Wiederholung der Katastrophe von Tschernobyl nicht ausgeschlossen

Die Schutzhaube über dem zerstörten Reaktorblock des Atomkraftwerks Tschernobyl befindet sich in einem Havarie-Zustand, schreibt die Zeitung „Trud“ am Freitag. Die Mauern sind von Rissen bedeckt, das Betondach ist tiefer gerückt.

Da Regenwasser und Schnee auf die zusammengeschmolzenen abgebrannten Kernstäbe kommt, entstehen spontane nukleare Kettenreaktionen. Die Wände der Schutzhaube sind stets aufgewärmt, im Inneren ist ein Leuchten zu sehen. Sollte das Dach abrutschen, so wird tonnenweise radioaktiver Staub in eine Höhe von zwei Kilometern aufsteigen und nicht nur die Ukraine, sondern auch die Nachbarländer Russland und Weißrussland erfassen.

Noch im April vergangenen Jahres stellte Valentin Kupny, ein großer ukrainischer Experte auf dem Gebiet der Atomenergie und früherer stellvertretender Generaldirektor des AKW Tschernobyl, fest, dass die Hülle des Reaktors jeden Augenblick zusammenstürzen kann. Akademiemitglied Dmitri Grodsinski, der sich seit 16 Jahren mit dem Kernkraftwerk befasst, behauptet, dass sich im zerstörten Reaktor Brennstoffmassen erhitzen. Geräte registrieren eine Zunahme von Neutronenströmen und das Entweichen von radioaktivem Staub. Die Schutzhaube, mit der der zerstörte Reaktorblock bedeckt wurde, hat insgesamt mehr als ein Kilometer lange Risse und Löcher, während sich unter der Haube 170 Tonnen Nuklearbrennstoff befinden.

Wie Grodsinski feststellt, war die Schutzhaube im Schnellverfahren gebaut worden. Die Betonwände haben keine Bewehrung. Im Raum des Unglücks von Tschernobyl befinden sich nach seinen Angaben mehr als 800 radioaktive Entsorgungsstellen. Es handelt sich um hunderttausende Kubikmeter radioaktiver Stoffe. Sie waren unmittelbar nach dem Unglück gebaut worden und für fünf bis sechs Jahre bestimmt gewesen. Jetzt entweicht Americium daraus, das gefährlicher als Strontium ist. Der Fluss Pripjat wurde in eine Art Entsorgungskanal verwandelt. Auch der Dnjepr wurde in Mitleidenschaft gezogen: Sein Wasser enthält Strontium. Dabei werden mit diesem Wasser Felder berieselt.

In der Zone nimmt die Zahl der Mutationsfälle zu. Geboren werden blinde bzw. doppelköpfige Ferkel, anstelle von Kücken kommen richtige Monster aus der Schale heraus. Immer häufiger werden Kinder mit Down-Syndrom zur Welt gebracht. Schilddrüsenkrebs bei Kindern wird 1000 Mal häufiger diagnostiziert als vor dem Unglück. „Es gibt keine starke Strahlung mehr, die genetische Instabilität bleibt aber weiterhin bestehen“, so Grodsinski.

Heute liegt ein Projekt für eine zweite Schutzhaube vor, die über der ersten gebaut werden und den Reaktorblock für weitere 100 Jahre isolieren soll. Der Realisierung dieser Idee stehen aber die starke Hintergrundstrahlung und der Geldmangel im Wege: Das Bauprojekt wird auf 750 Millionen Dollar geschätzt.

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