Über 100 Festnahmen bei Petersburger Antikorruptionsdemo

[von Eugen von Arb/SPZ] – Wie in rund hundert anderen russischen Städten demonstrierten am 26. März auch in Petersburg Tausende von Menschen gegen die Korruption im Staatsapparat. Während die Polizei in der Hauptstadt hart durchgriff und über tausend Personen festnahm, liess man die Demonstranten in Petersburg lange gewähren, bevor man 131 vorübergehend verhaftete.

Die unerlaubte Demo zog nach unbestätigten Angaben rund zehntausend Demonstranten auf das Marsfeld. Offiziell war die Genehmigung verweigert worden, weil dort zur gleichen Zeit ein „Festival der traditionellen Werte stattfand. Dies nahmen die Oppositionellen zum Anlass ebenfalls für diese Werte aufzutreten – mit dem Slogan „Du sollst nicht lügen und stehlen!“.

Dieser war auf die zahlreichen Funktionäre und Günstlinge im Machtapparat von Präsident Putin gemünzt, die der „Fonds gegen Korruption“ des Oppositionellen Alexei Nawalny der massiven Unterschlagung von Budgetgeldern beschuldigt. Im Visier stand insbesondere Premierminister Dmitri Medwedew, der in allen möglichen Varianten als Dieb oder schlecht erzogener Junge auf Plakaten dargestellt wurde.

Medwedews Ente

Landesweites Symbol der Demo war eine gelbe Ente, die aus einem der Enthüllungsvideos von Nawalnys Antikorruptionsfonds stammt. Darin wird die geheime Villa von Premier Medwedew im Gebiet von Iwanowo aus der Luft gezeigt und neben der Villa auch ein Teich mit einem Holzhäuschen für Enten ausgemacht, über die sich Nawalny im Video besonders belustigt.

Daneben wurden bunte Sticker mit der Aufschrift „Nicht stehlen!“ oder „Nicht lügen!“ verteilt, die sich viele auf die Jacke klebten. Da ein reguläres Podium fehlte, „eroberte“ die Menge das Denkmal für die Revolutionsopfer neben der Ewigen Flamme.

Polizei griff erst spät ein

Rund um den Schauplatz war ein grosses Aufgebot an Polizei und Omon-Sondertruppen aufgefahren. Sie hielten sich lange zurück und begannen erst nach etwa einer Stunde begannen, die Leute zum Verlassen des Denkmals aufzufordern. Diese kamen der Aufforderung grösstenteils nach, einige begannen mit den Vertretern der putinfreundlichen „Volksbefreiungsbewegung“ (NOD) zu diskutieren, die jedoch ebenfalls begann, ihre Zelte im kalten Regenwetter abzubrechen.

Wer jedoch annahm, dass damit die Show vorbei war, hatte sich getäuscht. Statt sich zu zerstreuen, zog ein Teil der Menge in Richtung Newski und begann die Demo in verschiedenen Richtungen fortzusetzen. Ein Teil zog in Richtung Vostanija-Platz, ein anderer in Richtung Schlossplatz, und eine dritte Gruppe machte sich in Richtung Isaakskathedrale auf den Weg.

Grobe Szenen beim Vostanija-Platz

Wohl aus Verwirrung, brauchte die Polizei einige Zeit, um sich neu zu gruppieren und schnitt schliesslich den Protestanten kurz vor dem Vostania-Platz den Weg ab. Hier kam es zu einigen unschönen Szenen. Ein Pressefotograf der Zeitung „Kommersant“ erhielt einen Schlag auf den Rücken. Mehrere und Protestanten, die versuchten, aus der Einkesselung zu entkommen, wurden gepackt und zu den Polizeibussen gezerrt. So wurden schliesslich 131 Frauen und Männer auf die Polizeiwache gebracht, darunter auch drei Schüler.

Wesentlich brutaler ging die Polizei in Moskau gegen die Kundgebung um das Puschkin-Denkmal vor, die zwischen 7.000 und 25.000 Personen versammelte. Laut der Webseite OVD.ru, die Verhaftungen in Russland registriert, wurden dort über tausend Menschen festgenommen. Ausserdem ging die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas gegen die Menge vor und tracktierte Wehrlose mit Fusstritten.

Demos in 99 Städten in ganz Russland

Auch Alexei Nawalny, wurde auf dem Weg zur Moskauer Demo gepackt und abgeführt – er kommt als Initiator des Protests vor Gericht. Am folgenden Tag fand im Stab des Antikorruptionsfonds eine Hausdurchsuchung statt – laut Mitarbeitern ohne Durchsuchungsbefehl oder offizielle Anschuldigung.

Insgesamt kam es in 99 Städten in ganz Russland zu Protesten, die teilweise genehmigt, grösstenteils jedoch illegal stattfanden. Die Aktionen verliefen insgesamt friedlich, wenn es auch zu Festnahmen kam. Die grössten Kundgebungen gingen in Wladiwostok, Samara, Nischni Nowgorod, Machatschkala, Nischni Tagil, Tula, Pskow über die Bühne. Beobachter vergleichen den Umfang der Kundgebungen mit jenen von 2011/12 vor und nach den Präsidentschaftswahlen.

Mit freundlicher Genehmigung vom St. Petersburger Herold

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