 Anton Drel wird von der Staatsanwaltschaft vorgeladen.

17.10.2003 Die Staatsanwaltschaft eröffnet ein Untersuchungsverfahren gegen Wassilij Schachnowskij, den Vorsitzenden von „Jukos-Moskau“. Schachnowskij besitzt 7% der „Jukos“-Aktien.

21.10.2003 Die Staatsanwaltschaft duchsucht den Petersburger Hauptsitz der Bank „MENATEP-Sankt Petersburg“ unter dem Vorwurf der Steuerhinterziehung.

21.10.2003 Die Firma „Sibneft“, die mit „Jukos“ fusionieren will, wird überraschend einer Steuerrevision unterzogen.

21.10.2003 Die Generalstaatsanwaltschaft ersucht das Ministerium für Bodenschätze zu prüfen, ob „Jukos“ die bei der Lizenzvergabe für die Ölbohrstellen gemachten Auflagen erfüllt hat.

22.10.2003 Der „Russische Industriellen- und Unternehmerverband“ (RSPP), die „Vereinigung unternehmerischer Organisationen Russlands“ (OPORA) und die gesellschaftliche Organisation „Delovaja Rossija“(„Business- Russland“) richten einen Brief an den Präsidenten, der das Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Sicherheitsorgane gegen Unternehmer kritisiert.

23.10.2003 Die Staatsanwaltschaft durchsucht im Rahmen des Steuerhinterziehungsverfahren gegen „Jukos“ die Räume der „Agentur für strategische Kommunikation“ und stellt Festplatten, zahlreiche Unterlagen sowie 700.000 US$ in bar sicher. Bei der Haussuchung werden auch wichtige Dokumente von „Jabloko“ beschlagnahmt und zwei Abgeordnete der Partei acht Stunden festgehalten. Die Agentur berät „Jabloko“ im Wahlkampf.

25.10.2003 Michail Chodorkowskij wird auf dem Flughafen von Novosibirsk unter dem Vorwurf des Steuerbetrugs von der Polizei festgenommen und nach Moskau verbracht.

27.10.2003 „Exxon-Mobile“ und „Chevron“ unterbrechen die Gespräche über eine Beteiligung bei „Jukos“. Seit der ersten Jahreshälfte war über eine ausländische Beteiligung bei „Jukos“ spekuliert worden. Im Sommer hatten sich Gerüchte verdichtet, dass „Jukos“ 25% seiner Aktien an die US-Unternehmen verkaufen werde.

27.10.2003 Präsident Putin erklärt bei einer Kabinettssitzung, dass er sich nicht mit Vertretern des „Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes“ (RSPP) treffen wird, um den Fall „Jukos“ zu erörtern.

27.10.2003 Das Parlament des Autonomen Kreises der Evenken wählt Wassilij Schachnowskij zu seinem Vertreter im Föderationsrat. Schachnowskij, der Vorsitzende von „Jukos-Moskau“, ist derzeit in Haft. Da die Mitglieder des Föderationsrats Immunität genießen, müsste er aus dem Gefängnis entlassen werden. Die Staatsanwaltschaft leitet ein Untersuchungsverfahren ein, um die Rechtmäßigkeit der Wahl zu überprüfen.

28.10.2003 Russische Zeitungen berichten, dass der Generalrat der kremlnahen Partei „Einiges Russland“ den Abgeordneten Wladimir Dubow von der Liste für die Parlamentswahlen gestrichen hat. Dubow war früher Stellvertretender Vorsitzender von „Jukos-Moskau“.

30.10.2003 Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt im Zuge des Verfahrens gegen eine Reihe von „Jukos“-Managern 44% der „Jukos“-Aktien.

30.10.2003 Alexander Woloschin, Leiter der Präsidialadministration, tritt zurück. Putin ernennt Dmitrij Medwedjew, bisher Erster Stellvertreter Woloschins, zu dessen Nachfolger.

2.11.2003 In einem Interview für den Fernsehsender „Rossija“ ermahnt der neue Leiter der Präsidialverwaltung, Dmitrij Medwedjew, die Verwaltungs- und Rechtsorgane, die ökonomischen Folgen ihrer Handlungen zu bedenken. Er bezeichnet es u.a. als einen Fehler, dass die Justiz die „Jukos“-Aktien beschlagnahmt hat.

3.11.2003 Michail Chodorkowski tritt als Konzernchef zurück. Nachfolger wird der russischstämmige US-Manager Simon Kukes, der ein halbes Jahr später aber vom heutigen Unternehmenslenker Steven Theede abgelöst wird.

3.11.2003 Leonid Newslin, Anteilseigner von „Jukos“ und bis vor kurzem der zweite Mann in der Leitung dieses Unternehmens, erhält einen israelischen Pass unter Beibehaltung seiner russischen Staatsbürgerschaft. Newslin hält sich gegenwärtig in Israel auf.

4.11.2003 Der Direktorenrat von „Jukos-Moskau“, der die Aktivitäten der „Jukos“-Gruppe koordiniert, wählt eine neue Unternehmensführung und bestimmt Semen Kukes, den früheren Leiter des Mineralölunternehmens TNK, zum Vorsitzenden.

5.11.2003 Witalij Artjuchow, der Minister für Bodenschätze, erklärt in der „Rossijskaja gazeta“, dass „Jukos“ die Förderlizenzen entzogen werden könnten: „Der Sinn dieser Aktion liegt auf der Hand: ein Unternehmen, dessen Kontrollaktienpaket beschlagnahmt wurde, ist kaum ein geeigneter Partner für die Zusammenarbeit mit Behörden, die für die Lizenzen zuständig sind“.

6.11.2003 Ein Gericht der Region Krasnojarsk erklärt die Wahl des ehemaligen Chefs des Unternehmens „Jukos-Moskau“, Wassilij Schachnowskij, zum Senator des Autonomen Bezirks der Ewenken für ungültig.

11.11.2003 Das Moskauer Stadtgericht weist im Falle Chodorkowskij den Antrag auf Haftentlassung ab.

14.11.2003 Putin besucht den 13. Kongress des russischen Unternehmerverbandes RSPP. Er versichert, „Macht und Business“ würden den Dialog vertiefen und weiter eng zusammenarbeiten.

17.11.2003 Leonid Nevzlin, ein Jukos-Eigentümer, erklärt seinen Rücktritt als Rektor der Staatlichen Russischen Geisteswissenschaftlichen Universität (RGGU). Nach seinen Angaben hätte der Kreml mit einer Reorganisation der Universität gedroht.

19.11.2003 Nach Zeitungsberichten ist der Gouverneur des Autonomen Bezirks der Ewenken, Boris Zolotarev, bereits seit 12 Tagen verschwunden. Zolotarev, ein ehemaliger Jukos-Manager, sollte von der Staatsanwaltschaft befragt werden.

20.11.2003 Der Justizminister, Jurij Tschajka, beschuldigt den ehemaligen Jukos-Chef Chodorkowskij, seinen Anwälten Anweisung gegeben zu haben, potentielle Zeugen unter Druck zu setzen. Der Anwältin, die die Anweisungen entgegengenommen haben soll, droht der Minister mit Entzug der Anwaltslizenz.

28.11.2003 Der Sibneft-Konzern sagt die geplante Fusion mit Jukos zum weltweit viertgrößten Ölproduzenten ab.

11.03.2004 Die Privatkonten der wichtigsten Jukos-Aktionäre in der Schweiz werden auf Verlangen der russischen Justiz gesperrt.

15.04.2004 Ein Gericht friert das Vermögen des Konzerns ein.

22.04.2004 Razzia der Steuerfahndung am Jukos-Sitz

26.05.2004 Ein Moskauer Gericht verdonnert den Konzern zur Nachzahlung von umgerechnet 2,8 Milliarden Euro Steuern für das Jahr 2000. Jukos warnt daraufhin vor einer möglichen Insolvenz noch vor Jahresende.

16.06.2004 In Moskau beginnt das Verfahren gegen Chodorkowski und Lebedew.

24.06.2004 Der Duma-Abgeordnete Viktor Geraschtschenko, Ex-Präsident der russischen wie auch der sowjetischen Zentralbank, löst Kukes als Jukos-Chef ab.

1.07.2004 Nach einer Gerichtsentscheidung wird dem Unternehmen ein Vollstreckungsbefehl über die Steuerschuld von 2,8 Milliarden Euro für 2000 zugestellt. Die Geschäftskonten von Jukos werden eingefroren. Zugleich fordern die Finanzbehörden weitere 3,4 Milliarden Dollar Steuernachzahlungen für 2001, die später sogar auf 6,7 Milliarden Dollar erhöht werden.

3.07.2004 Die Polizei durchsucht die Konzernzentrale in Moskau und beschlagnahmt Computerserver. Nach Jukos-Angaben ist damit die Ölproduktion bedroht.

4.07.2004 Erste Gläubiger setzen Jukos formell in Zahlungsverzug, weil der Konzern fällige Raten für einen Kredit über eine Milliarde Dollar nicht zahlen kann.

20.07.2004 Das Justizministerium kündigt den Verkauf von Yuganskneftegas an, um mit den Erlösen die Steuerschuld zu begleichen. Jukos warnt erneut vor der Pleite.

23.08-2004 Weil das Geld von beschlagnahmten Konten fehlt, reduziert Jukos seine Ölförderung.

19.11.2004 Die Versteigerung von Yuganskneftegas wird für den 19. Dezember angekündigt. Die Jukos-Führung spricht von „staatlich organisiertem Diebstahl“. Die Steuernachforderungen haben sich mittlerweile auf umgerechnet knapp 18,5 Milliarden Dollar summiert.

15.12.2004 Yukos beantragt in Texas Gläubigerschutz nach Kapitel elf des US-Konkursrechtes. Damit soll die Zwangsversteigerung von Yuganskneftegas in letzter Minute gestoppt werden.

16.12.2004 US-Richterin Letitia Clark verfügt, dass die Versteigerung frühestens in zehn Tagen stattfinden darf, nimmt aber den russischen Staat ausdrücklich vom Verbot an der Teilnahme der Auktion aus.

17.12.2004 Der russische Eigentumsfonds bekräftigt, dass der Zwangsverkauf am Sonntag stattfinden werde. Außenminister Sergej Lawrow betont, der Fall Yukos werde „auf Basis der russischen Gesetze gelöst“.

19.12.2004 Bei einer Zwangsversteigerung erwirbt die bis dahin unbekannte Baikalfinansgroup die angebotenen 76,8 Prozent der Anteile an der wichtigsten Yukos-Produktionstochter Yuganskneftegas. Später wird Yuganskneftegas dem staatlich kontrollierten Ölkonzern Rosneft zugeschlagen, wogegen sich Yukos vor dessen Börsengang im Juli 2006 vergeblich noch vor Gericht wehrt.

19.04.2005 Ein Moskauer Gericht beschlagnahmt die Vermögenswerte der beiden letzten großen Produktionstöchter von Yukos.

31.05.2005 Chodorkowski wird zu neun Jahren Haft verurteilt. Das Strafmaß wird später in einem Berufungsverfahren um ein Jahr reduziert.

20.10.2005 Der Yukos-Gründer wird in ein sibirisches Straflager verlegt.

28.03.2006 Das Moskauer Schiedsgericht erklärt Yukos für zahlungsunfähig. Das Unternehmen wird einem Konkursverwalter unterstellt.

15.04.2006 Chodorkowski wird nach Angaben seines Pressedienstes von einem Mithäftling bei einem Messer-Attentat im Gesicht verletzt.

25.07.2006 Die Gläubigerversammlung empfiehlt mehrheitlich die Liquidation von Yukos.

1.08.2006 Das Handelsgericht folgt der Empfehlung und beschließt die Auflösung. Sie soll innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein.

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