Alles beim Alten? Angaben über den Familienfrieden in Russland sind unterschiedlich

Alles beim Alten? Angaben über den Familienfrieden in Russland sind unterschiedlich

Laut der gesamtrussischen Umfrage des Analytischen Zentrums der Nationalen Agentur für Finanzforschung (NAFI) gaben 76 Prozent der Befragten an, dass in ihren Familien die Beziehungen auf dem gleichen Niveau geblieben sind und die Selbstisolation weder in der Beziehung zum Ehepartner noch in der Kommunikation mit den Eltern etwas geändert hat. Gleichzeitig erlebte fast jedes fünfte Ehepaar in Russland während der Zeit der Selbstisolation eine Verschlechterung der Familienbeziehungen. In der Juni-Umfrage mussten die Befragten die Frage beantworten, wie sich die Zeit der erzwungenen Isolation auf die Beziehung ihrer Familienmitglieder ausgewirkt hat.

Dabei berichteten 18 Prozent der Befragten, dass sich ihre Beziehung zu ihrem Ehemann oder ihrer Ehefrau in den letzten Monaten verschlechtert habe. Nur sechs Prozent berichteten über Verbesserung in der Ehe dieser Zeit. In den Beziehungen zu Kindern stellten die Russen eher positive Trends fest: 13 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Beziehung zu Kindern während der Selbstisolation stärker geworden ist.

Anderen Daten zufolge nimmt jedoch das Ausmaß der häuslichen Gewalt in Russland zu. Am 9. April appellierten neun NGOs, die Opfern häuslicher Gewalt helfen, an Premierminister Michail Mischustin und die Leiter der Regionen, dringend Maßnahmen zum Schutz der Opfer zu ergreifen, die sich während der Zeit der Selbstisolation buchstäblich in derselben Wohnung wie die Täter wiederfinden. Diesen Freitag kündigten sieben russische Frauenrechtsorganisationen an, dass die Zahl der an sie gerichteten Appelle während der restriktiven Maßnahmen, die durch das Coronavirus verhängt wurden, gestiegen sei, berichtet INTERFAX. Sie haben dem Europarat einen Bericht über häusliche Gewalt in Russland unter den Bedingungen von COVID-19 übermittelt.

„Man kann den Schluss ziehen, dass die Behörden begonnen haben, das Problem der häuslichen Gewalt im Allgemeinen und ihre mögliche Verschärfung durch das Regime der strikten Isolation zu erkennen. Dies ist eine positive Veränderung in ihrer Wahrnehmung von häuslicher Gewalt. Die Reaktion der Behörden scheint jedoch nur sporadisch zu erfolgen, und ihre Wirksamkeit muss noch bewertet werden“, heißt es in dem Bericht.

An der Ausarbeitung des Berichts beteiligte sich unter anderem das Zentrum zur Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt ANNA. Nach Angaben des Zentrums stieg während der Zeit der Selbstisolation die Zahl der Anrufe bei ihrer Hotline an – von März bis Mai gingen mehr als 8.500 Anrufe ein. Fast 70 Prozent der Frauen, die die Hotline anriefen, sagten aus, dass sich während der Zeit der Selbstisolation die Situation zu Hause verschlechtert hat. Darüber hinaus gaben 3,8 Prozent der Frauen an, dass ihre ersten Vorfälle von häuslicher Gewalt während der Isolation aufgetreten seien. Gleichzeitig wirkten sich die Selbstisolationsmaßnahmen in verschiedenen Städten Russlands unterschiedlich auf die Situation der häuslichen Gewalt aus,  was unter anderem mit der Strenge der von den Behörden ergriffenen Maßnahmen zu erklären ist.

[hrsg/russland.NEWS]

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