„Wertkonservative und Christen“ – Warum Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion mit der AfD sympathisieren

Bisher haben westliche Politiker der etablierten Parteien sowie auch Journalisten des sogenannten Mainstream versucht, die AFD und/oder die neuaufkommende Rechte entweder tot zu schweigen oder alle Sympathisanten mal schnell als Nazis und von Putin bezahlt abzuqualifizieren. Damit würde man es sich aber zu einfach machen. Spätestens seit Trumps Wahl und dem Sprung von rechten Parteien in Europa in Regierungsverantwortung sollte klar sein, dass dieses Phänomen sich nicht mit platten Vorurteilen erklären lässt.

Fast vier Millionen Menschen mit russischem Migrationshintergrund leben in Deutschland. Viele von ihnen fühlen sich von der deutschen Politik nicht vertreten. Deutsche Medien fragen sich, warum Spätaussiedler vermehrt russisches Fernsehen und russische Printmedien konsumieren. Man macht sich Sorgen, dass diese Menschen zur rechten Ecke tendieren. Und Tatsächlich, gehört die AfD zu der Partei, mit der Spätaussiedler sympathisieren. Aber welche Erklärung gibt es dafür?

russland.NEWS beschäftigt sich bereits länger mit dem Thema – ob bei russland.TV, als wir mit einem Aussiedler aus der Linken Partei sprachen (Sind Aussiedler jetzt rechts? [Video])  oder in unseren Kommentaren (Warum Russlandfreunde nicht AfD wählen sollten) .

russland.NEWS sprach jetzt mit einem AfD Mitglied und Spätaussiedler. Wie viele Russlanddeutsche kommt Albert Breininger, Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbandes Germersheim und Beauftragter des Landesvorstands Rheinland-Pfalz für Russlanddeutsche und Spätaussiedler, ursprünglich aus Kasachstan.

russland.NEWS: Wie kam es, dass Sie politisch aktiv wurden?

„Ich kam vor 20 Jahren nach Deutschland. Politisch aktiv bin ich durch viele politische Ereignisse geworden, unter anderem durch die gescheiterte EU Politik. Ich habe mich schon immer für Politik interessiert und die Entscheidungen der etablierten Parteien kritisiert. Bei einer Diskussion hat mir mal ein Mitglied einer regierenden Partei gesagt, ’na ja, wenn Du alles besser weißt, warum machst Du selbst keine Politik‘. Ich habe damals nichts Passendes für mich gefunden, aber dann wurde die AfD gegründet. Ich habe Veranstaltungen besucht und mir gedacht, das ist wirklich etwas Neues. Diese Leute trauen sich wirklich was, und ich möchte dabei sein. Anfangs war ich nur Unterstützer und bin dann aktives Mitglied geworden“.

russland.NEWS: Können Sie uns sagen, wie viele Mitglieder in Ihrer Partei russischen Migrationshintergrund haben?

„Diese Frage kann ich so nicht beantworten. Denn nicht alle Parteimitglieder sind aktiv. Viele bleiben passive Mitglieder und deshalb kann man nicht sagen, welcher Abstammung sie sind. Russlanddeutsche haben ja in der Regel deutsche Namen wie Schmidt oder Schulze und sind daher schwer von anderen Deutschen zu unterscheiden. Viele Mitglieder agieren ohnehin lieber im Hintergrund und wollen nicht mit ihrer Parteimitgliedschaft an die Öffentlichkeit, weil sie Angst vor Repressalien haben. Sie sagen, wenn das rauskommt, dass ich bei der AfD bin, werde ich bei der Arbeit Probleme bekommen.“

russland.NEWS: Es gibt aber Meinungen, dass Spätaussiedler sehr mit der AfD sympathisieren. Wie erklären Sie sich das?

„Das ist wirklich so, das ist eine Tatsache. Sie wollen eine Erklärung haben? Die ist ganz einfach. Russlanddeutsche sind in der Regel wertkonservativ. Viele sind gläubige Christen und gehören Gemeinschaften wie den Baptisten, Mennoniten oder Adventisten an. Als Realisten, Wertkonservative und Christen finden sie ihre Werte in keiner der anderen Parteien vertreten. Z.B. haben sie große Schwierigkeiten mit der Frühsexualisierung in der Schule und sind gegen Sexualkundeunterricht in der Grundschule. Sozialer Abstieg, Islamisierung der Gesellschaft – das sind Themen, mit denen sie zu uns kommen. Auch Sanktionen gegen Russland sind ein Thema. Aber das ist nicht der Hauptrund, warum sich Menschen für die AfD entscheiden“.

russland.NEWS: Gibt es also keine spezifischen Probleme, die Spätaussiedler auszeichnen?

„Fehlende Kindergartenplätze oder soziale Wohnungen, drohende Altersarmut durch Niedrigrenten, Probleme mit der inneren Sicherheit, die aktuelle Migrationskrise mit allen finanziellen und sozialen Kosten, obligatorischer Islamunterricht in einigen Schulen – das sind Sorgen, die nicht nur für russischsprachige Migranten typisch sind.“

russland.NEWS: Man wundert sich in Deutschland, warum Spätaussiedler die sogenannte Putin-Propaganda konsumieren, sprich russische Medien sehen und lesen, statt den deutschen zu vertrauen.

„Die Aussage, dass die Russlanddeutsche nur russische Medien schauen ist nach meiner Kenntnis definitiv falsch. Sie informieren sich vielmehr sowohl über deutsche als auch über russische Medien. Aber wenn sie die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht aus den russischsprachigen Medien oder aus dem russischen Internet erfahren, dann darf man sich nicht wundern, warum sie sich dieser Alternative nicht verschließen, um von dort ihre Information zu bekommen. Und das machen sie auch. Denn so wird ihr Bild etwas ausgewogener“.

russland.NEWS: Herr Albert Breininger, wir danken für das Gespräch.

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