„Die Lage ist dramatisch“ – wird die Covid-Impfung in Russland Pflicht?© russland.NEWS

„Die Lage ist dramatisch“ – wird die Covid-Impfung in Russland Pflicht?

17.262 – so viele Fälle von Coronavirus-Infektionen wurden in Russland am 18. Juni registriert. Die Gesamtzahl der Covid-19-Fälle im ganzen Land stieg damit auf 5.281.309. In Moskau lag die Zahl bei 9.056 – ein Rekord seit Beginn der Pandemie.

„Wir haben es nicht geschafft, die neue Welle der Krankheit zu vermeiden, weil die Mehrheit die Präventivmaßnahmen gegen die Verbreitung eines neuen Coronavirus ignoriert“, musste Anna Pschenichnaja von Rospotrebnadzor zugeben. Die Situation in Moskau ist so kritisch, dass die geplante medizinische Versorgung mit Krankenhausaufenthalt vorübergehend nur für diejenigen Patienten durchgeführt wird, die gegen das Coronavirus geimpft wurden. Ursache dafür ist ein starker Anstieg der Verlegungen von Patienten aus Kliniken in die speziellen Covid-Kliniken. Die tägliche Zunahme der neuen Covid-Infektionen in der Hauptstadt betrug vom 7. bis 13. Juni ganze zwanzig Prozent. Der Bürgermeister von Moskau, Sergej Sobjanin, bezeichnete die Situation mit Covid als „dramatisch“.

Die russischen Behörden, die lange Zeit behauptete, dass die Impfung nur freiwillig sei und bleibt, begannen, eine Pflichtimpfung einzuführen.  Am 26. Mai sagte Präsident Putin noch, dass sich die Menschen nur aus freiem Willen impfen lassen sollten, nachdem sie die Notwendigkeit der Impfung erkannt hätten.

Am 15. Juni unterzeichnete Elena Andreewa, die leitende Sanitätsärztin der Hauptstadt, ein Dekret über die Impfpflicht für „bestimmte Gruppen von Bürgern“. In erster Linie sind damit Menschen gemeint, die im Service, in der Wartung, in der Gastronomie, im Bildungswesen, im Gesundheitswesen und in Fitnessclubs arbeiten. Fast unmittelbar danach wurde ein ähnliches Dokument veröffentlicht, das von Olga Michailowa, der leitenden Sanitätsärztin des Moskauer Gebiets, unterzeichnet war. In den Dokumenten ist festgelegt, dass mindestens 60 Prozent aller Arbeitnehmer bis zum 15. Juli mit der ersten Komponente oder dem Ein-Komponenten-Impfstoff und bis zum 15. August – mit der zweiten Komponente geimpft werden müssen. Für die Nichteinhaltung der Impfvorschriften drohen drastische Geldstrafen. Außerdem werden Taxifahrer im Moskauer Gebiet, die nicht mindestens mit der ersten Komponente geimpft werden, von den Aggregatoren abgekoppelt und dürfen ihre Routen nach dem 15. Juli nicht mehr starten. Und an diesem Samstag werden in Moskau kovidfreie Restaurants eröffnet, in denen nur geimpfte Gäste zugelassen werden. Um das covidfreie Restaurant zu betreten, muss der Gast einen QR-Code vorlegen, der die vollständige Impfung belegt. Coronavirus-Tests sind in diesem Fall irrelevant. Solche Restaurants können ohne jegliche Einschränkungen betrieben werden. Die Moskauer Behörden werden kontrollieren, dass Restaurants mit Covid-freien Zonen alle Regeln einhalten.

Die Regionen scheinen es sich noch zu überlegen, ob sie dem Beispiel Moskaus folgen werden. Am 17. Juni schloss sich Sachalin Moskau an. Jakutien war das erste Gebiet, das bereits am 25. Mai eine Impfpflicht ankündigte.

Verschiedene Experten versuchen zu erklären, warum es die Russen immer noch nicht eilig haben, sich impfen zu lassen, sondern sogar bereit sind, gefälschte Impfscheine zu kaufen (russland.NEWS berichtete). In einem Punkt sind sich viele einig – Russen haben traditionell kein Vertrauen in Politiker. Außerdem haben die Behörden selbst viel dafür getan, dass sich die Menschen in Bezug auf Covid sozusagen entspannen. Einerseits wird dazu aufgerufen, sich impfen zu lassen und Sicherheitsmaßnahmen zu beachten, andererseits schrieben viele Medien noch vor Kurzem, dass Russland die Pandemie besiegt habe. Pflegeheime werden unter Quarantäne gestellt, gleichzeitig gab es ein großes Konzert zum Tag Russland auf dem Roten Platz, und kürzlich fand dort eine große Buchmesse statt. Solche Doppelstandards verwirren und verunsichern die Menschen nur.

Außerdem sind viele Gerüchte über Impfungen im Umlauf. Zum Beispiel, dass eine der Nebenwirkungen von Sputnik V Unfruchtbarkeit sein könnte. Alexander Ginzburg, Direktor des Gamaleja-Forschungszentrums für Epidemiologie und Mikrobiologie, musste sich sogar dazu äußern. Durch den Einsatz von Sputnik V drohe in Zukunft keine Unfruchtbarkeit, da das Medikament auf Basis des Adenovirus hergestellt wird, mit dem die Menschheit schon sehr lange lebt, so der Wissenschaftler. Ginzburg erläuterte, dass die Komponenten I und II des Präparats auf dem Adenovirus 26 und dem Adenovirus 5 basieren, die vor langer Zeit in der menschlichen Bevölkerung auftraten.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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