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Winteranfang in Moskau

Pünktlich zum meteorologischen Winteranfang fiel in Moskau Schnee. Allerdings blieb der Himmel grau, so dass man nicht zwischen Morgen und Abend unterscheiden konnte. Doch seit gestern präsentiert sich die russische Hauptstadt mit strahlender Sonne und blauem Himmel. Dazu kommt ein leichter Frost von drei Grad und trockene Luft. Schöner kann man sich den Winter nicht vorstellen!

Auch wenn das schöne Wetter die Laune von Moskauern etwas verbessert haben soll, bleibt die Stimmung in der Stadt eher trübe. Die sonst in dieser Zeit kurz vor Silvester vollen Geschäfte bleiben leer. Selbst am so genannten Black Friday gaben die Russen fast 40 Prozent weniger aus als im vergangenen Jahr. Und bei Kleidung, Schuhen und Accessoires sogar fast 45 Prozent weniger. Gleichzeitig wurden die meisten Käufe im Online-Segment getätigt. Also riefen Väterchen Frost die Kunden in riesige Einkaufszentren vergeblich.

Die Werbung für neue Theateraufführungen scheint mir auch überflüssig. Denn nach der neuesten Anordnung des Bürgermeisters von Moskau können in Theatern nur 25 Prozent des Zuschauerraums gefüllt werden. Und die Restaurants sollen um 23 Uhr schließen.

Es ist gut, dass man zumindest öffentliche Verkehrsmittel weiterhin benutzen kann, wenn auch nur mit Maske und Handschuhen. Auf dem Weg zur U-Bahn sehe ich einen jungen Mann, der nach seinem Herzen greift und fällt. Ich wähle schnell die Notarzt-Nummer 103. „Guten Tag, was ist passiert?“ fragt mich eine nette Stimme. Ich schildere kurz die Situation und nenne die Adresse. „Blockieren Sie nicht das Telefon und warten Sie! Ein Ärzteteam ist auf dem Weg!“ Fußgänger eilen an mir und dem Mann vorbei, der auf dem Bürgersteig liegt. Einige schauen neugierig hin, andere wenden sich ab. Ich frage mich, wie lange ich noch unter dem nassen Schnee mitten auf dem Bürgersteig stehen muss. Aber ehe ich mich versehe, höre ich die Sirene des Krankenwagens. Ein junger Arzt springt aus dem Auto, natürlich in einer Schutzmaske. „Nun, wer stirbt hier?“ Es stellte sich heraus, dass ich das Leben eines Betrunkenen retten wollte. „Sie haben das Richtige getan und Ihre Bürgerpflicht erfüllt“, lächelt mich der Arzt an. „Hey, Mann, steigen Sie ins Auto, wir retten Ihnen gleich das Leben!“ Ich bin überrascht über das Wohlwollen des Arztes und gehe meiner Arbeit nach.

Abends erzähle ich aufgeregt meinen Freunden, was mir passiert ist. „Nun, wie lange hast Du denn auf den Krankenwagen gewartet? Etwa drei Stunden, schätze ich. Wir wissen, wie sie hier arbeiten“, fragt mich Mascha skeptisch. Mascha ist Key Account Manager bei einem Großkonzern. Sie erhält ein sehr gutes Gehalt, macht Urlaub in Italien und auf den Malediven. Sie erledigt alle Einkäufe sowie alle Bankgeschäfte und sozialen Aktivitäten online, fährt mit dem Taxi oder nutzt Carsharing, geht in den Fitnessclub in der Nähe ihres Hauses, hat eine Putzfrau aus der Ukraine, ist aber immer und mit allem unzufrieden. „Hast Du diesen Schmutz in unserer Stadt gesehen? Kannst Du sowas in Düsseldorf vorstellen?“ Die Tatsache, dass Düsseldorf zehnmal kleiner als Moskau ist, ein ganz anderes Klima hat und dort 600.000 und nicht zwölf Millionen Menschen leben, lässt sie außer Acht. Wirklich, ich weiß nicht, von welcher Art Schmutz sie spricht. Vielleicht geht es um die Baustelle in ihrem Wohnviertel? Es gibt ein so genanntes Renovierungsprojekt – alte Häuser werden abgerissen und an ihrer Stelle moderne Wohnhäuser gebaut. Oder geht es um den Bau einer neuen Straße, die es ihr ermöglichen wird, noch schneller ins Stadtzentrum zu kommen?

Ja, diesen Moskauern kann man es nie recht machen. Andere Russen lieben jedoch die Hauptstadt ihres Heimatlandes. Und nicht nur sie. 2020 hat Moskau die World Travel Awards in der Kategorie „Das beste Reiseziel“ zum zweiten Mal gewonnen. Diese Auszeichnung gilt als Touristen-Oscar. Neben der russischen Hauptstadt waren in dieser Kategorie die größten Städte der Welt vertreten: London, New York, Lissabon, Paris, St. Petersburg, Sydney, Rio de Janeiro und andere. Wegen des Coronavirus werden in diesem Jahr jedoch keine Touristenmassen an Silvester in Moskau erwartet. Theater, Restaurants und Bars bleiben geschlossen, und es wird keine Märkte oder Straßenfeste geben. Auf der anderen Seite sind Eisbahnen und Geschäfte geöffnet. Alle Hotels mussten die Preise senken. So werden zwei Nächte nur etwa 4.500 Rubel pro Person kosten, was circa 50 Euro entspricht. Ein Grund genug, günstig in die Stadt zu reisen, die viele für eine der teuersten der Welt halten.

[Daria Boll-Palievskaya/russland.NEWS]

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