„Trainer unfähig“: Was Russen über die EM-Ergebnisse denkenrussische Fans während der WM in Russland. Foto: russland.NEWS

„Trainer unfähig“: Was Russen über die EM-Ergebnisse denken

Vor zehn Tagen ist die Fußball-Europameisterschaft zu Ende gegangen, doch Soziologen haben bereits vorige Woche ihre ersten Schlüsse gezogen. Das Meinungsforschungsinstitut WZIOM fand heraus, dass mehr als die Hälfte der Russen (60 Prozent) die EM 2020 auf die eine oder andere Weise verfolgt haben. Allerdings interessierten sich 40 Prozent der befragten Russen nicht für dieses Sportereignis, und nur fünf Prozent sahen sich regelmäßig Spielübertragungen an, ein Viertel der Russen sah sich einzelne Spiele an. Und sieben Prozent wussten sogar nichts von dieser Fußballmeisterschaft. Natürlich unterstützten zwei Drittel der russischen Fans, die die EM verfolgten (66 Prozent), die Sbornaja. Aber es gab auch Befürworter von Italien (38 Prozent), England (14 Prozent) und sogar der Ukraine (13 Prozent).

Fast die Hälfte der Russen, die die EM verfolgt haben, sind der Meinung, dass die russische Nationalmannschaft sehr schlecht gespielt hat oder hätte besser spielen können (17 Prozent). Neun Prozent sind eher pessimistische Realisten und meinten, dass die Nationalelf das beste Ergebnis für ihren derzeitigen Zustand erzielt hat.

Sie spielten schlecht, weil die Fußballer zu viel verdienen (23 Prozent), der Trainer Fehler gemacht hat (18 Prozent), den Spielern die Motivation fehlt und die Nationalmannschaft insgesamt schlecht aufgebaut (13 Prozent) und schlecht vorbereitet ist (12 Prozent).

Der russische Fußballverband erkannte die Arbeit vom Cheftrainer Stanislaw Tschertschessow zwar als „zufriedenstellend“ an, kündigte ihm aber dennoch den Vertrag. Diese Entscheidung wird von 46 Prozent der Russen unterstützt, obwohl mehr als ein Drittel der Meinung ist, dass er als Cheftrainer der russischen Fußballnationalmannschaft eher gute Arbeit geleistet hat. Ein weiteres Drittel vertritt jedoch die gegenteilige Meinung.

Die Figur von Tschertschessow polarisiert. Der vielleicht bekannteste russische Fußballjournalist Wasily Utkin formulierte es so: „Wir haben gesehen, dass es keine strategische Vision von Seiten des Trainerstabs gab. Alle Hoffnung liegt in der Inspiration der Spieler. Mehr gibt es nicht. Die Nationalmannschaft wird seit langem von sozusagen der Messingstatue Tschertschessow trainiert. Wir können nur auf viel Glück hoffen. Unsere Nationalmannschaft hat einen unfähigen Trainer. Und er sucht unfähige Spieler aus“.

Die Pressekonferenz von Stanislaw Tschertschessow, die er nach dem peinlichen Auftritt der Sbornaja bei der EM gab, wurde von den meisten russischen Medien negativ aufgenommen und kommentiert. Auf die Frage über seinen möglichen Rücktritt sagte der damals noch amtierende Cheftrainer Tschertschessow: „Wir sind in einem schwierigen und öffentlichen Geschäft tätig. Der Trainer der Nationalmannschaft ist ein öffentliches Amt, das es zu bekleiden gilt. Vielleicht bin ich ein Mensch der alten Schule und meine Argumentation ist, dass dies eine Ernennung ist, die nicht zur Diskussion steht. Ich wurde nicht zu dieser Position eingeladen, sondern ernannt. Es ist wie ein Befehl. Wenn ich gerufen werde und es heißt „es muss“, mache ich es“.

Vielleicht liegt aber die Antwort auf die Frage, warum die russische Nationalmannschaft unterdurchschnittlich abgeschnitten hat, in der WZIOM-Umfrage selbst. Immerhin gab mehr als die Hälfte der Russen (53 Prozent) an, dem Fußball gegenüber völlig gleichgültig zu sein. Nur sieben Prozent bezeichneten sich als richtige Fußballfans. Wenn man bedenkt, dass sich 60 Prozent der Spanier als Fußballfans bezeichnen, muss man sich über das Ergebnis der Sbornaja wohl nicht wundern.

[hrsg/russland.NEWS]

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