[german-foreign-policy.com ] Der estnische Außenminister äußert den Verdacht, „jemand aus der neuen Koalition“ in Kiew könne die Scharfschützen-Morde auf dem Majdan veranlasst haben, die dem von Berlin massiv vorangetriebenen Umsturz in Kiew unmittelbar vorausgegangen sind.
Dies geht aus einem abgehörten und im Internet veröffentlichten Telefongespräch hervor. Demnach hat Außenminister Urmas Paet der EU-Chefaußenpolitikerin Catherine Ashton kürzlich berichtet, eine Kiewer Ärztin sei der Auffassung, tödliche Wunden bei Polizisten und Demonstranten wiesen dieselbe Handschrift auf und könnten von denselben Mördern stammen. Dass die Regierung in Kiew bisher keine Untersuchung eingeleitet habe, wecke den Argwohn, Elemente aus ihren Reihen könnten für die Morde verantwortlich sein. Tatsächlich ist längst durch Videos dokumentiert, dass Scharfschützen auf beide Seiten geschossen haben. In der durch Paets Äußerungen belasteten Umsturzregierung, die weiterhin eine überaus enge Unterstützung durch die Bundesregierung genießt, sind extrem rechte Kräfte stark vertreten – mehrere Politiker von Swoboda, aber auch der Anführer der bewaffneten Milizen auf dem Majdan und der Chef des paramilitärischen „Pravy Sektor“ („Rechter Sektor“). Beide haben höchstrangige Posten erhalten: Sie amtieren heute als Sekretär bzw. als stellvertretender Sekretär im Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine, der vom Präsidenten persönlich geleitet wird.
Straßenkampf statt Parlamentsdebatte
Die Rolle, die die extreme Rechte im Rahmen des Umsturzes in Kiew spielte, wird inzwischen zumindest in britischen und US-amerikanischen Medien offen thematisiert. Sie dürfe auf gar keinen Fall „unterschätzt“ werden, urteilt exemplarisch ein ukrainischer Journalist in einer amerikanischen Online-Zeitung: Als „zwei Monate Straßenproteste“ keine durchschlagende Wirkung gezeigt hätten, da sei es „die extreme Rechte gewesen“, die „als erste Molotow-Cocktails und Steine auf die Polizei geworfen und echte, gut gesicherte Barrikaden errichtet“ habe. Faschisten seien zum Beispiel auch unter den Gewalttätern gewesen, die am 18. Februar Truppentransporter in Brand gesteckt hätten. „Der Euromajdan hat dank der Entschlossenheit von Menschen gewonnen, die bereit waren zu kämpfen, anstatt im Parlament zu verhandeln“, stellt der Autor fest.[1] Die beschriebene Eskalationsstrategie, für die die extreme Rechte hilfreich war, entspricht einer Andeutung in einer E-Mail, die von Witali Klitschko stammen soll und seit einigen Tagen im Internet verbreitet wird. Darin heißt es mit Datum vom 9. Januar: „Ich denke, wir haben den Weg für eine radikalere Eskalation der Lage geebnet. Ist es nicht Zeit, mit entschlosseneren Aktionen weiterzumachen?“ Klitschko stand stets in engem Kontakt mit der Berliner Außenpolitik, die zu dieser Zeit kein kritisches Wort über die extrem rechten Umtriebe in der Ukraine verlor.
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