Wie im 19. Jahrhundert

[german-foreign-policy.com] Ein eng mit dem Westen kooperierender russischer Außenpolitik-Experte kommt in einer Analyse über die Hintergründe des Ukraine-Konflikts zu harten Urteilen über die Rolle der EU und der Vereinigten Staaten.

Der Westen habe seit den Umbrüchen von 1989/91 Russland stets ausgegrenzt, Vorkehrungen gegen einen russischen Wiederaufstieg getroffen und seine eigene Machtsphäre systematisch ausgeweitet, schreibt Dmitri Trenin, Leiter des Moskauer Carnegie Center, eines Ablegers des US-Think-Tanks „Carnegie Endowment“. Selbst nach Beginn des Ukraine-Konflikts hätten EU und USA diplomatische Schritte der russischen Regierung nicht erwidert; Chancen auf eine friedliche Lösung wurden dadurch zunichte gemacht. In Reaktion darauf entstehe eine neue Mächtekonkurrenz ähnlich der Mächterivalität des 19. Jahrhunderts, urteilt Trenin; neben Wirtschaftssanktionen sei dabei ein neuer „Informationskrieg“ in vollem Gange. Den USA wirft der Carnegie-Experte „Phobien“ gegenüber Russland vor. Über Deutschland, das ganz besonders an Entstehung und Eskalation des Ukraine-Konflikts beteiligt war, erklärt er, seine Eliten hätten „einen langen Aufstieg zu einer neuen, verbesserten Position in der Weltpolitik begonnen“: „Deutschland entwickelt sich zu einer Großmacht in Eurasien“.

Carnegie Moscow

Um eine Einschätzung der historischen Bedeutung des aktuellen Konflikts um die Ukraine hat sich jüngst in mehreren Beiträgen der russische Außenpolitik-Experte Dmitri Trenin bemüht. Trenin hat seine wissenschaftlich-politische Karriere in den 1970er Jahren in Moskau begonnen und sie in den 1990er Jahren dort fortgesetzt; er ist mit der speziellen Lage Russlands nach dem Kollaps der Sowjetunion eng vertraut. Dennoch kann ihm keine antiwestliche Haltung nachgesagt werden: Seit Ende 2008 leitet er das Moskauer Carnegie Center, das er 1993 mitgegründet hat. Das Zentrum ist ein russischer Ableger des US-amerikanischen Carnegie Endowment, eines bekannten Think-Tanks für Fragen der internationalen Politik mit Sitz in Washington. Trenin ist auch für weitere westliche Think-Tanks tätig, unter anderem für das International Institute for Strategic Studies in London.

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