Zwei Kommissionen zur Bekämpfung der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands aus Staatsduma und Föderationsrat trafen sich am Mittwoch und tauschten vorläufige Arbeitsergebnisse aus. Beide kamen zu dem Schluss: Die Intervention ist in vollem Gange.
Zu den ersten Verdächtigen der Einmischung gehören die Deutsche Welle und die US-Botschaft in Russland. Auf deren Vorladung besteht die Duma-Kommission, wie die einstimmige Entscheidung zeigt, die Einladung an die Geschäftsführung der Deutschen Welle erneut zu senden. Es geht um den im Zusammenhang mit den Kundgebungen veröffentlichten Tweet der Deutschen Welle: Moskau, komm raus!
Auf die erste Einladung von Wassili Piskarew, Vorsitzender des Duma-Ausschusses für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, erklärte das Moskauer Büro der Deutschen Welle, dass „die Kommunikation mit politischen Institutionen ausschließlich in der Zuständigkeit der Direktion der Rundfunkanstalt liegt und die Mitarbeiter des Moskauer Büros in dieser Angelegenheit nicht über die erforderlichen Befugnisse verfügen.“
Johannes Hoffmann, Leiter der Intendanz der Deutschen Welle, äußerte sich ähnlich. Es gäbe keine „juristische Grundlage“ zur Teilnahme an der Kommissionssitzung. Im Gegenzug lud er Wasily Piskarew ein, nach Bonn oder Berlin zu kommen, um sich mit dem Generaldirektor des Medienunternehmens „zu einer detaillierteren Diskussion des Themas“ zu treffen.
Über den Pressedienst der Deutschen Welle reagierte Intendant Peter Limbourg verärgert. Die Einladung der Staatsduma enthält die Bedrohung vom Entzug der Akkreditierung. „Die Deutsche Welle ist ein unabhängiges öffentliches Medienunternehmen und wir werden uns nicht erpressen lassen. Darüber hinaus haben wir wiederholt klargestellt, dass wir nicht in die inneren Angelegenheiten Russlands eingegriffen haben und dies auch nicht beabsichtigt haben. Wir haben nicht auf Twitter angerufen, um an der Demonstration teilzunehmen, sondern nur die Organisatoren zitiert. Es ist so offensichtlich, dass wir nicht verstehen, worum es in der ganzen Aufregung geht. Der Vorwurf, wir hätten gegen russische Gesetze verstoßen, ist völlig absurd.“ Piskarew zufolge wird die Kommission auf der Teilnahme der Deutschen Welle an ihrer Sitzung bestehen – im Falle einer Ablehnung könnte die DW die Akkreditierung in Russland verlieren.
Auch hat Piskarew US-Botschafter John Huntsman zu dem Treffen eingeladen. Da das Einladungsschreiben „wahrscheinlich nicht zugestellt wurde“. Deswegen sei eine zweite Einladung versandt worden um „Datum und Uhrzeit des Treffens zu klären“, teilte Kommissionsmitglied Vadim Dengin mit. Man sei bereit, sich dem Zeitplan des amerikanischen Botschafters „anzupassen“.
Die Entscheidung, eine Duma-Kommission zur Untersuchung der Einmischung in die russischen Angelegenheiten einzusetzen, wurde auf Initiative aller vier Fraktionen auf einer außerordentlichen Sitzung des Duma-Rates am 19. August getroffen. Zur Teilnahme an der Kommission wurden die Abgeordneten sogar vorzeitig aus den Ferien abberufen.
Andrei Klimow, zuständiger Kommissionschef im Föderationsrat, vermutet einen größeren Zusammenhang. Diejenigen, die die „Intervention geplant und durchgeführt“ haben, zielten nicht nur auf die Moskauer Stadtduma. Die „ausländischen Gegner“ nutzten die Wahlen zur Moskauer Stadtduma so weit wie möglich als Vorwand für die Organisation und Durchführung einer Reihe von Protestveranstaltungen. Man wolle, auch mit illegalen Aktionen, die „Führung der Russischen Föderation diskreditieren“ und vor ausländischem Publikum die politische Lage in der Hauptstadt Moskau destabilisieren.“ Dabei werden die „ausländische Kuratoren, die sich in das innenpolitische Leben Russlands einmischen, ihren Schwerpunkt von politischen Protesten auf Menschenrechtsaktivitäten verlagern“. Die Kommission werde einen Bericht darüber vorbereiten, wie sich die Taktik der Einmischung in die Innenpolitik Russlands ändere. „Diejenigen, die an den Protesten teilgenommen haben und von den Strafverfolgungsbehörden verurteilt wurden, werden zu heiligen Opfern gemacht. Die Wahlen bleiben auf der Strecke, das Kräfteverhältnis in der Moskauer Stadtduma interessiert niemanden“, so Klimow, treibende Kraft in der russischen Debatte um die ausländische Einmischung.
Der stellvertretende Pressedirektor des russischen, Ilja Timochow, berichtete über weitere ausländische Einmischungen, die Gegenstand der Aufmerksamkeit der Kommission wurden. Dazu gehören „Propaganda-Klischees“ in den Schlagzeilen der westlichen Medien und Posts, Tweets und Retweets in den sozialen Netzwerken ausländischer Politiker und ausländischer Botschaften.
Die Kommissionsmitglieder schlugen vor, dass die Gesetze über Kundgebungen wieder geändert werden sollten und in jeder Stadt nur an eigens dafür vorgesehenen Orten stattfinden sollten.
Laut dem Direktor des Instituts für strategische Studien und Prognosen der RUDN-Universität, Dmitri Egorschenkow, der als Experte zur Sitzung der im Föderationsrat eingeladen wurde, konzentriert sich die ausländische Intervention auf den Zeitraum bis 2024 und seine Aufgabe besteht darin, „den Kodex für die Unrechtmäßigkeit der Macht aufgrund unehrlicher Wahlen festzulegen“.
Elena Sutormina, Vorsitzende der Kommission der Öffentlichen Kammer (OP) Russlands für die Entwicklung der öffentlichen Diplomatie, der humanitären Zusammenarbeit und der Wahrung traditioneller Werte wirft den „politischen Eliten der Vereinigten Staaten und Deutschlands“ vor, durch die Medien „illegale Aktionen in Russland provoziert“ zu haben“. Sie halte es für notwendig , „harte Maßnahmen gegen die westlichen Medien einzuführen“. Im Visier hat sie den TV-Kanal Dozhd, Medusa, Radio Liberty, die BBC und die Deutsche Welle.
Zu den Russen, denen die lautstarken Vorwürfe der ausländischen Einmischung zu weit gehen, gehört inzwischen auch die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Russlands, Ella Pamfilowa. Für sie war die Weigerung, bestimmte Kandidaten für die Wahlen zu Moskauer Stadtduma zu registrieren, nur ein Anlass für Massenproteste. „Sanktionen, die globale Krise, die komplexen sozialen und wirtschaftlichen Prozesse im Land – all dies schafft ein günstiges Umfeld für die Unzufriedenheit mit den Aktivitäten der Behörden. Wenn es keine Wahlen zur Moskauer Stadtduma gäbe, gäbe es einen anderen, noch emotionaleren Grund“, sagte Pamfilowa in einem Interview mit der Zeitung Kommersant. Sie schließt auch die Teilnahme der nicht-systemischen Opposition an der Reform des Wahlrechts nicht aus. Man werde sie nach dem Wahltag am 8. September in die breite Diskussion über die Reform des Wahlgesetzes einbeziehen. „Unsere Türen stehen allen Interessierten offen, auch ihnen.“ Die Zentrale Wahlkommission sei an einem sachlichen Gespräch interessiert.
[hrsg/russland.NEWS]
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