„Außenpolitik von unten” – in Bonn fand das 18. Forum „Petersburger Dialog“ statt

„Außenpolitik von unten” – in Bonn fand das 18. Forum „Petersburger Dialog“ statt

Am Eröffnungstag des Forums jagte eine Pressekonferenz die andere. Beide Co-Vorsitzenden des Petersburger Dialogs, Bundesminister a.D. Ronald Pofalla und der Sonderbeauftragte des russischen Präsidenten für das Forum gasexportierende Länder Wiktor Subkow, haben sich beim Pressegespräch über die Möglichkeit eines visafreien Austausches zwischen den jungen Menschen beider Länder positiv geäußert. „Wenn der Dialog am Ende dazu beiträgt auf beiden Seiten Vorurteile abzubauen, dann gibt es keine bessere Generation als die junge, denn sie haben noch keine Vorbehalte, um ihr zu ermöglichen, visafrei zwischen unseren Ländern zu reisen“, betonte Pofalla. Das Verständnis für diese Initiative sei bei der deutschen Bundesregierung gewachsen. Und Subkow äußerte die Hoffnung, dass man dies auch eines Tages erreichen werde.

Bei der anschließenden Pressekonferenz der Außenminister der beiden Länder informierten Lawrow und Maas die versammelten Journalisten, worüber sie gesprochen haben, nämlich über die Lage in der Ostukraine und den Minsker Prozess, über die Freilassung der ukrainischen Seeleute, über den INF-Vertrag und über die angespannte Lage im Iran. Heiko Maas betonte, dass „zwischenmenschliche Beziehungen das Kernanliegen“ des Petersburger Dialogs seien. Sergej Lawrow bedankte sich für den gastfreundlichen Empfang auf dem Petersberg und betonte, dass der Dialog zwischen Russland und Deutschland sehr wichtig sei. Der wirke positiv auf die politische Lage generell aus, so Lawrow. Auf die Frage, wie Russland zu der Ernennung von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin stehe, denn die Politikerin ist für ihre harte Position gegenüber von Russland bekannt, sagte der russische Außenminister: „Zeigen Sie mir jemanden, der nicht kritisch Russland gegenübersteht“. Russland sei an der produktiven Zusammenarbeit mit der EU interessiert. Natürlich kamen die Fragen zu Nord Stream 2 und über den Druck, den die USA ausübt. Die Diskussion über Nord Stream 2 „führen wir mit guten Argumenten“. Das sei ein Wirtschaftsprojekt, betonte der deutsche Außenminister.

Nach einem Konzert wurde das Forum im Steigenberger Parkhotel auf dem Petersberg feierlich eröffnet. In seiner Begrüßungsrede zitierte der deutsche Außenminister eine Umfrage von 2018, wonach sich 94 Prozent der Deutschen eine gute Beziehung zu Russland wünschen. „Eine Zahl, die erfreulich ist“, betonte Heiko Maas. Der Schwerpunkt sollte deswegen da gelegt werden, wo, trotzt aller Schwierigkeiten, Fortschritte erzielt werden können. Wie wichtig auch politische Kontakte auf hoher Ebene sind, die Breite und Tiefe unserer Beziehungen entsteht dort, wo Kontakte zwischen den Menschen sind, betonte der Außenminister. Deswegen wolle die deutsche Regierung sie fördern. „Man braucht so was wie Außenpolitik von unten“, sagte der Politiker. Und deswegen ist der Petersburger Dialog so wichtig.

In seiner Rede pflichtete Sergej Lawrow seinem deutschen Kollegen bei: „Seit fast zwanzig Jahre ist der Petersburger Dialog ein Beispiel für erfolgreiche Volksdiplomatie“. Der sei eins der gefragtesten und wichtigsten Plattformen für die Zusammenarbeit und bietet eine einmalige Gelegenheit in vertrauensvoller Atmosphäre aktuelle Fragen der bilateralen Beziehungen zu besprechen. Der russische Außenminister stellte eine „positive Dynamik“ der deutsch-russischen Beziehungen nach einer schwierigen Phase fest.

Der Ministerpräsident des Landes NRW Armin Laschet begrüßte als Gastgeber die Forumsteilnehmer und betonte, dass ein gutes Verhältnis zu Russland nicht nur für östliche Bundesländer wichtig sei. Petersburg und Petersberg – sogar in den Ortstiteln gibt es Gemeinsamkeiten. Peter bedeute „Fels“. „Und ein Fels ist eine feste Basis für die Beziehung“. Er erinnerte, dass der Petersberg schon immer ein Ort der deutsch-russischen Kooperation war, denn hier waren Breschnew, Gorbatschow und Jelzin gewesen. Die deutsch-russische Beziehungen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten vieles erlebt. Armin Laschet betonte, dass der Zweite Weltkrieg gar nicht so weit weg liegt, wie es scheint, und dass man dem russischen Volk, das 27 Millionen Opfer in diesem Krieg erlitten hat, dankbar sei, weil es nach diesem Schrecken „die Hand zur Versöhnung gereicht“ hat. Dafür erntete er langen zustimmenden Beifall der Teilnehmer. Armin Laschet erinnerte daran, dass es 1970, zwei Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings, möglich war, ein neues Kapitel in den Beziehungen aufzuschlagen. „Und deswegen sage ich, wenn es damals in der so verfeindeten Zeit mit der gegenseitigen atomaren Bedrohung möglich war, neue Schritte zu gehen, dann muss es doch grade in der heutigen Zeit, wo so viele Gemeinsamkeiten existieren, ebenfalls möglich sein“, betonte Laschet unter lauten Applaus. Er erinnerte auch daran, dass der Fall der Mauer ohne die Zustimmung der Sowjetunion nicht passiert wäre.

Am nächsten Tag setzte das deutsch-russische Zivilgesellschaftsforum seine Arbeit fort. In 10 Arbeitsgruppen wurden aktuelle Fragen der deutsch-russischen Beziehung besprochen. So standen z.B. auf der Tagesordnung der Mediengruppe Themen der Digitalisierung. Die AG-Politik hat sich mit den Herausforderungen strategischer Stabilität befasst. In der AG Kirchen in Europa ging es u.a. um die Seelsorge in Krankenhäusern und die AG-Kultur besprach deutsch-russische Kooperationsprojekte. Die Themenvielfalt bezeugt die Lebendigkeit des Dialogs, betonte Roland Pofalla in seiner Schlussrede.

Abends ging der Petersburger Dialog mit der Verleihung des Peter-Boenisch-Gedächtnispreises zu Ende. Mit dem Preis werden Journalisten ausgezeichnet, die durch eine sachgerechte und lebensnahe Darstellung des Lebensalltags im jeweils anderen Land zum besseren Verständnis zwischen Deutschen und Russen beitragen.

Das Forum, dass dieses Jahr unter dem Motto „Kooperation als Leitmotiv für ein Europa in Frieden“ stattfand, verlief in einer offenen und überaus freundlichen Atmosphäre.

[Daria Boll-Palievslaya/russland.NEWS]

COMMENTS