Der außenpolitische Instrumentenkasten

Berliner Regierungsberater spekulieren über mögliche offensive Schritte der russischen Außenpolitik und diskutieren Gegenmaßnahmen. Wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer umfangreichen Studie konstatiert, habe Moskau den „Instrumentenkasten“ seiner Außenpolitik „in den vergangenen Jahren immer weiter entwickelt und ausdifferenziert“. Er enthalte heute „verbesserte militärische Fähigkeiten, daneben aber auch eine Vielzahl ‚weicher‘ Werkzeuge“; die SWP führt „orchestrierte Desinformationskampagnen in traditionellen Massenmedien und sozialen Online-Netzwerken, Instrumentalisierung ethnischer Minderheiten, Nutzung zivilgesellschaftlicher Organisationen, wirtschaftliche Kooperation oder wirtschaftlichen Druck“ an. Die Studie spielt in fiktiven Szenarien etwa eine Unterstützung extrem rechter Parteien in westeuropäischen Wahlkämpfen durch Moskau durch und nimmt Schritte zur Abwehr russischen Einflusses in den Blick. Bei derlei Auslandsaktivitäten, die nun auch Russland zugetraut werden, handelt es sich um Praktiken, die seit je zum Instrumentarium der NATO-Staaten gehören – insbesondere auch Deutschlands.

Spekulative Szenarien

Im Rahmen ihrer Bemühungen, Konsequenzen daraus zu ziehen, dass die Analyseapparate in der Bundesrepublik strategische Schritte der russischen Außenpolitik nicht vorhergesehen haben – etwa Moskaus scharfe Reaktion auf den Umsturz in der Ukraine oder die Intervention im Syrien-Krieg (german-foreign-policy.com berichtete [1]) -, hat die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unlängst elf Szenarien entwickelt, die in spekulativer Weise unterschiedliche, zumeist offensive Aktivitäten Moskaus skizzieren und mögliche Gegenmaßnahmen in den Blick nehmen. Die skizzierten Aktivitäten entsprechen teilweise Schritten, die Moskau in den letzten Jahren bereits unternommen hat; teilweise führen sie solche Schritte gedanklich weiter. Weitgehend handelt es sich dabei um Praktiken, die Deutschland und andere EU- und NATO-Staaten schon seit je zur Durchsetzung ihrer außenpolitischen Ziele anwenden und die Russland nun entweder nachahmt oder deren Nachahmung die SWP ihm zumindest potenziell zutraut.

Die äußerste Rechte

Zu den außenpolitischen „Instrumenten“, die Moskau inzwischen nutzt, zählt die SWP etwa die Unterstützung politischer Parteien in EU-Staaten, insbesondere die Unterstützung rechter Parteien. Eines der SWP-Szenarien schildert fiktive russische Wahlkampfhilfe für den französischen Front National (FN) vor der französischen Präsidentschaftswahl im April 2017.[2] Moskau verfolge mit der Stärkung nationalistischer Parteien zum einen das Ziel, den Zusammenhalt innerhalb der EU zu schwächen, erklärt die SWP; zum anderen suche es Kräfte zu stärken, die die Kooperation mit den Vereinigten Staaten reduzieren und stattdessen die Kooperation mit Russland weiter ausbauen wollen. Der FN ist in der Vergangenheit tatsächlich aus Russland unterstützt worden. Förderung für – auch ultrarechte – Parteien in anderen Staaten, um diese etwa von traditionellen Bündnispartnern zu lösen und sie an Deutschland zu binden, gehört allerdings zu den traditionellen Mitteln der deutschen Außenpolitik, die dazu sogar parteinahe Stiftungen in zahlreichen Ländern auf allen Kontinenten unterhält. Ultrarechte Kräfte sind von deutschen Stellen etwa in Kroatien unterstützt worden, als das dazu beitrug, Jugoslawien zu zerschlagen [3], und in der Ukraine, um den Umsturz vom Februar 2014 zu ermöglichen (german-foreign-policy.com berichtete [4]). In Russland sympathisiert die deutsche Außenpolitik unter anderem mit dem Oppositionspolitiker Alexei Nawalny, der mehrfach an Kundgebungen der extremen russischen Rechten teilgenommen hat und für rassistische Hetze bekannt ist. Im Herbst 2013 plädierte die führende Zeitschrift des deutschen Außenpolitik-Establishments, die „Internationale Politik“, dafür, über „Dialogforen“ in Russland auch „Gruppen … etwa aus dem nationalistischen und patriotischen Lager“ zu fördern: Diese seien „ein wichtiger Faktor in der russischen Gesellschaft“.[5]

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