Lukjanow: „In der Migrantenfrage verstolpert“

Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift „Russia in Global Affairs“ und außenpolitischer Vordenker der russischen Elite, hat sich des Themas Europa angenommen. In einem zweiteiligen Beitrag für die Online-Zeitung Gazeta.ru bewertet er die Ereignisse in der Region, die von ihm „Alte Welt“ genannt wird. Der erste Teil ist hier in der deutschen Übersetzung zu lesen. Der zweite Teil befasst sich dann mit den Auswirkungen des europäischen Auseinanderbrechens auf Russland.

In der „Alten Welt“ begann 2015 mit einer tiefen Erschütterung: dem Terroranschlag auf die Redaktion des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo. Nicht nur der Anschlag als solcher, auch die öffentliche und politische Reaktion darauf waren bereits ein klares Anzeichen für die vielschichtige Krise des geeinten Europas. Dabei geht es längst nicht nur um Probleme der Migration oder des Zusammenlebens der Kulturen. Das Übel wurzelt in der Unfähigkeit des europäischen Projekts, sich den radikal veränderten Wirklichkeiten der außereuropäischen Umgebung anzupassen.

Traurige Ungewissheit

Ein Jahr später hat sich die Lage noch deutlich verschärft. Zu Beginn des Jahres 2016 liegt eine traurige Ungewissheit in der Luft.

Die zuvor nicht gekannten Vorfälle in der Silvesternacht mögen spontan oder eine organisierte Einschüchterung seitens einiger Immigranten gewesen sein. Die eigentliche Empörung richtet sich dagegen, in welchem Umfang die Rechtsschutzorgane in Deutschland (und, wie zu erfahren war, in anderen Ländern) Gewalttaten von Flüchtlingen unter den Teppich zu kehren versuchten.

Auch der jüngste Terroranschlag in Istanbul, dem vor allem Deutsche zum Opfer fielen, steht in diesem Zusammenhang. Er war nur der letzte Knoten in den unendlich verworrenen Beziehungen zwischen der Türkei und der EU. Die Türkei hat sich als der Staat herausgestellt, dem seit Monaten bei der Sicherung der innereuropäischen Stabilität die größte Bedeutung zukommt – und der damit hervorragend zu spekulieren versteht.

Entscheidende Entwicklungen in Deutschland

Auf der anderen Seite haben wir die immer schlechter werdenden Beziehungen zwischen den – von Berlin beherrschten – europäischen Institutionen und Polen, wo eine konservative Regierung die Herrschaft angetreten hat. Deutsche Politiker drohen Warschau inzwischen mit Sanktionen als Antwort auf Gesetzesänderungen, die nach Brüsseler Meinung die Bürgerrechte einschränken. Aus Polen kommt im Gegenzug die bereits vor zehn Jahren, als die Kaczyński-Partei schon einmal an der Macht war, bekannte Antwort, der zufolge Berlin dem polnischen Volk noch immer Wiedergutmachung für den Zweiten Weltkrieg schuldig ist.

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