Ausstellung: „SchriftBild – Russische Avantgarde“

Die Ausstellung »SchriftBild. Russische Avantgarde« gibt einen Einblick in ein Jahrhundert-Experiment: Der bürgerlich-akademischen Kultur im Russland des beginnenden 20. Jahrhunderts setzen die Künstler der russischen Avantgarde eine Neudefinition von Kunst entgegen. Nicht nur der jahrhundertelang tradierte Unterschied von Hochkultur und Alltagskultur, auch die Grenzen zwischen den Künsten werden eingerissen. Sprache, Schrift und Bild verschmelzen zu einer Synthese, neue Zeichenwelten mit universellem Anspruch entstehen. In einer fieberhaften Suche nach einer neuen Bildsprache schlagen die Künstler Brücken zwischen technischem und kulturellem Fortschritt, erträumen eine dynamische Welt, in der Menschen Maschinen und Maschinen Menschen befeuern und schaffen visionäre bildliche Paradoxe.

Als die »neuen Wilden« der russischen Kultur vor 100 Jahren ihre Kunst selbstbewusst »eine Ohrfeige« gegen den bürgerlichen Geschmack ihrer Zeit nannten, ahnte die akademische Kunstwelt nicht, welchen Schlag ihr die Avantgardisten mit ihren Werken versetzen würden. Von der politischen Elite der jungen Sowjetunion anfangs als Propagandakunst neuen Typs bejubelt, fallen die Künstler der russischen Avantgarde in ihrer unbändigen Neuerungswut unter Stalin in Ungnade. Weder der theoretische Ansatz noch die umfassende Protestgeste der jungen Künstler passen zu der staatlich gesteuerten Agitationskunst des sowjetischen Realismus.

Der kulturelle Einfluss der russischen Avantgarde auf die aufkommende Moderne des 20. Jahrhunderts ist kaum hoch genug einzuschätzen: Weder Yves Klein noch Barnett Newman, Ad Reinhardt oder Donald Judd sind ohne diesen Modernisierungsschub denkbar. Die gestalterische Revolution der russischen Avantgarde überrascht auch 100 Jahre nach ihrer Entstehung durch eine unverwechselbare Modernität und »Unverbrauchtheit« und wirkt in Kunst und Typografie, Malerei, Plakatdesign, Werbung und Buchgestaltung bis heute stilprägend.

Die Ausstellung »SchriftBild. Russische Avantgarde« kann Dank der großzügigen Unterstützung zahlreicher russischer Leihgeber Arbeiten von allen wichtigen russischen Künstlern und Künstlerinnen der Zeit zeigen – darunter Vladimir Mayakovsky, Alexander Rodchenko, Natalia Gontcharova, Pavel Tretyakov und Varvara Stepanova. Die Schau, die das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek im Rahmen des vom Auswärtigen Amt initiierten Jahres der deutsch-russischen Literatur in Kooperation mit dem Staatlichen Museums- und Ausstellungszentrum ROSIZO, Moskau zeigt, gibt einen einmaligen Einblick in diese vielstimmige kulturelle Revolution am Beginn des 20. Jahrhunderts.

Begleitend zur Ausstellung erscheint unter demselben Titel ein Bilder- und Lesebuch zum Thema, das Dank der großzügigen finanziellen Unterstützung der »Gesellschaft für das Buch e.V.«, dem Freundeskreis der Deutschen Nationalbibliothek, realisiert werden konnte. Das Buch hat 196 Seiten und bildet alle 160 Werke der Ausstellung ab.

05.06.2015 – 04.10.2015

Deutsches Buch- und Schriftmuseum (Deutsche Nationalbibliothek)
Deutscher Platz 1
04103  Leipzig

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