„Nicht von großem Interesse“ – die Wahlkampagne in Russland

„Nicht von großem Interesse“ – die Wahlkampagne in Russland

Im September wählt Russland sein neues Parlament. Am Wahlwochenende vom 17. bis zum 19. September werden russische Wähler auch elektronisch abstimmen können. Im Vorfeld der Wahlen wollten die Soziologen des Meinungsforschungsinstituts WZIOM per Telefon- und Tür-zu-Tür-Umfragen herausfinden, ob die Russen an den Wahlen überhaupt teilnehmen wollen und welche Partei sie bevorzugen würden.

Von den Tür-zu-Tür-Befragten waren 36 Prozent überzeugt, dass sie an den Duma-Wahlen teilnehmen werden. Fünfzehn Prozent meinten, sie gingen lieber nicht zur Wahl (41 Prozent gegenüber 21 Prozent der Befragten bei der Telefonumfrage). Auf die Frage der Soziologen, für welche Partei sie am ehesten stimmen würden, nannten 28 Prozent der Tür-zu-Tür-Befragten Einiges Russland, jeweils 11 Prozent die Kommunistische Partei Russlands (KPRF) und die Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR) sowie 6 Prozent für Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit. Die anderen registrierten Parteien haben zusammen nur 12 Prozent der Stimmen erhalten. Von den per Telefon Befragten gaben 28 Prozent an, dass sie für Einiges Russland stimmen würden, 13 Prozent für die KPRF, 11 Prozent für die LDPR und 7 Prozent für Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit.

Die Hälfte der in der Tür-zu-Tür-Umfrage befragten Russen räumt die Möglichkeit ein, für Einiges Russland zu stimmen, 42 Prozent für die LDPR, 41 Prozent für die KPRF, 37 Prozent für die Partei Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit, 33 Prozent für die Russische Partei der Rentner für soziale Gerechtigkeit.

Der Politikwissenschaftler Pjotr Miloserdow gründete das gemeinnützige soziologische Projekt Gosdumetr, das ausschließlich von Spenden lebt. Darin misst sein Team mittels einer Telefonumfrage die Popularität der Kandidaten in den Moskauer Wahlbezirken. Außerdem wurden die Moskauer gefragt, wen sie gerne wählen würden. Dabei hat Miloserdows Team seit Juni einen Wahlbezirk nach dem anderen angerufen. Die Nummern wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. In einigen Bezirken, so fand der Politologe heraus, kennen 70 Prozent der Wähler überhaupt keinen von möglichen Kandidaten.

„Diesmal sehen die Menschen die Wahlen nicht als Gelegenheit zum Protest, also gehen sie vielleicht gar nicht zur Wahl“, meint Miloserdow. „Außerdem denken die Leute, dass ihre Stimme nichts wert ist. Zwei Faktoren tragen zu diesem Pessimismus bei. Das sind die endlose Pandemie und die Verhaftung von Alexej Nawalny. Diese beiden Faktoren haben dazu geführt, dass die Menschen glauben, dass nichts getan werden kann, dass nichts verändert werden kann“. Nach der Wahl sagt der politische Analyst einen Status quo voraus – alles bleibt wie gehabt, und es wird keine neuen Parteien in der Duma geben. Die russische Wahlkampagne sei nicht von großem Interesse, so Miloserdow er in einem Radiointerview. „Die Parteien sind erschöpft, die Glaubwürdigkeit der Parteien ist erschöpft. Den Parteien als solchen sind die Kader ausgegangen. Sie haben nicht die Kraft, sozusagen dem Druck der Zentralen Wahlkommission zu widerstehen, wenn diese sie nicht registrieren will. Die Leute wollen schon jetzt nicht an diesem Spiel teilnehmen. Sie sehen, „die Show ist vorbei“, jeder hat sie satt“.

[hrsg/russland.NEWS]

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