„Die Sanktionen helfen keinem“Sabine Zimmermann zu Besuch beim Sozialprojekt Ökohof der Raduga Stiftung

„Die Sanktionen helfen keinem“

Die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Partei Die Linke) im Gespräch mit russland.NEWS

Frau Zimmermann, warum treffe ich Sie in Moskau?

Sabine Zimmermann: Dafür gibt es drei Gründe. Als Vorsitzende des Ausschusses Familie, Senioren, Frauen und Jugend interessiert mich besonders der Jungendaustausch. Ich habe festgestellt, dass wenig Jugendliche (im Vergleich zu englischsprachigen Ländern oder auch Frankreich) nach Russland reisen. Deswegen will ich mich dafür stark machen (und da bin ich nicht alleine in Deutschland), den Jugendaustausch zu intensivieren. Ich komme aus Sachsen. Unser Ministerpräsident hat dafür geworben, die Sanktionen gegen Russland abzuschaffen. Ich bin auch Gewerkschaftlerin von Hause aus und komme in vielen Betrieben mit Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ins Gespräch und stelle fest, dass sie unter diesen Sanktionen leiden – müssen Kurzarbeit machen, haben Geldeinbußen usw. Und das kann nicht sein. Deswegen machen sich die Fraktion von „Die Linke“ und ich persönlich dafür stark, dass wir die Sanktionen endlich abschaffen, die keinem helfen, sondern uns nur behindern. Und der dritte Grund: Ich bin zum ersten Mal in Moskau. Wir waren noch in Tarussa und fahren dann nach St. Petersburg. Ich will das ein Gefühl für Russland gewinnen. Denn ich glaube, was in Deutschland medial verbreitet wird, hat nichts mit dem wahren Bild Russlands zu tun. Ich bin von Moskau begeistert, das ist eine fantastische Stadt, hier pulsiert das Leben. Die Menschen sind so freundlich, man sieht viele junge Menschen. Und was die Sauberkeit angeht, da kann sich Deutschland eine Scheibe abschneiden.

Mit wem haben Sie in Moskau gesprochen?

Sabine Zimmermann: Das erste Gespräch führte ich mit dem neuen Botschafter, Herrn Dr. Géza Andreas von Geyr. Ich war sozusagen sein erster Termin in Moskau. Ich glaube, dass er den Jugendaustausch auf seine Agenda nehmen wird. Dann hatte ich interessante Gespräche mit dem Duma Abgeordneten Oleg Schein, er ist auch an der besseren Gestaltung des Jugendaustausches interessiert. Man sagt zwar immer wieder, die Jugend ist unsere Zukunft. Aber wir müssen jungen Menschen die Welt zeigen, welche Kulturen es gibt und wie man mit ihnen umgeht. Es ist unsere Aufgabe, den Jugendlichen Chancen zu geben.

In Tarussa haben Sie ein besonderes Projekt besichtigt.

Sabine Zimmermann: Genau, und davon bin ich sehr beeindruckt. Es handelt sich um die „Raduga Stiftung“. Ihre Devise ist, Hilfe zur Selbsthilfe, den Ärmsten und Verlassenen einen Ausweg zu bieten. Sie haben sich einerseits die Ökologie auf die Fahnen geschrieben, zum anderen geben sie den Menschen eine Chance, die sonst kaum eine Perspektive hätten, zum Beispiel Menschen mit Behinderung. Auch obdachlose Menschen finden dort eine Aufgabe und sind froh, dass sie eine Art Familie gefunden haben. Denn sie bekommen nicht nur Fürsorge, ihr Essen und ihr Bett, sondern sind auch integriert. Man kennt ihre Schwächen, und geht auf ihre Stärken ein. Das sind kleine Projekte, die ganz groß sind. Denn solche Projekte kommen aus dem Herzen, und die brauchen wir auch in Deutschland.

Die „Raduga Stiftung“ hat noch zwei Besonderheiten. Sie ist vom Schweizer Jörg Duss ins Leben gerufen worden. Außerdem ist es ein Sozialprojekt-Biolandhof.

Sabine Zimmermann: Ein Schweizer und ein Deutscher haben das Projekt hochgezogen. Und es kommen immer neue Projekte dazu! Was passiert mit den Menschen vom Hof, die alt werden? Man braucht also Pflege. Was ist mit den Kindern? Denn sie müssen zur Schule gehen, und, und, und… Man findet dort alle Lebenslagen also. Und obendrauf stellen sie sehr leckere Sachen her. Das getrocknete Rindfleisch schmeckt zum Beispiel ausgezeichnet! Und ich war über den Käse überrascht, der dort hergestellt wird.

Ich habe gehört, dass Sie eine Städtepartnerschaft zwischen Tarussa und Ihrer Heimatstadt ins Leben rufen möchten.

Sabine Zimmermann: Ich komme aus einer relativ kleinen Stadt in der Nähe von Zwickau mit 13.000 Einwohnern. In unserem neu gewählten Stadtrat haben wir grade darüber gesprochen, dass wir noch mit keiner russischen Stadt eine Partnerschaft haben. Ich werde nach meiner Rückkehr unserem Bürgermeister den Vorschlag mit Tarussa machen. Und ich möchte so eine Partnerschaft nicht nur auf dem Papier haben, sondern mit Leben füllen.

Sie haben erwähnt, dass sie aus der ehemaligen DDR kommen. Haben Sie damals Russisch gelernt? Und wenn ja, gerne oder eher nicht?

Sabine Zimmermann: Ich muss gestehen, ich habe die russische Sprache geliebt und war sehr gut im Russisch.  Leider habe ich 35 Jahre kein Russisch gesprochen. Aber jetzt merke ich, dass ich vieles verstehe und etliche Vokabeln kommen wieder. Und das freut mich sehr.

[Daria Boll-Palievskaya/russland/NEWS]

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