Moskau und Kiew tauschten Gefangene aus: Medwedtschuk so viel wert wie 5 Asow-KommandeureViktor Medwedtschuk

Moskau und Kiew tauschten Gefangene aus: Medwedtschuk so viel wert wie 5 Asow-Kommandeure

„Als Ergebnis des komplexen Prozesses der Austauschverhandlungen wurden heute Abend 55 Soldaten der russischen Streitkräfte sowie der Republiken Donezk und Luhansk, die sich in Gefangenschaft in Lebensgefahr befanden, aus den von Kiew kontrollierten ukrainischen Gebieten zurückgebracht.“ So bestätigte das russische Verteidigungsministeriumden aufregenden Gefangenenaustausch am Tag nach der Bekanntgabe der Teilmobilmachung.

Die russische Seite erhielt 55 Militärangehörige, darunter den Politiker und Geschäftsmann      Viktor Medwedtschuk – die Ukraine erhielt 215, darunter Kommandeure und Kämpfer des Asow-Bataillons. Die Türkei wo fünf Asow-Kommandeure bis zum Ende des Krieges interniert bleiben, um nicht erneut an Kampfhandlungen teilzunehmen, hatte als Vermittler fungiert.

Laut dem ukrainischen Präsidialamt stehen auf der Liste neben den 5 freigelassenen Asow-Kommandeuren auch Seeleute, Grenzschutzbeamte, Polizisten, Zollbeamte und 10 Ausländer, die auf ukrainischer Seite gekämpft haben und gefangen genommen wurden. Letzteren drohte in der Volksrepublik Donezk die Todesstrafe. Am Abend des 21. September hatte Saudi-Arabien die Freilassung von zehn Ausländern durch Moskau bekannt gegeben. Der Austausch erfolgte durch die Vermittlung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Zu den freigelassenen Ausländern gehören fünf britische Staatsbürger, zwei Amerikaner, ein Marokkaner, ein Schwede und ein Kroate. Kiew hat Fotos und Videos von den befreiten Kriegsgefangenen in Umlauf gebracht.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski begrüßte, dass die fünf Asow-Kommandeure bis zum Ende der Feindseligkeiten „unter persönlichen Garantien des türkischen Präsidenten unter komfortablen Bedingungen“ in der Türkei bleiben werden. Recep Erdogan nannte den Austausch „einen wichtigen Schritt zum Frieden“ und dankte Wladimir Putin und Wladimir Selenski.

Von den fünfundfünfzig russischen Rückkehrern sind zwei mittelrangige Offiziere (Oberstleutnant und Major), sechs Jungoffiziere, vier Unteroffiziere, vierzig einfache Dienstgrade, sowie zwei Soldaten aus der DNR und ein Soldat der LNR. Sieben von ihnen wurden ins Krankenhaus eingeliefert.

Viktor Medwedtschuk ist ein pro-russischer Politiker und einer der Führer der ukrainischen Opposition. Die Medien bezeichnen ihn als „Paten von Wladimir Putin“. Er wurde in der Ukraine wegen Hochverrats und versuchter „Plünderung nationaler Ressourcen“ angeklagt. Medwedtschuk stand seit Mai 2021 unter Hausarrest, aus dem er im Februar 2022 entkam, untertauchte, und deswegen im April festgenommen inhaftiert wurde.

Der ehemalige Parlamentsabgeordnete Medwedtschuk hatte bereits im Mai Russland seinen Austausch gegen ukrainische Soldaten angeboten, doch Moskau lehnte dies ab. In der Ukraine drohten Medwedtschuk bis zu 15 Jahre Haft wegen Hochverrats.

Westliche Medien schrieben, der Austausch sei ein schwerer Schlag für Moskaus Ruf. Die Freilassung der Asow-Offiziere werde die Moral des ukrainischen Militärs weiter stärken. Russische Medien berichteten eher beiläufig. Kremlsprecher Dmitri Peskow lehnte es ab, sich zum Gefangenenaustausch mit der Ukraine zu äußern. Er habe keine Befugnis, sich dazu zu äußern. „Es gab Informationen aus dem Verteidigungsministerium. Ich habe nichts hinzuzufügen.“

In den russischen sozialen Medien, besonders bei Telegram, macht sich Unmut breit. Der Kreml-Propagandist Wladimir Solowjow (1,2 Millionen Abonnenten) übernahm auf seinem  Kanal einen Beitrag von Jewgeni Prilepin(266.000Abonnenten), der es „für ein Wunder hält, dass Moskau die Freilassung von 55 russischen Gefangenen erreichen konnte. Dass es 215 ukrainische Kriegsgefangene kostete, beweise nur, dass ein „russischer Krieger viermal mehr wert sei“. Und was Viktor Medwedtschuk betreffe: Zum Teufel mit ihm – was zähle, ist, dass „unsere Jungs zu Hause sind“,

WarGonzo hält den Austausch für einen „schlechten Handel“, aber „besonders beleidigend“ am Deal sei die Tatsache, dass für den Rest des Krieges die befreiten Asow-Kommandeure „in der Türkei sich ausruhen“ werden.

Jewgeni Poddubni (745.000 Abonnenten) versteht, dass, „viele Soldaten, die in Mariupol gegen das Asow-Regiment gekämpft haben, jetzt verärgert sind“. Dennoch sei der Tausch „immer noch ein angemessener Preis für die Freilassung der russischen Kriegsgefangenen“.

Igor Strelkow schrieb, der Austausch sei „schlimmer als ein Verbrechen … und schlimmer als ein Fehler. Das ist UNGLAUBLICHE DUMMHEIT. Oder – völlige Zerstörung. Es war anscheinend unmöglich, dies zumindest ein paar Tage vor dem Dekret des Präsidenten vor der Mobilisierung zu tun …“

Älter als Edda, hinter dem der außerhalb von Telegram wenig bekannte Kriegsblogger German Kulikovsky steckt, und der in den Tagen vor dem Krieg einer der wenigen russischen Blogger war, der die „Spezialoperation“ im Voraus ankündigte, schrieb: „Ich schaue mir die Situation beim Gefangenenaustausch an und verstehe, dass wir den wichtigsten Teil der modernen Kriegsführung, nämlich den Informationskrieg, nicht gelernt haben. Wie kann man im Informationszeitalter so ekelhaft arbeiten, ich weigere mich ehrlich zu verstehen.“

Das Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, äußerte sich „sehr unzufrieden“ über den Gefangenenaustausch mit der Ukraine. „Ich glaube, dass als Terroristen anerkannte Kriminelle nicht gegen Soldaten ausgetauscht werden können. Ich würde verstehen, wenn es einen gleichwertigen Austausch gäbe – einen Soldaten für einen Soldaten, einen Agenten für einen Agenten “, schrieb Kadyrow auf Telegram.

Wjatscheslaw Wolodin, Sprecher der russischen Staatsduma, hatte nach der Kapitulation der letzten ukrainischen Militärs im Stahlwerk Asowstal in Mariupol gefordert, dass die gefangenen „Naziverbrecher nicht ausgetauscht, sondern vor Gericht gestellt werden sollten.“

[hrsg/russland.NEWS]

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