Der internationale Frauentag in Russland: keine Demos, aber Pralinen© Michelle Peters

Der internationale Frauentag in Russland: keine Demos, aber Pralinen

Es ist ein nicht mehr wegzudenkendes Ritual, das sich Jahr für Jahr wiederholt – der 8. März in Russland. Der Internationale Frauentag auf Russisch ist ein Frühlingsfest, Feiertag des Frühlingsanfangs, an dem Frauen traditionell einen Strauß Tulpen geschenkt bekommen. Der politische Hintergrund ist dabei eher zweitrangig. Laut einer Umfrage von 2022 halten lediglich sieben Prozent der Russen den 8. März für den Tag, der mit dem Kampf für Frauenrechte verbunden ist. Für 30 Prozent ist es ein „Tag des Frühlings“.

Interessant, dass das in Russland so beliebte Fest auf Initiative einer Deutschen zurückgeht.  1910 schlug die Sozialistin Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz, einen Internationalen Frauentag einzuführen. An diesem Tag sollten Frauen auf die Straßen gehen, um für ihre Rechte zu demonstrieren und die Welt auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. In der Sowjetunion wurde der 8. März per Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets 1966 zu einem offiziellen Feiertag erklärt, womit Russland zu einem der wenigen Länder gehört, in denen der Internationale Frauentag ein gesetzlich verankerter Feiertag ist. Obwohl seitdem immer wieder versucht wurde, die politische Bedeutung des Festes zu betonen, ist es inzwischen zu einer Mischung aus Mutter- und Valentinstag mutiert.

Zu Sowjetzeiten war der Feiertag mit der Verherrlichung des Bildes der perfekten sowjetischen Frau – Kommunistin, Arbeiterin und Mutter – verbunden. Und bereits in der UdSSR war es ein absolutes Muss, zu diesem Anlass Frauen mit Pralinen und Blumen zu beschenken. Das fing schon in der Schule an. Die armen Jungs mussten sich jedes Jahr fieberhaft überlegen, was sie ihren Mitschülerinnen schenken sollten. Im Volksmund nannte man den Frauentag den „Tag der Rache für alle Socken und Rasierwasser. Dazu muss man wissen, dass der 23. Februar in der Sowjetunion der „Tag der Sowjetischen Armee“ war (heute ist das der „Tag des Vaterlandverteidigers“). Und so „rächen“ sich die Männer für schlechte Geschenke am kurz darauffolgenden 8. März.

Im modernen Russland ist der 8. März der Lieblingstag des Handels. Laut einer Untersuchung von Ozon.ru erwarten 44 Prozent der russischen Frauen am 8. März Blumen als Geschenk. Fast die Hälfte von ihnen möchte sich „einfach nur ausruhen“ (46 Prozent). Obwohl der 8. März zu einem völlig kommerzialisierten Feiertag geworden ist, wollen viele Russinnen nicht auf diesen Tag verzichten. Zumindest an diesem Tag können sie sich mal ganz als Frau fühlen, Komplimente, Gratulationen und Geschenke entgegennehmen. Laut derselben Umfrage plant mehr als die Hälfte der befragten Frauen (55 Prozent), sich an diesem Tag schick zu machen, Zeit für sich selbst zu verbringen und ihren Müttern, Freundinnen, Schwestern und Arbeitskollegen zu gratulieren.

Der Feiertag bleibt also, aber die Gesellschaft verändert sich. Laut einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts WZIOM glaubt heute etwa ein Viertel der Russen, dass die Familie das Wichtigste für eine moderne Frau ist (26 Prozent). Vor dreißig Jahren (1990) waren noch doppelt so viele dieser Meinung, also mehr als die Hälfte der russischen Bevölkerung (56 Prozent). Heute geben Russen viel häufiger an, dass der Beruf für Frauen wichtiger wird als die Familie (14 Prozent im Jahr 2024, vier Prozent im Jahr 1990). Gleichzeitig haben Männer und Frauen unterschiedliche Auffassungen darüber, was für moderne Frauen wichtiger ist. Mehr als die Hälfte der Frauen (61 Prozent) sind der Meinung, dass sowohl Familie als auch Beruf für sie wichtig sind. Gleichzeitig sind 43 Prozent der russischen Männer dieser Meinung. Fast die Hälfte der Russen (47 Prozent) muss zugeben, dass Männer schneller auf der Karriereleiter aufsteigen und es für sie leichter ist, bei gleicher Ausgangsposition eine höhere Position zu erreichen.

[hrsg/russland.NEWS]

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