Westliche Reaktionen auf Moskauer Urteil im Fall Nawalny© russland.NEWS

Westliche Reaktionen auf Moskauer Urteil im Fall Nawalny

Die Umwandlung der Bewährungsstrafe in eine Haftstrafe im Fall Alexei Nawalny wurde umgehend weltweit kommentiert. Die Staatsoberhäupter der westlichen Länder forderten einstimmig die Freilassung des Politikers und aller zu Unrecht inhaftierten Personen. Nawalny habe einen moralischen Sieg errungen und der Kreml bewiesen, dass er ungeachtet der Reaktion des Westens gegen Opposition und Proteste vorgehen kann, schreiben die Medien.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, die Gewalt gegen friedliche Demonstranten zu beenden. Außenminister Heiko Maas, der französische Präsident Emmanuel Macron, US-Außenminister Anthony Blinken und der britische Außenminister Dominique Raab forderten die sofortige Freilassung des Oppositionellen. Der britische Premierminister Boris Johnson bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als „Feigheit, die nicht den grundlegenden Standards der Gerechtigkeit entspricht“.

Die Außenminister Litauens und Lettlands forderten die Europäische Union erneut auf, Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Die Entscheidung, Nawalnys Bewährung aufzuheben sei „zynisch“ und verstoße gegen die internationalen Verpflichtungen Russlands.

Die britische Zeitung The Guardian hält die Entscheidung des Gerichts für das wichtigste Urteil gegen Putins Gegner seit der Inhaftierung von Michail Chodorkowski. US-Beobachter sind sich einig, dass die Entscheidung, Nawalny bis Herbst 2023 ins Gefängnis zu schicken, die Angst der russischen Behörden zeige. Zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt könnte Putins Herrschaft vor einer „dauerhaften Herausforderung“ stehen, schrieb ein Kolumnist der New York Times. Wie einst David gegen Goliath sei es „Nawalny dank seines Mutes gelungen, Putin dazu zu bringen, sich zu verteidigen.“

Bloomberg warnt, dass nun die Gefahr besteht, Putin könne nun jedem beweisen, dass er Opposition und Proteste niederschlagen kann, ohne den Preis im Westen zu zahlen. Das Wall Street Journal schreibt, der Fall Nawalny drohe die ohnehin schon schlechten Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten weiter zu belasten. In einem Kommentar nannte das WSJ die Nawalny-Anklage eine Farce und merkte an, dass Putin nur von der allgemeinen Reaktion der USA und anderer westlicher Länder beeindruckt sein wird. Der russische Präsident wolle die Aufmerksamkeit von innenpolitischen Problemen ablenken.

Die Washington Post räumt in einem Leitartikel ein, dass der Machtapparat von Wladimir Putin wahrscheinlich noch nicht vom Zusammenbruch bedroht ist, aber es klar sei, dass er eine mögliche „Farbrevolution“ befürchtet.

Nach den neuesten Daten von OVD-info wurden bei den spontanen Protesten nach der Annullierung der Bewährungsstrafe am Dienstag 1.386 Personen festgesetzt. Bei den Kundgebungen am 23. und 31. Januar wurden mehr als 9.640 Menschen festgenommen. Einschließlich der mehr als 70 Personen, die in den ersten Tagen nach Nawalnys Rückkehr nach Russland am 17. Januar festgenommen wurden, sind seit Jahresbeginn mehr als 11.100 Menschen bei Kundgebungen zur Unterstützung des Politikers – meist kurzfristig – inhaftiert worden.

Nawalny war vom 17. August bis zum 17. Januar zur medizinischen Behandlung in Deutschland. Nach seinen Angaben habe er seinen Aufenthaltsort rechtzeitig mitgeteilt. Der Strafvollzugsdienst FSIN erklärte jedoch, dass der Angeklagte mehr als fünfzig Mal gegen öffentliche Auflagen verstoßen hat, nachdem er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Der Politiker hat seit Ende September 2020 weder das FSIN noch die Staatsanwaltschaft über seinen Verbleib informiert.

Nawalnys Anwalt wiederum fragte, warum FSIN nicht versucht habe, die Angehörigen des Politikers zu kontaktieren, um herauszufinden, wo er sei. Der Mitarbeiter des Dienstes antwortete darauf, dass niemand zu Hause gewesen sei.

Der Staatsanwalt bat das Gericht, Nawalnys Bewährungsstrafe von 3,5 Jahren in eine Haftstrafe in einer Strafkolonie ohne verschärfte Haftbedingungen umzuwandeln. Das Gericht folgte der Bitte des Staatsanwaltes nach einer zweistündigen Pause. Die acht Monate, die Nawalny unter Hausarrest stand, werden von der Gesamtstrafe abgezogen.

Etwa zwanzig Vertreter der Botschaften von Ländern wie den Vereinigten Staaten, Bulgarien, Polen, Lettland, Österreich und der Schweiz waren im Moskauer Stadtgericht erschienen, wo Nawalnys Fall in einer externen Sitzung des Simonowsky-Bezirksgerichts verhandelt wurde.

Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat der russische Präsident Wladimir Putin den Prozess nicht verfolgt. Das Staatsoberhaupt arbeitete in Nowo-Ogarjowo und bereitete sich auf ein Treffen mit russischen Lehrern vor, so Peskow.

[hrsg/russland.NEWS]

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