„50 Jahre Erfahrung“: LSI-Russicum immer noch erste Adresse für RussischunterrichtDr. Leo Weschmann, Institutsleiter des LSI-Russicum

„50 Jahre Erfahrung“: LSI-Russicum immer noch erste Adresse für Russischunterricht

russland.NEWS sprach mit Herrn Dr. Leo Weschmann, Leiter des Russicum im Landespracheninstitut in der Ruhr-Universität Bochum (LSI), über das Interesse an der russischen Sprache in Deutschland.

Herr Dr. Weschmann, schon in den 70er Jahren war das Russicum in Bochum die Adresse Nummer Eins für diejenigen in Deutschland, die Russisch lernen wollten. Wie kam es dazu?

Dr. Weschmann: Das Russicum wurde 1973 gegründet und unterstand direkt dem Wissenschaftsministerium NRW. Wir haben unsere Existenz zu einem erheblichen Teil Johannes Rau zu verdanken, der damals Wissenschaftsminister und bei der Gründung sehr engagiert war. Man wollte Slawistik-Studenten in Westdeutschland eine bessere Sprachausbildung ermöglichen. Zu der Zeit gab es für Studierende kaum Kontakte in die Sowjetunion, nur wenige Universitäten unterhielten Kooperationen mit sowjetischen Hochschulen. Aber es gab von Anfang an auch Anfragen von großen Firmen, die ihre Mitarbeiter in unsere Russischintensivkurse schickten, denn wir hatten immer hervorragende Dozenten, auch Muttersprachler. Wir konnten schon damals kontinuierlich erfahrene Gastdozenten aus der Sowjetunion gewinnen, die für Russisch als Fremdsprache qualifiziert waren. Hinzu kam: Im ganzen deutschsprachigen Raum gab es kein vergleichbares Zentrum mit einem Unterrichtskonzept, bei dem Russisch so kompakt und praxisorientiert unterrichtet wurde. Das Lehrkonzept unseres Instituts lautet auch heute noch: Russischlernen möglichst einfach und so praxisnah wie möglich machen.

Die deutsch-russischen Beziehungen erleben ganz verschieden Phasen, Höhen und Tiefen. Wie spiegelt sich das im Russicum wider?

Dr. Weschmann: Das spiegelt sich ganz deutlich wider! Mit allen Aufs und Abs, mit allen wirtschaftlichen und politischen Annäherungen und Distanzierungen ging und geht die Teilnehmerzahl immer hoch und runter. Im Zuge der Gorbatschow-Euphorie zum Beispiel hatten wir bis zu tausend Kursteilnehmer im Jahr. Auch die Zusammensetzung der Lernenden änderte sich über die Zeit. Bis ungefähr 1993 hatten wir im Schnitt um die 65 Prozent Studierende (davon immer weniger Slawistik-Studenten, dafür aber immer mehr Studenten aus anderen Fächern). Das hat sich Anfang der 2000er-Jahre geändert. In der Jelzin-Zeit hatten wir überwiegend Teilnehmer aus der Wirtschaft. Wenn große Konzerne die Entsendung von Mitarbeitern nach Russland für längere Zeit planten, belegten sie Russischkurse im Russicum. Seit einigen Jahren geht diese Tendenz leider wieder zurück. Man denkt irrtümlicherweise, sich auch in Russland auf Englisch verlassen zu können. Die politische Situation und das Russlandbild, das in den meisten deutschen Medien überwiegt, tragen auch nicht unbedingt dazu bei, dass viele Menschen sich entscheiden, die russische Sprache zu lernen oder sich mit dem Land zu befassen.

Und Sie bekommen immer mehr Konkurrenz …

Dr. Weschmann: Heute gibt es sehr viele Möglichkeiten, Russisch direkt in Russland zu lernen, dort Sprachkurse zu besuchen oder sogar ein Auslandssemester in Russland zu verbringen. Dazu kommen verschiedene Angebote, Russisch online oder mit Hilfe einer App zu lernen.

Wie besteht das Russicum bei dieser Vielfalt?

Dr. Weschmann: Durch unsere fast 50jährige Erfahrung! Ich glaube, Sie finden nirgendwo ein Institut mit einer solch hervorragenden Methodik für Intensivunterricht. Hinzu kommt, dass wir begleitend zu unseren Präsenzkursen seit sechs Jahren immense Möglichkeiten im E-Learning anbieten, sowohl kursbegleitend als auch unabhängig von unseren Präsenzkursen. Man kann ab dem B1-Level auf unserem Portal „LSI.online“ Russisch auch eigenständig weiterlernen.

Zu Sowjetzeiten war Russisch etwas Exotisches, Besonderes. Wer entscheidet sich heute dafür, Russisch zu lernen?

Dr. Weschmann: Es gibt nach wie vor viele Menschen, die für berufliche Zwecke Russisch benötigen, aber oft sind es auch Personen, die durch Zufall mit der russischen Kultur oder mit russischen Menschen in Verbindung gekommen sind und plötzlich anfangen, sich für das Land zu interessieren. Sie öffnen ihre Augen, lesen über Russland und sagen, ich muss die Sprache lernen, um dieses große Land kennen und verstehen zu lernen. Und diejenigen, die diesen Schritt tun, sind in der Regel binnen kurzer Zeit von einer – häufig sehr emotionalen – Russlandbegeisterung „infiziert“. Aber es gibt natürlich auch praktische Gründe. Zum Beispiel Menschen, die ein freiwilliges Jahr in Russland absolvieren wollen. Wir können nicht in Europa leben, ohne Russland im Blick zu haben.

Viele bekannte Persönlichkeiten haben in Bochum Russisch gelernt…

Dr. Weschmann: Alexander Gerst, Matthias Maurer und die ganze neue Generation europäischer Astronauten hat bei uns Russisch gelernt. Sehr viele deutsche Journalisten, angefangen bei Gabriele Krone-Schmalz und Dirk Sager. Ihre jungen Kollegen, wie der ehemalige Moskau-Korrespondent der ARD Markus Sambale oder der Moskau-Korrespondent des Deutschlandradios Thielko Grieß haben unsere Kurse besucht. Aber so prominent diese Namen auch sind, für uns ist jeder Kursteilnehmer gleich wichtig. Besonders freuen wir uns über Feedback von Menschen, die nach unseren Kursen nach Russland gehen. Sie berichten, dass die Vorbereitung hervorragend war und dass sie im Land sprachlich sehr gut zurechtkamen.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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