„Ausländische Agenten“ ab jetzt Produzenten von Pornografie gleichgestellt

„Ausländische Agenten“ ab jetzt Produzenten von Pornografie gleichgestellt

Das Gesetz über sogenannte ausländische Agenten wurde in Russland bereits vor zehn Jahren verabschiedet. Aus Sicht des russischen Staates ist ein „ausländischer Agent“ eine Person, die „finanzielle Mittel aus dem Ausland erhält und an politischen Aktivitäten, der Verbreitung von Informationen als Massenmedium oder der Sammlung von militärisch-technischen Informationen teilnimmt“.

Im Jahr 2012 betraf das Gesetz nur gemeinnützige Organisationen. Ab 2020 werden auch Einzelpersonen als „ausländische Agenten“ in das russische Recht aufgenommen. Jetzt erlebt das Gesetz eine regelrechte Blütezeit. Hunderte von Journalisten, Schriftstellern, Wissenschaftlern, Künstlern, Politikern und Menschenrechtsaktivisten sind zu ausländischen Agenten erklärt worden. Darunter befinden sich so bekannte Namen wie die Politologin Ekaterina Schulmann, die Pussy Riot-Aktivistin Nadeschda Tolokonnikowa oder der Schriftsteller Dmitri Gluchowski.

Um den Status eines „ausländischen Agenten“ zu erhalten, bedarf es nicht einmal einer gerichtlichen Entscheidung. Das Justizministerium trägt lediglich den Namen der Person oder Organisation in das Register ein.

Das Gesetz über „ausländische Agenten“ wird ständig verschärft. Am 1. Dezember wird das Justizministerium damit beginnen, die persönlichen Daten „ausländischen Agenten“, zum Beispiel ihre Sozialversicherungsnummer und Steueridentifikationsnummer auf der Website des Ministeriums zu veröffentlichen. Wenn eine NGO als ausländischer Agent registriert ist, werden personenbezogene Daten aller Mitglieder veröffentlicht. Ein entsprechender Erlass wurde von Premierminister Miсhail Misсhustin unterzeichnet.

Die Privatsphäre wird aber auch in Russland durch die Verfassung garantiert, und die Veröffentlichung personenbezogener Daten einer Person in offenen Quellen ohne deren Zustimmung stellt eine Straftat gemäß Artikel 137 des russischen Strafgesetzbuches der Russischen Föderation dar. Dennoch ist eine solche diese Entscheidung getroffen worden.

Darüber hinaus tritt am ersten Dezember in Russland ein Gesetz „über die Kontrolle der Aktivitäten von Personen unter ausländischem Einfluss“ in Kraft. Das Gesetz verbietet es „ausländischen Agenten“, Informationsprodukte für Minderjährige herzustellen. Die Staatsduma hat soeben in zweiter Lesung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes „Über den Schutz von Kindern vor Informationen, die ihrer Gesundheit und Entwicklung schaden“ verabschiedet.

„Dies wird strengere Anforderungen für die Verbreitung von Materialien, vor allem von gedruckten Materialien durch ausländische Agenten, mit sich bringen“, erklärt der Anwalt und Menschenrechtler Pawel Tschikow auf seinem Telegramkanal. Informationsprodukte müssen nun mit einem speziellen Zeichen gekennzeichnet werden. An Orten, die für Kinder zugänglich sind (zum Beispiel in Buchhandlungen), dürfen die Materialien ausländischer Agenten nur in versiegelten undurchsichtigen Verpackungen verteilt werden. In Bibliotheken können die Besucher aufgefordert werden, ihren Pass vorzulegen. Die Materialien selbst müssen in separaten, verschlossenen Räumen oder in Regalen unter direkter Aufsicht eines Bibliotheksmitarbeiters aufbewahrt werden, „wobei die Notwendigkeit zu berücksichtigen ist, Bedingungen zu schaffen, die die größtmögliche Informationssicherheit gewährleisten“.

In Bildungseinrichtungen für Kinder (zum Beispiel in Sportvereinen oder Kinderkrankenhäusern) sind sie ganz verboten. Außerdem dürfen sie nicht einmal im Umkreis von hundert Metern um solche Orte verteilt werden. Die Liste dieser Orte muss von den lokalen Behörden erstellt werden.

Tschikow weist darauf hin, dass das russische Recht in ähnlicher Weise die Verbreitung von Informationen regelt, die „zu gefährlichem Verhalten, Selbstmord oder Gewalt anstiften, die den Wunsch nach Drogenkonsum, Glücksspiel, Prostitution, Landstreicherei oder Bettelei wecken, die Familienwerte verleugnen, LGBT sowie unflätige Sprache und Pornografie fördern“.

Insgesamt verabschiedete die Duma Änderungen an vierzig föderalen Gesetzen wegen ausländischer Agenten. Der Gesetzentwurf wurde am 23. November in zweiter Lesung angenommen. Die Änderungen geben dem Justizministerium unter anderem das Recht, Kontoauszüge von natürlichen und juristischen Personen anzufordern, die als „ausländischen Agenten“ anerkannt sind. Darüber hinaus ist es „ausländischen Agenten“ untersagt, „erzieherische Tätigkeiten in Bezug auf minderjährige Schüler“ auszuüben. „Ausländische Agenten“ dürfen nicht in staatlichen und kommunalen Bildungseinrichtungen unterrichten. Im Grunde genommen handelt es um ein Berufsverbot, meint Politologin Ekaterina Schulmann. Dies sagte sie am Mittwoch bei einer Debatte „Staat ohne Bürger? Russland am Rande des Totalitarismus“ an der Kölner Universität.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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