Gabriele Krone-Schmalz: „An Fakten kann man nicht so ohne weiteres vorbei“

Im russland.NEWS  Interview spricht Gabriele Krone-Schmalz über ihr neues Buch „Eiszeit“ und die Gefahren, die die Dämonisierung von Russland mit sich bringt.

Ihr Buch hat den Untertitel „Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist“. Haben Sie das Buch aus einer Enttäuschung heraus geschrieben?

Krone-Schmalz: Nein, Enttäuschung ist das falsche Wort. Ich habe meine Russlandbücher immer geschrieben, um breiter zu informieren und der vor allem in den letzten Jahren zunehmenden Dämonisierung Russlands etwas Substantielles entgegenzusetzen.

Lohnt es sich überhaupt, solche Bücher zu schreiben? Es gibt doch eine Fangemeinde von Ihnen, und den Rest kann man nicht mehr überzeugen… Oder?

Krone-Schmalz: Und ob es sich lohnt. Aus mindestens drei Gründen: Diejenigen, die instinktiv spüren, dass die Welt nicht so simpel gestrickt ist – auf der einen Seite die Guten, auf der anderen Seite die Bösen – bekommen durch meine Bücher und Recherchen Argumentationshilfe. Wenn Sie so wollen: Ich kann sie für informierte Debatten fit machen. Zum zweiten kommt es gar nicht so selten vor, dass sich Menschen bei mir melden und sagen: So hätten sie das alles noch nie gesehen – Ukraine, Syrien etc. – und ich hätte sie sehr nachdenklich gemacht. Und schließlich, nach TV-Talkshows bekomme ich hin und wieder auch Mails von Menschen, die mich heftig kritisieren, wie man nur so naiv sein könne, auf diesen Verbrecher Putin hereinzufallen etc. Ich bitte diese Kritiker, meinem Buch eine Chance zu geben, denn es könnte sein, dass sie nach der Lektüre die Dinge doch ein wenig anders sehen. Und genauso kommt es dann auch oft. Das ist für mich eine sehr schöne Erfahrung, weil es eben zeigt, dass sich diese Arbeit lohnt.

Sie haben in der letzten Zeit mehrere Bücher über Russland verfasst. Was ist neu an diesem Buch?

Krone-Schmalz: Zum einen passieren immer wieder neue Dinge, die es einzuordnen gilt. Das letzte Buch ist vor zwei Jahren erschienen, das vorletzte im Jahre 2007.

Zum anderen mute ich den Lesern diesmal viele Details und einen umfangreichen Anmerkungsapparat zu, aber ich möchte es damit den „Hardlinern“, die keine andere Position als die eigene zulassen, so schwer wie möglich machen.  …vielleicht ist das auch der Grund, warum es in den sogenannt etablierten Medien keine Rezension von „Eiszeit“ gibt. Es lässt sich nicht so einfach verreißen, wie sich manche vielleicht gewünscht haben. An Fakten kann man nicht so ohne weiteres vorbei.

Sie plädieren für „informierte Debatten“. Finden sie in Deutschland nicht statt?

Krone-Schmalz: Nein, informierte Debatten finden jedenfalls nicht in dem Maße statt wie sie nötig wären. Und das betrifft nicht nur das Thema Russland. Es wird viel zu oft polarisiert, Kompliziertes wird auf die Totschlagfrage reduziert: Bist Du dafür oder dagegen und Moral ersetzt häufig die politische Analyse.

Sie führen zwei neue Begriffe ein: „Antirussismus“ und „Verdachtsberichterstattung“ ….

Krone-Schmalz: Der Begriff Antiamerikanismus ist geläufig, Antirussismus nicht. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass antirussische Haltungen in Deutschland eine lange Tradition haben. Es lohnt sich daran zu erinnern. Möglicherweise hat die heute teilweise hysterische Ablehnung Russlands darin ihre tieferen Ursachen. Der Begriff „Verdachtsberichterstattung“ stammt von dem Medienwissenschaftler Uwe Krüger. Achten Sie mal darauf wie oft auf Vermutungen, Hörensagen und Unterstellungen zurückgegriffen wird, wenn es um die Verantwortung Russlands für bestimmte Untaten geht.

Ihr Stil ist sehr sachlich, Sie argumentieren nur mit Fakten, benennen auch Fehler der russischen Politik beim Namen, und trotzdem wirft man Ihnen immer wieder vor, dass Sie „schamlos“ Werbung für den Kreml machen…

Krone-Schmalz: Was soll ich dazu sagen? Das müssen Sie die Leute fragen, die aus ihrem Schubladendenken nicht herauskommen.

Sie schreiben, dass es in der deutschen Berichterstattung für Russland nicht die selben Standards gelten. Ist es den Journalisten selbst bewusst, was meinen Sie?

Krone-Schmalz: Es gibt sicher Kollegen, die diesen Automatismus tatsächlich nicht bemerken und die man mit der Nase drauf stoßen muss. Aber allgemeingültig kann ich das nicht beantworten. Es wäre vermutlich hilfreich, dieser Frage wissenschaftlich auf den Grund zu gehen.

Russland war schon immer „der böse Bub“ und an allem schuld. Was ist jetzt in den letzten Jahren im Ton neu geworden?

Krone-Schmalz: Neu ist ein dramatischer Rückfall in finstere Zeiten. Es gab Ende der 1980er Jahre durch die Politik von Michail Gorbatschow die große und zunächst berechtigte Hoffnung, dass sich Ost und West gemeinsam für die Gestaltung einer möglichst gerechten und sicheren Welt einsetzen. Diese Chance ist verspielt worden und das gegenseitige Misstrauen könnte größer nicht sein.

Sie plädieren dafür, die klare Rollenverteilung in die Guten und die Bösen abzuschwören. Aber war das nicht schon immer so, dass Menschen in diesen Kategorien denken und die Medien das nur widerspiegeln bzw. dieses Bild bedienen?

Krone-Schmalz In den Kategorien von Gut und Böse zu denken macht vieles einfacher, vor allem in unübersichtlichen Zeiten und bei nicht mehr durchschaubaren Konflikten, birgt aber natürlich auch eine große Gefahr, denn diese Unterteilung hat keinen Platz für Kooperation. Die dazu passenden Begriffe heißen Konfrontation und Bekämpfung des Bösen. Aber ich möchte Ihnen insofern widersprechen, als gerade in dieser Beziehung zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung ein großer Unterschied besteht. Umfragen bestätigen meine Erfahrung, dass Menschen sich sehr viel mehr nach Differenzierung sehnen als ihnen gemeinhin in Medien gerade zu Russland angeboten wird.

Wie optimistisch oder pessimistisch blicken Sie in die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen?

Krone-Schmalz: Ich meine mich an ein schönes Zitat vom russischen Dichter Ewgeni Ewtuschenko zu erinnern: Optimisten zeichnen sich aus durch einen Mangel an Wissen, Pessimisten zeichnen sich aus durch einen Mangel an Fantasie. Ich mache mir jedenfalls große Sorgen um den Frieden, mehr als jemals zuvor in meinem Leben und vertraue darauf, dass sich Mehrheiten in Demokratien letztlich durchsetzen. Und die Mehrheit in Deutschland will gute Beziehungen mit Russland. Es wird Zeit, dass Politik, aber auch Medien, das zur Kenntnis nehmen.

Frau Krone-Schmalz, vielen Dank für dieses Gespräch

Das Gespräch führte Daria Boll-Palievskaya

Gabriele Krone-Schmalz: Eiszeit, Verlag C.H. Beck 2017, 304 Seiten, 5 Karten, ISBN: 978-3406714122

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