Covid-19 und Frühling in Moskau© russland.NEWS

Covid-19 und Frühling in Moskau

„O, Frost und Sonne! Welch ein Morgen!“, schrieb Alexander Puschkin vor 190 Jahren. Der große russische Dichter besang einen Wintermorgen. Und genau solche Morgen und Tage erleben Moskauer auch jetzt. Strahlende Sonne, blauer Himmel, trockene Luft und eisige Kälte bis zu minus zwanzig Grad. Das würde man auch genießen, wenn es sich nicht um den Frühlingsmonat März handeln würde. Irgendwie wird es langsam Zeit für mehr Wärme.

Die Meteorologen schütteln den Kopf und sprechen von einer Wetteranomalie. Letztes Jahr zur gleichen Zeit zeigte das Thermometer zwanzig Grad mehr an. Am Wochenende sollen die Temperaturen jedoch auf plus vier Grad klettern, aber nächste Woche kehrt der Frost in die russische Hauptstadt zurück. Auf elektronischen Tafeln in der U-Bahn läuft die Werbekampagne für „Frühlingsproben“, eine Blumenausstellung im Botanischen Garten. Es scheint allerdings so, dass der Frühling in diesem Jahr noch nicht mal mit Proben begann.

Dabei läuft jetzt die Masleniza-Woche (Масленница) – eine Entsprechung des Karnevals. Das Wort stammt vom „maslo“ (масло) und kann ins Deutsch als Butterwoche übersetzt werden. Das ist ein sehr ausgelassenes Fest, bei dem es vor allem um deftiges Essen geht. Man haut so zu sagen noch richtig rein, bevor die Zeit des Verzichts kommt. Denn nach dieser Woche beginnt die strenge Fastenzeit vor dem Osterfest. Während Masleniza darf man Milchprodukte, Eier und Käse essen (jedoch kein Fleisch). Aber eigentlich dreht sich alles nur um ein typisch russisches Gericht – die Bliny (Pfannkuchen). In dieser Woche verabschiedet man vom Winter und trifft den Frühling mit Gesang und Tanz, bunten Theateraufführungen und natürlich mit Bliny! Doch in diesem Jahr ist alles Anders – keine zur Tradition gewordenen Festivals und Märkte.

Die Frühlingsstimmung der Moskauer wird allerdings durch die Möglichkeit der Rückkehr zum „normalen Leben“ mehr als kompensiert. Geschäfte, Restaurants, Fitnessclubs, Theater, Konzertsäle, Museen, Schönheitssalons und Schwimmbäder sind alle geöffnet und in Betrieb. Allein die Theater dürfen nur noch die Hälfte der Karten verkaufen, und einige von ihnen messen am Eingang die Temperatur jedes Besuchers. Die Weltstars der Oper und auch Pop- und Rockstars kommen nach Moskau. Wenigstens hier können sie live auftreten, endlich die Bühne spüren, das Publikum sehen. Der große Dirigent Teodor Currentzis tritt in der Konzerthalle Sarjadje auf, die sich direkt neben dem Roten Platz befindet. Die berühmten britischen Rockbands Nothing but Thieves und Bring Me the Horizon kommen zum ersten Mal in die russische Hauptstadt. Von russischen Stars und Sternchen ganz zu schweigen – sie touren wieder durch das Land.

Die Moskauer haben sich entspannt; sie tragen immer seltener Masken. In einigen Regionen sind sie offiziell bereits abgeschafft worden, wie zum Beispiel seit dem 12. Februar in Udmurtien. Jeder erwartet, dass die vollständige Abschaffung der Maskenpflicht frühestens im Mai 2021 stattfinden wird, in Moskau – ein wenig später.

„Weißt du, es ist ein seltsames Gefühl. Es ist, als ob ich nicht wüsste, dass es Covid gibt. Ein Freund von mir hatte es, und er erholt sich immer noch davon. Eine Freundin hat seit Monaten gesundheitliche Probleme nach Covid, sie leidet unter Kurzatmigkeit und hat andere Beschwerden. Aber auf der anderen Seite ist die Pandemie irgendwie weg“, erzählt mir meine Freundin Katja. Wir sitzen in einem gemütlichen Cafe in der Tretjakow-Galerie. Wir waren gerade in der Ausstellung des bemerkenswerten russischen Künstlers des letzten Jahrhunderts, Robert Falk. Man kann die Ausstellungstickets nur im Internet und nur für bestimmte Zeit kaufen, so dass die Belegung der Museumssälen gering ist. Über das Internet wurden die Tickets jedoch schon vor der Epidemie verkauft. Und obwohl überall Tafeln stehen, die davor warnen, einen Abstand von eineinhalb Metern einzuhalten, nimmt sie niemand mehr ernst. Nur die Kassiererin des Cafés bat meine Freundin höflich, die Maske, die sie nur bis zur Nase trug, anzuheben. Anklänge an frühere strenge Maßnahmen gegen Corona…

Wenn ich erzähle, dass ich aus Deutschland komme, schauen mich alle mitleidig an: „Ihr habt doch Lockdown in Deutschland. Wie halten die Deutschen das bloß immer noch aus?“ Verbessert sich die Coronavirus-Situation in Moskau wirklich, oder greift das berühmte russische Auf-Gut-Glück-Prinzip ein? Die Zeit wird es zeigen.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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