Von Rumorkliniken und Gerüchteküchen

[Mathias Bröckers] Wie sich der Graben zwischen Publikum und Presse vertieft und warum aus Küchen wieder Kliniken werden müssen.

Der Kollege Paul Schreyer hat unlängst in einem ausführlichen Stück (Zwischen Lesern und Lobbynetzwerken) einen Blick auf die neue Frontstellung zwischen Lesern und Leitartiklern geworfen, die wie der SZ-Außenpolitikchef Stefan Kornelius eng mit Vereinigungen vernetzt sind, welche man als „transatlantische Burschenschaften“ oder „schlagende Nato-Verbindungen“ bezeichnen könnte – was aber, nach eigener Aussage, keinerlei Einfluss auf ihr Schreiben hat. Natürlich nicht – weshalb man die Kommentare der Leser, denen dieser offensichtliche Einfluss massenhaft aufgefallen war, seit 1. September einfach mal abgeschaltet hat.

Nicht komplett allerdings – wie es einige prominente Leitartikler am liebsten sehen würden (Leserkommentare abschalten?). In Leserforen auf der Webseite der SZ darf noch diskutiert werden, ob japanischer Whisky besser als schottischer ist. Damit wir auch wissen, womit wir auf den Untergang der Tageszeitungen anstoßen können, nachdem ihnen Lobbyisten vom Kaliber Kornelius das Grab geschaufelt und die Glaubwürdigkeit endgültig in den Keller gewirtschaftet haben.

Dass hier – und nicht allein im Wandel des Mediums vom Papier aufs Tablet – der Knackpunkt der „Zeitungskrise“ und des Niedergangs der „Qualitätspresse“ liegt, scheint bei den Verlagen noch niemand wirklich bemerkt zu haben. So auch bei der „Zeit“, wo Jochen Bittner die neue Serie „Verschwörung der Woche“ mit einem Stück über 9/11 startete, das den Verdacht einer Komplizenschaft der CIA als absurd und unlogisch lächerlich macht, ohne die Indizien für diesen Verdacht zu benennen und gar zu widerlegen. Ganz das klassische Muster also: Verschwörungstheorien sind „geistiges Gift“ und wer ihnen anheim fällt, ist dumm.

In meinem Buch JFK-Staatsstreich in Amerika schrieb ich letztes Jahr über die Geburtsstunde des Begriffs „Verschwörungstheorie“ als Diffamierungswaffe: Im Januar 1967 – drei Jahre nach dem Mord an Kennedy, als die erste ordentliche staatsanwaltlichen Ermittlungen von Jim Garisson in New Orleans begonnen hatten – versandte die Abteilung für Psychological Warfare der Central Intelligence Agency (CIA) ein Memo an alle Dienststellen und ihre verdeckten Mitarbeiter in den großen Medien, in denen sie Anweisungen und Tipps gab, wie mit den wachsenden Zweifeln an der Einzeltäter-These des Warren-Reports umzugehen und „Verschwörungstheorien“ zu kontern seien.

Mit diesem erst sehr viel später öffentlich bekannt gewordenen Memo der CIA wird der neutrale Ausdruck „Verschwörungstheorie“ erstmals zu einem Kampfbegriff der psychologischen Kriegsführung und des öffentlichen Wahrnehmungsmanagements gemünzt – und werden Kritiker der offiziellen Version grundsätzlich als unseriös, staatsfeindlich oder nur kommerziellen Interessen folgend abgestempelt.

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