Abstimmung über Verfassungsänderungen: Ja, aber wann?

Abstimmung über Verfassungsänderungen: Ja, aber wann?

Die Coronavirus-Pandemie hat die politische Agenda weltweit verändert. So wurde die für den 22. April geplante Abstimmung über die vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeschlagenen Verfassungsänderungen auf unbestimmte Zeit verschoben. „Wenn sich die Situation normalisiert und es möglich sein wird, die Sicherheit aller Teilnehmer zu gewährleisten“, wie russische Politiker es nennen.

Der Vorsitzende der Partei LDPR, Wladimir Schirinowski, schlug sogar vor, auf die Abstimmung ganz zu verzichten. Immerhin habe der Präsident alles unterschrieben, warum also das unnötige Verfahren. Präsidenten Wladimir Putin versicherte den Bürgern jedoch, dass die Abstimmung stattfinden würde.

Die Nachrichtenagentur RIA Novosti zitierte den stellvertretenden Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission (ZIK) Nikolai Bulajew, der sagte, dass das Datum der Abstimmung vom Präsidenten festgelegt wird. Er fügte hinzu, dass das Wahlsystem in Bereitschaft sei. „Die ZIK war bereit, im April abzustimmen“, sagte er. Dabei gibt es Berichte, dass die Abstimmung Ende Juni stattfinden könnte.

Der Vorsitzende der Kommission für die Entwicklung der Zivilgesellschaft und öffentliche Kontrolle der Moskauer Gesellschaftskammer sowie Chefredakteur und Miteigentümer des Radiosenders Echo Moswky, Alexej Wenediktow schrieb in seinem Telegrammkanal, dass das neue Abstimmungsdatum der 24. Juni sein könnte. In einem Interview mit der Zeitung Komsomolskaja Prawda bestätigte Pawel Krascheninnikow, Vorsitzender des Duma-Legislativausschusses, dieses Datum jedoch nicht.

Er versicherte auch, dass die Stimmabgabe nicht elektronisch erfolgen werde, obwohl die Duma bereits ein Gesetz zur Abstimmung im Internet verabschiedet hat. „Die Erlaubnis zur Fernabstimmung ist an Wahlen gebunden. Und im Falle von Änderungen der Verfassung sprechen wir von einer besonderen Form der Meinungsumfrage“, so Krascheninnikow.

Insgesamt wurden 400 Änderungen der Verfassung vorbereitet, darunter die soziale Ausrichtung der Wirtschaft, die Priorität der russischen Gesetzgebung gegenüber der internationalen und Putins Recht, erneut Präsident zu werden. Alle Änderungen wurden bereits vom Verfassungsgericht, der Staatsduma, dem Föderationsrat und den regionalen Parlamenten genehmigt.

Das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum führte Ende April eine Umfrage durch, um herauszufinden, ob die Russen zur Abstimmung gehen würden, wenn sie in den kommenden Monaten stattfände. 44 Prozent der Befragten sagten, sie seien sicher, dass sie teilnehmen, und 21 Prozent sagten, sie nehmen „wahrscheinlich“ teil. Nur 12 Prozent waren entschlossen, nicht an der Abstimmung teilzunehmen.

Im März hatte das Lewada-Zentrum ähnlich, aber mit einer anderen Formulierung gefragt: Die allrussische Abstimmung über Verfassungsänderungen findet am 22. April statt. Werden Sie daran teilnehmen oder nicht? Damals wollten 17 Prozent der Russen nicht zur Abstimmung gehen, und 33 Prozent wollten unbedingt abstimmen. Unverändert 21 Prozent sagten, sie würden „wahrscheinlich teilnehmen“. Interessanterweise wurde die März-Umfrage in Form eines persönlichen Interviews und die April-Umfrage im Zusammenhang mit dem Coronavirus per Telefon durchgeführt.

Auf die Frage, wie die Russen stimmen würden: für oder gegen die Änderungsanträge, antworteten 47 Prozent, dass sie für die Änderungen stimmen würden, 31 Prozent dagegen. Im März waren das jeweils 40 und 34 Prozent.

Viele Politikwissenschaftler glauben, dass es für die russischen Behörden nicht einfach sein wird, einen Termin für die Abstimmung zu finden. Man spricht von einem „schmalen Fenster“. Denn einerseits kann die Bevölkerung nicht durch ein Massenereignis wie die Stimmabgabe gefährdet werden, solange die Gefahr des Coronavirus nicht gebannt ist. Andererseits können, wenn man das Datum immer weiter verschiebt, die Ergebnisse nicht so ausfallen, wie sich die Politiker erhoffen.

Wenn die Menschen ihre Selbstisolation beenden, werden sie die negativen Folgen der Krise hautnah zu spüren bekommen. Viele werden ihren Arbeitsplatz verlieren oder mit diversen Einschränkungen leben müssen. All das wird einen großen Einfluss darauf haben, ob die Russen für oder gegen die Verfassungsänderungen abstimmen.

[hrsg/russland.NEWS]

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