Die deutsche Regierung macht aus der vermuteten Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny ein militärisches Thema.
Dass die «Bild», das Boulevardblatt für die einen Deutschen, und «Die Welt», das Intelligenz-Blatt für die anderen, gegenwärtig aus allen publizistischen Rohren gegen Russland schiessen, ist keine Überraschung. Ihr Eigentümer, der Medienkonzern Axel Springer, gehört bereits zu über 42 Prozent einer US-amerikanischen Heuschrecken-Gesellschaft. Und sein Konzern-Boss, Mathias Döpfner, pflegt gelegentlich selber in die Tasten zu greifen, damit seine Chefredakteure wissen, was sie zu schreiben haben. Vor allem aber gibt es auf oberster Konzernebene eine klare Anweisung, dass alle Publikationen des Konzerns die Freundschaft zu den USA – und also die nordatlantische Politik – einzuhalten haben. Deutsche Pressefreiheit nach westlichem Modell.
Damit kann man leben. Es soll solche Medienkonzerne geben dürfen, solange sie nicht die Mehrheit im Medienmarkt beherrschen.
Weniger gut zu leben ist mit den gegenwärtigen Verlautbarungen der deutschen Regierung, namentlich der Verteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer, bekannt als AKK, des deutschen Aussenministers Heiko Maas und der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nach der vermuteten Vergiftung des Putin-Kritikers Alexei Nawalny war Deutschland bereit, diesen ins Berliner Universitäts-Krankenhaus Charité zu übernehmen, und Russland stimmte diesem Vorgehen zu, obwohl Nawalny einer bevorstehenden Gerichtsverhandlung wegen eigentlich Russland nicht hätte verlassen dürfen. Die Klinik Charité delegierte die Untersuchung Nawalnys dann allerdings an ein Labor der Bundeswehr ab, womit der erste Schritt zum militärischen Missbrauch des Vorfalls getan war. Das Bundeswehrlabor fand, wen wundert’s, «Beweise» für eine Vergiftung und lieferte später auch noch die Meldung nach, das zur Anwendung gekommene Gift sei ein Nervengift aus der Familie der Novitschok-Gifte. Damit war der zweite Schritt zur Verpolitisierung des Falles getan.
Jenseits von Gut und Böse schliesslich war die darauf folgende Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wonach nun der Beweis vorliege, dass es sich beim Zusammenbruch von Nawalny im Flugzeug um die Folge eines «Verbrechens» handle und dass auf einige Fragen zu diesem Verbrechen «nur der Kreml eine Antwort geben könne», sprich: Der Kreml sei für das Verbrechen verantwortlich.
Damit aber nicht genug. Es gab in dieser Sache eine Pressekonferenz, an der die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp Karrenbauer auftrat, die in ihrer politischen Funktion für das Militärlabor der Bundeswehr verantwortlich ist. Sie sprach mehrmals vom Einsatz «chemischer Nervenkampfstoffe» und auch von «chemischen Waffen», die international verboten seien.
Schliesslich trat auch der deutsche Aussenminister Heiko Maas auf. Dieser sagte unter anderem wörtlich: «Wir werden nun auch unverzüglich unsere Partner in der Europäischen Union und der NATO auf den dafür vorgesehenen Kanälen informieren.»
Vom vermuteten versuchten Mord an einem einzelnen Menschen zum Einbezug der NATO
Angenommen, Nawalny hätte wirklich umgebracht werden sollen. Angenommen, Nawalny hätte wirklich mit einem Nervengift umgebracht werden sollen. Angenommen – auch wenn sehr unwahrscheinlich, da Nawalny für Putin noch nie gefährlich war – , der Auftrag dazu sei wirklich vom Kreml gekommen. Wie kommt die deutsche Regierung auf die Idee, dieses «Verbrechen» an einem russischen Bürger in Russland zu einem Thema der Bundeswehr und sogar der NATO zu machen?
Die NATO ist gemäss Gründungsvertrag ein militärisches Verteidigungsbündnis gegen bewaffnete Angriffe von anderen Staaten. Nochmals: gegen bewaffnete Angriffe! Was hat die (vermutete) Vergiftung eines russischen Bürgers in Russland mit einem bewaffneten Angriff auf einen NATO-Staat zu tun?
Es ist bekannt: Saudi-Arabien tötet einen eigenen Staatsbürger in seiner eigenen Botschaft in Istanbul (Fall Jamal Khashoggi). Der israelische Geheimdienst Mossad tötet einen Hamas-Funktionär in einem Dubaier Hotel (Fall Mahmud al-Mabhuh). Die USA kennen nicht nur immer noch die Todesstrafe (mit etlichen bekannten Justiz-Irrtümern), die USA töteten schon unter früheren Präsidenten, nicht zuletzt auch unter Friedensnobelpreisträger Barack Obama, und sie töten auch jetzt unter Präsident Donald Trump Dutzende wenn nicht Hunderte «feindliche» Politiker und Armee-Angehörige anderer Staaten und dies sogar in anderen Staaten, unter bewusster Inkaufnahme, dass dabei immer auch unschuldige Zivilpersonen zu Tode kommen (z.B. Fall iranischer General Kassem Soleimani, von den USA in Syrien ermordet). Und wie reagiert die Welt darauf? Gibt es Sanktionen gegen Saudi-Arabien? Gibt es Sanktionen gegen Israel? Gibt es Sanktionen gegen die USA?
Jetzt aber, wo ein Russe in Russland hätte vergiftet werden sollen, von wem auch immer, erklärt Deutschland, das Gift sei ein verbotenes «chemisches Kampfmittel» und «informiert auf den dafür vorgesehenen Kanälen die Partnerländer der EU und der NATO»!
Die NATO ist eine militärische Organisation und hat im Widerspruch zu den eigenen statutarischen Vorgaben bisher mehr Angriffs- als Verteidigungskriege geführt. Mit dem bewussten Einbezug der NATO hat Deutschland nun das Thema Nawalny nicht nur zu einem geopolitischen Thema gemacht, es hat das Thema vor allem auch zu einem militärischen Thema gemacht. Sollte in nächster Zeit wieder irgendwo in Europa ein bewaffneter Konflikt ausbrechen – in Anbetracht der massiven Einmischung der gegenwärtig unter Deutschlands Führung stehenden EU in Weissrussland keine undenkbare Variante –, dann ist Deutschland klar mitverantwortlich.
Wo sind die Deutschen Bürgerinnen und Bürger, die ihre Regierung in dieser skandalösen Geschichte zurückpfeiffen? Und wo sind die Staatsrechtler, die die deutsche Regierung auffordern, Zivil- und Kriegsrecht auseinanderzuhalten?
Mit freundlicher Genehmigung von Infosperber.ch>>>
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