Chinesische Autohersteller investieren in Russland

[Von Ullrich Umann Moskau -gtai] Die chinesischen Automobilhersteller starten eine neue Offensive am russischen-Markt. Gleich vier Autokonzerne aus dem Reich der Mitte investieren aktuell in Russland – trotz der-aktuellen Krise beim Pkw-Absatz. Dadurch entsteht Nachfrage nach Maschinen und-Ausrüstungen. Auch Zulieferstrukturen müssen geschaffen werden. Für den deutschen-Maschinen- und Anlagenbau sowie für Kfz-Teilehersteller könnten sich daraus Geschäftschancen-ergeben.

Die chinesischen Automobilkonzerne Great Wall und Lifan errichten eigene Werke. Chery und-Dongfeng Motor arbeiten hingegen mit russischen Partnern zusammen. Auch der Autohersteller-Haima prüft aktuell eine erneute Produktion in Russland. Deutschen Kfz-Teileherstellern mit-Kooperationsabsichten könnte zum Vorteil gereichen, dass die chinesischen Markenhersteller bei-ihren russischen Kunden nicht nur mit günstigen Preisen, sondern auch mit verbesserter Qualität-um Vertrauen werben.

Great Wall hat Ende August den Grundstein für ein Montagewerk im Industriepark „Uslowaja“ im-Gebiet Tula gelegt. Es wurden 216 ha Land erworben. Die neue Firma heißt OOO Havel Motor-Manufacturing Rus. In den Bau des Werks fließen 520 Mio. US$. Dort sollen Fahrzeuge der Marke-„Haval“ (Modelle H1, H2, H6), einer Untermarke von Great Wall, vom Band rollen. In der ersten-Ausbaustufe ab 2017 zunächst rund 80.000 Pkw pro Jahr, später ab 2020 bis zu 150.000 Pkw pro-Jahr. Der chinesische Autokonzern will die Pkw den russischen Käufern für 800.000 bis 850.000-Rubel anbieten.

Das Werk in Tula wird den gesamten Produktionszyklus umfassen, einschließlich der Herstellung-von Motoren und Getrieben. Eingeschlossen sind komplette Linien zum Stanzen, Schweißen,-Lackieren, zur Montage und Teilefertigung. Die Investitionsvereinbarung mit der-Gebietsverwaltung war am 20. Mai 2014 bei einem Besuch der russischen Seite in der VR China-geschlossen worden.

Dabei soll Tula nicht der einzige Standort bleiben. Great Wall Motors Ltd. hat am 20.5.2014 eine-Absichtserklärung zur Einrichtung eines zweiten Werks im Gebiet Kaluga unterzeichnet. Die-Modelle H3, H5 und H6 von Great Wall werden bislang durch die Firma Irito in Russland-vertrieben.

Neue Werke von Lifan Industry

Lifan Industry aus Chongqing (China) will ein Werk mit komplettem Produktionszyklus für etwa 300-Mio. $ in der Sonderwirtschaftszone des Lipezker Gebiets errichten. Die Investitionsvereinbarung-unterzeichnete der Vorstandsvorsitzende der Lifan Group, Yin Mingshan, Mitte Oktober 2014 mit-der Gebietsverwaltung. In der engeren Auswahl waren neben Lipezk auch Kaluga, Tatarstan und-das gesamte Moskauer Umland. Der Bau des neuen Werks soll 2015 beginnen und nach-zweieinhalb Jahren beendet sein. Die Kapazität wird in der ersten Ausbaustufe (Kosten: 150 Mio.-$) 60.000 Pkw jährlich betragen.

Lifan will die gesamte Modellpalette in Lipezk montieren, einschließlich Schweißen und Lackieren-der Karosserien. Zu den Modellen gehören der Crossover X60, die Sedans Cebrium und Celliya-sowie die kompakte Stufenhecklimousine Smily. Später kommen der kompakte Crossover X50-und der Lifan 820 hinzu.

Wenn sich der russische Automobilmarkt wieder erholt hat, plant Lifan Industry noch einmal 150-Mio. $ zu investieren, um die Kapazität auf 100.000 Fahrzeuge pro Jahr zu erhöhen und ein-Motorenwerk zu bauen. Dies erläuterte der stellvertretende Generaldirektor von Lifan Motors Rus,-Wjatscheslaw Galusinkij, vor der Presse. Lifan war 2013 mit 27.500 Pkw (+34%) die-meistverkaufte chinesische Automarke in Russland und hielt einen Marktanteil von 1%. Allerdings-ging auch der Absatz von Lifan im 1. Halbjahr 2014 zurück – um 12% auf 10.100 Pkw.-Bereits seit 2007 werden Lifan-Modelle bei Derways in Karatschaewo-Tscherkessien montiert.-Dort lassen die Chinesen derzeit jährlich rund 20.000 Fahrzeuge der Modelle Breez, Solano, Smily-und X60 fertigen.

Chery arbeitet weiter mit dem russischen Auftragshersteller Derways in Tscherkessien zusammen.-Dort investierte der chinesische Autokonzern 5 Mio. $ in die Produktion, erklärte der Vizepräsident-von Chery International, Feng Ping. Die Kapazität beträgt 1.000 bis 1.500 Fahrzeuge pro Monat-beziehungsweise 12.000 bis 18.000 Fahrzeuge pro Jahr. Ende August 2014 startete die-Produktion des Crossovers Chery Tigo 5 und des Sedans Chery Bonus 3, im September die des-Sedans Arrizo 7. In den kommenden zwei Jahren könnte noch ein weiteres Modell gefertigt-werden, ein Crossover der B-Klasse. Der Bau eines komplett neuen Werks lohne sich für Chery-erst, wenn ein Absatz von 30.000 bis 50.000 Fahrzeugen pro Jahr erreicht werde, sagte Feng-Ping.

Chery hat nach eigenen Angaben in Schweißlinien bei Derways investiert. Erwogen werden-weitere Investitionsgüterkäufe, darunter Lackieranlagen. Zusätzlich werden Kapazitäten für-Forschung&Entwicklung aufgebaut, um alle Modelle besser an die technischen Normen und-Standards in der Russischen Föderation anzupassen. Der Verhandlungsprozess zwischen Chery-und Derways sei in dieser Hinsicht noch nicht abgeschlossen, hieß es.

Für Chery ist die derzeitige Auftragsmontage bei Derways bereits der dritte Versuch, auf dem-russischen Markt Fuß zu fassen. Der erste Anlauf in Form einer Montage beim Auftragehersteller-Avtodor in Kaliningrad wurde 2008 abgebrochen. Eine zweite Auftragsmontage bei TagAZ in-Rostow endete mit einem vorläufigen Bankrott des Gemeinschaftsunternehmens, bevor die-Montage wieder anlief. Mit Derways soll nun alles besser werden.

Anzahl örtlich hergestellter Zulieferteile steigt

Chery wird mit der Zeit die Anzahl örtlich hergestellter Zulieferteile erhöhen. In einem ersten Schritt-soll der Lokalisierungsgrad 30% betragen, bis 2017 oder 2018 dann 50%, berichtete die-Wirtschaftszeitung „Vedomosti“. Gedacht wird dabei an Sitze, Autofenster, Kühl- und-Klimasysteme, Kunststoffteile, Reifen und Akkumulatoren. Durch die verstärkte Lokalisierung will-Chery auch das Wechselkursrisiko verringern, dass bei einem Bezug der Teile aus dem Ausland-besteht.

Dongfeng Motor (Hongkong) betrachtet Russland ebenfalls als strategisch wichtigen Markt und will-dort präsent sein. Bislang hat Dongfeng Motor Import & Export Co. Ltd 21 Händler in Russland-und will diese Zahl bis Jahresende auf 40 erhöhen. Auf dem Moskauer Automobilsalon stellte der-Autoproduzent zwei Neuheiten für den russischen Markt vor – den Sedan der D-Klasse L60 und-den Crossover AX 7. Alle in Russland präsentierten neuen Modelle sind Ergebnis der-Zusammenarbeit mit dem französischen Autokonzern PSA Peugeot Citroen, an dem Dongfeng-14% der Aktien hält.

Neben dem Pkw-Segment peilt Dongfeng den Autobusmarkt in Russland an. Mitte Oktober 2014-unterschrieben Dongfeng und die Verwaltung des Gebiets Saratow eine Vereinbarung über die-Einrichtung einer gemeinsamen russisch-chinesischen Produktion von Stadtbussen auf dem-Gelände des Unternehmens Signal-Masch in Krasnoarmeijsk. Angedacht ist die Fertigung von 500-Bussen pro Jahr. Dafür sei eine Investition von mehr als 100 Mio. $ notwendig.

Weitere in Russland aktive chinesische Kfz-Hersteller sind FAW, Changan, Haima und Brilliance.-Haima kündigte Anfang September an, die Produktion seiner Modelle in Russland-wiederzubeleben, berichtete die Wirtschaftszeitung „Kommersant“. Der Generaldirektor von OOO-Haima Automobile Rus, Dun Gosjan, sagte, die Muttergesellschaft Haima Automobile Group sei-bereit, in den kommenden drei bis vier Jahren etwa 100 Mio. $ in Russland zu investieren. Das-chinesische Unternehmen führt aktuell Gespräche mit TagAZ, UAZ und Derways. Mit einer SKDMontage-soll begonnen und dann schrittweise der Lokalisierungsgrad erhöht werden. Ziel sei eine-Kapazität von 30.000 Pkw pro Jahr (nicht mehr als 10.000 bei Gründung eines Joint Venture mit-einem lokalen Partner).

Für Haima ist es bereits der zweite Versuch einer Produktion in Russland. Ab November 2010 war-das Modell Haima 3 in zwei Versionen bei Derways in Tscherkessien gefertigt worden. Die-Produktion sollte bis 2014 auf 40.000 Pkw ausgebaut werden. Aber Derways schuldete dem-chinesischen Unternehmen sehr bald 2 Mio. $ für Bausätze. Deshalb wurde die Montage Anfang-2012 wieder eingestellt. Außerdem waren die Manager von Haima mit der geringen-Fertigungsqualität bei Derways unzufrieden.

Vorzugsbedingungen für chinesische Geschäftsleute

Die Motive für die chinesischen Initiativen sind vielschichtig. Zum einen haben sich die Aktivitäten-des Reichs der Mitte zur Belieferung des russischen Kfz-Marktes schon seit Jahren sichtlich-erhöht. Mit steigenden Absatzzahlen rückte eine Montage vor Ort immer mehr in Sichtweite.-Dadurch sollen die Selbstkosten sinken und damit die günstigen Verkaufspreise beibehalten-werden. Zum anderen vollzieht sich im laufenden Jahr eine politische und wirtschaftliche-Annäherung zwischen Russland und der VR China vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts. Die-chinesischen Automobilhersteller halten ihre Stunde am russischen Markt für gekommen. Bislang-waren sie vom föderalen Industrieministerium als Konkurrenten im gleichen Preissegment wie-AwtoWAZ betrachtet worden, aber jetzt werden chinesischen Geschäftsleuten Vorzugsbedingungen eingeräumt.

Nicht zuletzt sind chinesische Autobauer zur Endmontage in Russland gezwungen, wenn sie bei-öffentlichen Ausschreibungen zur Flottenerneuerung mitbieten wollen. Ohne ein „Made in Russia“-sind schließlich die nationalen Lieferklauseln nicht einzuhalten. Diese macht das zuständige-Ministerium für Industrie und Handel zur Bedingung. Damit sollen Arbeitsplätze in Russland-geschützt und weitere ausländische Hersteller zu einem Technologietransfer bewegt werden.-Die chinesischen Investoren glauben zudem, dass der derzeitige Rückgang am Absatzmarkt nur-vorübergehender Natur sei. Wenn das Interesse russischer Kunden an Neufahrzeugen wieder-spürbar anzieht, wollen die chinesischen Hersteller mit einem breit gefächerten Angebot an örtlich-gefertigten Fahrzeugen bereitstehen, inklusive attraktiver Preise und verbesserter Qualität.-Schließlich handelt es sich bei Russland um den zweitgrößten Kfz-Markt in Europa – nach-Deutschland, wie der Präsident von Chery Automobile Co, Yin Tongyao, gegenüber „Vedomosti“-betonte.

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