Chemie bleibt Russlands Wachstumsbranche

[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Die chemische Industrie Russlands bleibt 2014 auf Wachstumskurs. Daran ändert auch das schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld nichts. Schon 2013 gehörte der Zweig mit plus 4,9% zu den wenigen Wachstumsbranchen im verarbeitenden Gewerbe. Innerhalb der Branche entwickeln sich die Hersteller von Kunststoffen und Dünger besonders erfolgreich.

Kapazitätserweiterungen werden in den Sparten Haushaltschemie und Pharma wahrscheinlich. Die Chemieindustrie kann der im Jahr 2014 anhaltenden Rubelschwäche sogar Gutes abgewinnen. So profitieren die Exporte davon, da russische Hersteller auf den Weltmärkten günstiger anbieten beziehungsweise höhere Margen erwirtschaften können. Insbesondere die ausfuhrorientierte Düngemittelindustrie erfährt dadurch einen zusätzlichen Impuls.

Auf dem eigenen Markt verbessert sich wiederum die Position der russischen Chemieindustrie gegenüber ausländischen Wettbewerbern, die ihre Güter einführen müssen. Im Endeffekt kann die aktuelle Entwicklung zum Kapazitätsausbau bei den Herstellern von Haushaltschemie und pharmazeutischen Erzeugnissen führen. Dies ist in den vergangenen Jahren ausgeblieben. Im Pharmasektor zwingen nationale Lieferklauseln bei Beschaffungen des mehrheitlich öffentlichen Gesundheitswesens zusätzlich zu Produktionsausweitungen vor Ort.

Russland: Ausgewählte Projekte in der chemischen Industrie

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*) 214,9 Mio. Euro, Wechselkurs der EZB am 9.4.14: 1 Euro = 48.8600 Rubel Quellen: Russische Pressemeldungen, Recherche Germany Trade & Invest, Moskau, 2014

Ausbau bei Polypropylen 2013 erfolgt

Mit dem Produktionsstart gleich zweier Chemiewerke vergrößerte sich 2013 der Ausstoß von Propylen um 690.000 jato. Dabei handelte es sich einmal um das Unternehmen Poliom in Omsk, das 180.000 t Polypropylen und Rohstoffe daraus herstellt (Homopolymere, Blockcopolymere und Statcopolymere). Der Rohstoff aus Omsk findet unter anderem in der Herstellung von Kunststoffrohren für Frisch- und Abwassersysteme Anwendung. Erworben wurde für das Werk eine Technologie des US-amerikanischen Konzerns LyondellBasell. Der Bau der Anlage zog sich acht Jahre lang hin, unter anderem wegen Finanzierungsproblemen. Poliom wird von der Gruppe Titan kontrolliert.

Die zweite Anlage mit einer Produktionskapazität von 510.000 jato Propylen wurde im petrochemischen Werk Tobolsk-Polymer in Betrieb genommen. Dabei wird eine Technologie zur Dehydrierung von Propan angewendet. Hierfür wurde die Anlage beim US-amerikanischen Hersteller UOP eingekauft. In der nachgeschalteten Verarbeitungsstufe werden 500.000 t Polypropylen hergestellt. Die Technologie hierzu lieferte die britische INEOS.

Bis zum Produktionsstart in Tobolsk sah das Branchenranking bei Polypropylen noch anders aus. So war das Unternehmen Nischnekamskneftechim mit einer Kapazität von 220.000 jato der größte Hersteller. Es folgten Tomskneftekhim (Sibur) mit 140.000 t, Stavrolen (Lukoil) mit 120.000 t sowie Ufaorgsintez und Neftechimia mit jeweils 100.000 t. Im Ergebnis der Kapazitätserhöhung in Omsk und Tobolsk hat sich der Polypropylen-Ausstoß der russischen Chemieindustrie von 677.000 t im Jahr 2011 auf 1.360.000 t zum Ende 2013 hin verdoppelt.

Russland: Produktion ausgewählter Chemieprodukte (in 1.000 t, Veränderungen in %)

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Quellt: Föderaler Statistikdienst der Russischen Föderation, 2013

Brände verursachen 2014 Produktionsausfälle

Kritisch für das Jahresergebnis 2014 dürfte sich der Brand im Polyethylenwerk Stavrolen auswirken, der Anfang 2014 zu beklagen war. Dabei handelte es sich schon um den zweiten Brand in dieser Anlage innerhalb von zwei Jahren. Die Reparaturen nach dem ersten Feuer führten 2012 zu einem Einbruch der Polyethylenproduktion von 10% beziehungsweise von 200.000 t. Darüber hinaus wurden 100.000 t Polypropylen weniger produziert. Die Ausfälle mussten über Importe ersetzt werden.

Dieses Szenario könnte sich infolge des Brandes Anfang 2014 bei Stavrolen wiederholen. Ein weiterer Brand vom März 2014, dieses Mal im Werk Omsky Kauchuk, verursachte zusätzliche Schäden. Bei Omsky Kauchuk zeichnet sich bis zur Beseitigung der Brandschäden ein Stillstand der Phenolanlage für ein halbes Jahr ab.

Chemiebranche steigert 2014 Gesamtausstoß

Dennoch bleiben Branchenexperten dabei, dass trotz der genannten Ausfälle der mengenmäßige Ausstoß der Chemiebranche 2014 unter dem Strich zunehmen wird. Demnach werden die Produktionsstillstände durch die neuen Kapazitäten bei Polypropylen in Omsk und Tobolsk mehr als kompensiert.

Hinzu kündigt sich für das 2. Halbjahr 2014 die Inbetriebnahme einer Anlage für Polyvinylchlorid im Werk RusVinyl (Gebiet Nischni Nowgorod) an. Bei einer geplanten Kapazität von 330.000 jato könnte somit 2014 noch ein Ausstoß von circa 100.000 t PVC realisiert werden. Bei RusVinyl handelt es sich um ein Joint Venture von Sibur und der belgischen SolVin. SolVin ist wiederum ein Gemeinschaftsunternehmen aus Solvay und BASF.

Branchenexperten erwarten 2014 unter Berücksichtigung aller genannten Faktoren einen Zuwachs der Kunststoffproduktion von 7%. Für die ersten beiden Monate des Jahres gab der Föderale Statistikdienst Rosstat die Zunahmen auf Vorjahresbasis mit 5,7% an. Unter Berücksichtigung der Neukapazitäten bei RusVinyl erscheint die nach oben korrigierte Jahresprognose als äußerst wahrscheinlich.

Düngerproduktion wird weiter ausgeweitet

Weiteres Wachstum kündigt sich 2014 darüber hinaus beim Ausstoß von Kalidünger an. Hier war zum Ende des 2. Halbjahrs 2013 hin bereits eine deutliche Aufwärtsdynamik erkennbar, deren Schwung weit in das Jahr 2014 hineinreicht. Zurückzuführen ist das kräftige Wachstum auf eine geänderte Strategie des größten russischen Herstellers, Uralkali. Für 2014 hat sich der Konzern aus Perm vorgenommen, sein mengenmäßiges Betriebsergebnis aus dem Vorjahr um 20% zu überbieten. Im Jahr 2013 lag der Zuwachs bei 2,7%.

Diese optimistisch stimmende Entwicklung bei Kali scheint inzwischen die Produktion auch anderer Arten von Kunstdünger, darunter Stickstoff und Phosphor, erfasst zu haben. Experten gehen daher für 2014 von einem Wachstum der Gesamtproduktion von Kunstdünger um nicht weniger als 5% aus.

 

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