[Von Hans-Ulrich Berger] Der in Georgien geborene Josef Stalin war Anfang der zwanziger Jahre auf den Geschmack gekommen und hatte nach Lenins Tod die Weine aus den Zarenpalästen zur Chefsache erklärt.
Er versammelte sie in Massandra, schloss sie in den Kellern weg und ließ den Weinanbau wieder hochfahren. Mit seiner Verordnung das- sowjetische- Volk- soll- weniger- Wodka- und- mehr- Sekt- trinken folgte der Diktator der Politik des verstorbenen Lew Sergejewitsch“, wenn auch aus anderen Gründen.Als sich im Jahre 1941 die Truppen und Schiffe des in Österreich geborenen Diktators Adolf Hitler der Krim näherten, ließ Stalin alle Weine im Hinterland verstecken und nach dem Abzug der deutschen Armeen wieder zurückbringen.
Einen echten Rückschlag erlebte die Weinwirtschaft auf der Krim, als Michail Gorbatschow im Zeichen der Perestroika die Produktion und den Konsum von alkoholischen Getränken einschränken wollte. Seine Abstinentkampagne, auch „Trockenes Gesetz“ genannt, senkte den Alkoholkonsum unwesentlich. Sie entzog aber der Staatskasse beträchtliche Einnahmen. Da die Alkoholläden nur zwei Stunden am Tag geöffnet waren, verlagerte sich der Verkauf in die Kofferräume von Taxen und Polizeiautos – mit einer kleinen Fingergeste hielt man die ambulanten Tresen zum Spritwechsel an.
Folgenreicher wirkte die von Gorbatschow angeordnete Zerstörung zahlreicher Weinreben und Weingärten. Obwohl Mitarbeiter der Weinbetriebe das Schlimmste verhinderten, leidet der Weinanbau auf der Krim noch heute an den Folgen der damaligen sowjetischen Politik. Die Weinfabriken auf der Krim mussten wie vor hundert Jahren Trauben aus dem Ausland ankaufen und ihre Weingärten wiederherstellen. Dank der erhaltenen hervorragenden technischen Voraussetzungen und eines beeindruckenden Eichenfaßlagers war es besonders die Weinfabrik Inkerman (Krimkrieg 1854) in der Nähe von Sewastopol, die trotz gewaltiger Kosten die Wiederaufpflanzung mit hochwertigen Reben in der schwierigen wirtschaftlichen Transformationsphase erfolgreich managte.
Zwischen Jalta und Nowij Swet hat sich derzeit Massandra zum Hauptbetrieb entwickelt. Viele der dort hergestellten Markenweine sind mit den Goldmedaillen internationaler Ausstellungen ausgezeichnet. Massandra wurde zur bekanntesten Krimsektmarke. Die Keller des Betriebes beherbergen eine wertvolle Weinkollektion (Enotheke),die aus über einer Millionen. Flaschen auserlesener Weine verschiedenster Marken besteht – es waren einmal fünf Millionen gewesen.
Trotz dieser Traditionen befindet sich der Weinanbau zur Zeit in einer schwierigen Situation. „Massandra“ muss mit vielen Fälschungen kämpfen, denn laut den letzen Statistiken ist nur jede zehnte Flasche Wein oder Sekt echter Schampanskoje Krimskoje. Darüberhinaus hat der Krimsekt ein Imageproblem. Er gilt als süß und schwer. Sowohl auf der Krim wie in Moskau braucht es viel Geduld, an die hervorragenden Varianten „brut“ und „sec“ heranzu kommen. In Deutschland werden die Trockenen kaum öffentlich verkauft.
Die Sektkellerei unseres wahnsinnigen Löwen in Nowyj Swet hat die stürmischen Zeiten ebenfalls überlebt. Im früheren Paradies werden jährlich drei Millionen Flaschen produziert, was im Verhältnis zu anderen Weinunternehmen nicht sehr viel ist. Ein Drittel davon geht in den Export.
Im Haus des Lew Sergejewitsch Golitzyn, um endlich mal den alten Löwen mit vollem Namen zu nennen, wo der „Fürst“ von 1878 bis 1912 lebte, befindet sich heute ein Sektmuseum, in dem probiert und gekauft werden kann. Der Preis einer Flasche Schampanskoje liegt bei einem Zehntel des in Westeuropa üblichen Wertes. Recht wenig für ein Getränk, von dem Jeanne Antoinette Poisson de Pompadour einst sagte:“Champagner ist der einzige Wein, der eine Frau noch schöner macht, nachdem sie ihn getrunken hat.“ Um wieviel schöner die Frauen anzuschauen wären, wenn Lew noch weitere zehn Jahre hätte experimentieren können, ist ein bei Experten beliebtes Gedankenspiel, falls die Verköstigung zur Belustigung ausuferte.
Zum Abschluss ein Satz zum Absturz: Mit einem kleinen Schuss Wodka adelt sich trockener Sekt zur „Kaiserin unter den Räuschen“, wie der fränzösische Autor Alain Denis in seinem makabren Kochbuch „Barfuss durch die Küche“ zu Recht erkannte.
Die Krim und der Champagner Teil 4
Die Krim und der Champagner Teil 3
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