Borrell gegen Verbot der Erteilung von Schengen-Visa an RussenJosep Borrell

Borrell gegen Verbot der Erteilung von Schengen-Visa an Russen

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat die Initiative, die Ausstellung von Schengen-Visa für russische Bürger vollständig einzustellen, nicht unterstützt. Seiner Meinung nach sollte die EU den Russen, die das Land verlassen wollen, unter den derzeitigen Umständen nicht „die Tür verschließen“.

„Es ist ein sehr umstrittener Vorschlag… Einige Länder haben bereits einige Maßnahmen in dieser Hinsicht ergriffen, andere werden ihn nicht unterstützen. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, allen Russen die Einreise zu verbieten. Wir müssen selektiver vorgehen“, sagte Borrell auf einer Konferenz in Spanien.

Einige europäische Parlamentarier halten es für notwendig, ein Verbot der Ausstellung von Schengenvisa für Russen in das neue EU-Sanktionspaket aufzunehmen. Die Initiative wurde bereits von den baltischen Staaten, Polen und Finnland unterstützt.

Seit dem 18. August verbietet Estland russischen Staatsbürgern, die über ein von der Republik ausgestelltes Schengen-Visum verfügen, die Einreise in sein Hoheitsgebiet. Die Bevölkerung soll die Konsequenzen des Kriegs in der Ukraine zu spüren bekommen, so die Argumentation. Der tschechische Außenminister führt einen weiteren Grund an: Tätigkeiten des russischen Geheimdienstes in der EU sollten durch ein Visumsverbot erschwert werden.

Deutschland hatte sich am 11. August gegen solche Initiativen ausgesprochen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, dass die russische Führung und nicht gewöhnliche Bürger für die Ereignisse in der Ukraine verantwortlich seien. Portugal hat sich am vergangenen Wochenende August gegen das Visaverbot ausgesprochen. Wie das portugiesische Außenministerium betonte, „sollte das Hauptziel des Sanktionsregimes die russische Militärmaschinerie sein und nicht das russische Volk“.  Zypern glaub nicht, „dass eine solche Entscheidung Vorteile bringen wird“. Griechenland soll eine ähnliche Position zu Einreisedokumenten für Russen vertreten wie Deutschland.

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl sieht ein generelles Verbot der Schengenvisa kritisch. Man beobachte die Entwicklungen mit Sorge. „Fliehende brauchen Fluchtwege. Wir wissen, dass es Oppositionelle gibt, die mit einem Schengenvisa nach Deutschland gekommen sind.“ Jürgen Bast, Professor an der Uni Gießen mit dem Schwerpunkt öffentliches Recht und Europarecht, ist dem ZDF zufolge der Ansicht: „Schränkt man die Vergabe der Schengenvisa ein, wäre das ein schwerer Schlag für die russische Opposition.“

Sogar der Nawalny-Vertraute Wladimir Milow warnt den Westen vor einem „Visa-Krieg gegen Russen“. Das schade den im Westen gepredigten demokratischen Werten und spiele Kreml-Chef Wladimir Putin in die Hände. Ähnlich sieht es ein in die USA ausgereister Wissenschaftler: „Putin interessiert sich nicht für die Visa von russischen Bürgern. Es würde ihm wahrscheinlich noch in die Hände spielen, weil mehr Menschen der russischen Propaganda glauben würden, dass der Rest der Welt Russland hasst.“

Wenn vom „Touristenvisum“ die Rede ist, ist das Schengenvisum Typ C gemeint, das Einreisenden aus Nicht-Schengen-Staaten für 90 Tagen den Aufenthalt in Europa erlaubt. Genutzt werden kann es für touristische Aufenthalte, aber auch für Geschäftsreisen oder den Besuch von Freunden oder der Familie. Es gilt für den gesamten Schengenraum – unabhängig davon, von welchem der 26 Länder es ausgestellt wurde.

Die Frage, wie man mit der Vergabe der Tourismusvisa fortfährt, soll bald bei einem EU- Außenministertreffen diskutiert werden.

[hrsg/russland.NEWS]

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