Auflösung von Yukos versetzt Chodorkowski weiteren Schlag

Tiefer kann ein Karrieresturz kaum sein. Michail Chodorkowski, der einst reichste Mann Russlands, sitzt in einem sibirischen Straflager ein. Und aus dem fernen Moskau kommt nun die bittere Nachricht, dass der von ihm einst geleitete Ölkonzern Yukos aufgelöst wird. So hat es ein Gericht verfügt.

Der 43-Jährige wird dies als Fortsetzung eines grausamen Rachefeldzugs wahrnehmen, dem er seit Jahren ausgesetzt ist – der Niedergang des früheren Ölmilliardärs hatte begonnen, nachdem er sich im Vorfeld der Präsidentschafswahlen von 2004 gegen Kreml-Chef Wladimir Putin gestellt hatte.

Lange galt die Karriere des Michael Chodorkowski als Paradebeispiel für die unbegrenzten Möglichkeiten im Russland der post-sowjetischen Ära. Vom früheren kommunistischen Jugendführer brachte er es zum Bankier und Ölmagnaten. Doch als der Mann mit der sanften Stimme seine Macht dann politisch zu nutzen begann und oppositionellen Parteien finanziell unter die Arme griff, leitete er seinen eigenen Untergang ein. Im Oktober 2003 wird er bei einer Zwischenlandung mit seinem Privatjet in Nowosibirk von Spezialeinheiten festgenommen. Der quälend lange Prozess mündet im Mai 2005 in ein hartes Urteil: neun Jahre wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Die Strafe wird später auf acht Jahre reduziert.

Mit der Inhaftierung Chodorkowskis endet abrupt ein Aufstieg, der zuvor geradezu unaufhaltsam erschien. Seine Zeit in der kommunistischen Jugendbewegung Komsomol ist schnell vergessen, als das Ende der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre völlig neue Chancen eröffnet. Chodorkowski zählt zu jener Handvoll Männer, denen es gelingt, das Chaos zu Geld zu machen. Nach großem Erfolg mit dem Import von Computern gründet der Jungunternehmer im Alter von 26 Jahren die Bank Menatep, den späteren Hauptanteilseigner von Yukos.

Im staatlichen Ölsektor wittert Chodorkowski seine große Chance. Im Rahmen einer dubiosen Privatisierung, bei der Insider Teile von Russlands Schlüsselindustrien zu Schleuderpreisen ersteigern, erlangt er die Kontrolle über Yukos. Angeblich zahlen Chodorkowski und seine Mitstreiter auf der von der Menatep organisierten Auktion nur 390 Millionen Dollar für das Unternehmen, das bis zu Chodorkowskis Festnahme im Jahr 2003 einen Börsenwert von mehr als 30 Milliarden Dollar erreicht haben wird. Die gigantische Wertsteigerung wird mit einer aggressiven Unternehmenspolitik erreicht. Nach der russischen Finanzkrise 1998 investiert Chodorkowski massiv in den Konzern. Und nach der Fusion mit Sibneft kontrolliert er den weltweit viertgrößten Öl- und Gas-Produzenten.

Zunehmend dringt der Yukos-Chef nun auch in die Machtsphäre des Staates ein: Er plant den Bau einer privaten Ölpipeline; er finanziert Oppositionspolitiker, die im Parlament seine Anliegen unterstützen; und er liebäugelt selbst mit dem Gang in die Politik. Damit aber verstößt Chodorkowski gegen eine eiserne Regel, die Putin bei seinem Amtsantritt 2000 mit den Oligarchen vereinbart hatte: Ihr könnt eure Reichtümer behalten, wenn ihr euch aus der Politik heraushaltet; wer dagegen verstößt, wird ins Ausland gedrängt – oder festgenommen.

Die Festnahme des smarten Jungunternehmers löst in Russland einen gewaltigen Börsencrash aus. Aus dem Ausland hagelt es empörte Proteste gegen das Vorgehen der russischen Justiz. Sie nutzen nichts. Nach dem Urteil wird Chodorkowski wie die einstigen Sowjet-Dissidenten in ein sibirisches Straflager verlegt. Dort geht es brutal zu. Wiederholt kommt Chodorkowski in Isolationshaft. Und im vergangenen April wird er von einem Mithäftling mit dem Messer angegriffen. Die Behörden sprechen von einem bloßen „Kratzer an der Nase“, nach Angaben seiner Anwälte wird dem Ex-Milliardär das ganze Gesicht zerschnitten. Die Schmerzen, die ihm jetzt durch die Liquidierung von Yukos zugefügt werden, dürfte Chodorkowski allerdings als noch grausamer empfinden als die Messer-Attacke.[Von Dario Thuburn]

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