„Wir sind alle sterblich“: Putin traf Mütter von Soldaten

„Wir sind alle sterblich“: Putin traf Mütter von Soldaten

Seit Anfang November sind zahlreiche Beschwerden von Rekrutierten und ihren Angehörigen in den russischen Medien erschienen. In Folge hatte der Rat der Mütter und Ehefrauen – eine öffentliche Bewegung von Soldatenangehörigen –,  dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeschlagen, ein Treffen mit den Angehörigen der „Mobilisierten“ abzuhalten.

Ein Treffen fand kurz vor dem 27. November statt, dem Muttertag, der 1998 durch einen Erlass von Boris Jelzin eingeführt wurde. Auf der Website des Kremls wurden zwar die Aussagen, aber entgegen der üblichen Praxis keine Liste der Teilnehmer an dem Treffen veröffentlicht. Nach den Fotos zu urteilen, schätzten die Journalisten, dass mehr als zwanzig Frauen aus verschiedenen Regionen Russlands anwesend waren – darunter Funktionärinnen, Beamtinnen und Mitglieder der Partei Einiges Russland.

Russische Telegramkanäle wie We Can Explain berichteten, dass „ein bedeutender, wenn nicht sogar der überwiegende Teil“ derer, die mit Putin an einem Tisch saßen, Amtsträgerinnen waren. Die regierungstreue Zeitung MK schrieb, dass „die überwiegende Mehrheit der Teilnehmerinnen Mütter von Freiwilligen und Berufssoldaten“ waren, und nicht, wie ursprünglich berichtet, von Einberufenen.

Olga Zukanowa, Leiterin des Rates der Ehefrauen und Mütter, hatte vor dem Treffen eine Videobotschaft aufgezeichnet: „Wir wollen einen offenen Dialog mit Putin. Ein Appell an Putin und alle Männer an der Macht“. Zukanowa schlug vor, Putin solle das Treffen offen gestalten und nicht mit denen, die die Armee und den Präsidenten selbst nicht kritisieren würden. „Das ist nicht das, was wir brauchen. Wladimir Wladimirowitsch, sind Sie ein Mann oder was? Haben Sie den Mut, sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen, nicht mit den im Vorfeld ausgewählten Müttern, sondern mit den echten, die aus verschiedenen Städten auf eigene Kosten zu Ihnen gekommen sind. Wir sind bereit, Sie hier in Moskau zu treffen. Wir warten auf Ihre Antwort! Oder werden Sie sich wieder verstecken?“ Zurzeit hat die Organisation mehr als 500 aktive Mitglieder.

Weder Vertreter des Rates der Mütter und Ehefrauen noch Frauen von der Menschenrechtsorganisation Komitee der Soldatenmütter waren bei dem Treffen mit Putin anwesend.

Besonders betroffen war eine breite Öffentlichkeit über Putins Worte an   ein Mitglied der „Öffentlichen Kammer der LPR“, deren Sohn bereits 2019 im Gebiet Luhansk starb: „Wir werden alle eines Tages diese Welt verlassen. Das ist unvermeidlich. Die Frage ist, wie wir gelebt haben. Manche Menschen leben oder leben nicht, das ist nicht klar. Und wie sie gehen, wegen des Wodkas oder wegen etwas anderem, das ist nicht klar. Und dann sind sie gegangen, egal ob sie gelebt haben oder nicht <…> Aber Ihr Sohn hat gelebt. Und sein Ziel wurde erreicht. Das bedeutet, dass er das Leben nicht umsonst verlassen hat“.

In einem Interview soll die russische Menschenrechtsaktivistin Natalja Pelevina gesagt haben, dass die „Show mit den Müttern, deren Söhne im Krieg sind, in jeder Hinsicht hässlich aussah“. Für sie klang Putins Rede blasphemisch: „Es waren natürlich immer noch echte Mütter anwesend, deren Kinder im Krieg gestorben sind. Und als er ihnen sagte, dass ihre Söhne sowieso früher oder später sterben würden, weil alle sterben, war das der Gipfel des Zynismus. <…> Natürlich ein ungeheuerliches Spektakel. Ich denke, es wird in die Geschichte eingehen.“

Ende der Geschichte: Gestern hat das soziale Netzwerk VKontakte die Gruppe „Rat der Mütter und Ehefrauen“ auf Antrag der russischen Generalstaatsanwaltschaft gesperrt. Die Mütter hatten am 14. November vor dem Hauptquartier des westlichen Militärbezirks in St. Petersburg demonstriert und die Aufnahme von Verhandlungen mit der Ukraine, die Ablehnung des Einsatzes von Atomwaffen und die Behandlung von Fällen illegaler Rekrutierung und Entsendung in das Kriegsgebiet geforderten.

[hrsg/russland.NEWS]

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