Turgenjews Heimat Orjol wirbt um Investoren

[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Die russische Region Orjol sucht Investoren. Als besonders lohnenswert gelten die Branchen Agrarwirtschaft, Nahrungsmittel und Getränke, Biotechnologie, Pharma, Energie, Maschinen und Baustoffe. Dies sagte Gouverneur Wadim Potomski auf einem Treffen mit deutschen Unternehmensvertretern in der Residenz des deutschen Botschafters Rüdiger Freiherr von Fritsch am 11.3.2015. Organisiert hatte das Treffen die deutsche Botschaft gemeinsam mit der Deutsch-Russischen AHK.

Mit knapp 770.000 Einwohnern gehört das Gebiet Orjol, rund 350 km südwestlich von Moskau, zu den kleineren Verwaltungseinheiten der Russischen Föderation. Doch leben etwa 15 Mio. Konsumenten im unmittelbaren Umfeld der Region. Das macht diesen regionalen Markt schon sehr viel interessanter. Der Handelsaustausch von Orjol mit Deutschland entwickelte sich 2014 – entgegen dem allgemeinen Trend – positiv. Mit einem Volumen von 41,3 Mio. US$ legte er um das 1,4-Fache zu.

Durch die Wirtschaftsstruktur von Orjol bieten sich vielfältige Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Knapp 30% des regionalen Bruttoinlandsprodukts wird von der Industrie erzeugt und weitere 13% von der Landwirtschaft. Innerhalb der Industrie haben der Maschinen- und Anlagenbau einen Anteil von 30%, die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie 25% und die Baustoff- und Baumaterialienhersteller 13%.

Eine Reihe von Investitionsprojekten befindet sich in Planung. Dazu gehört der Bau einer vierten Zuckerfabrik. Da in Russland das Thema Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln aktuell einen ausgesprochen hohen Stellenwert hat, gilt ein Engagement in diesem Bereich als zukunftssicher und politisch besonders erwünscht.

Deshalb sollen in Orjol weitere Bereiche der Agrarwirtschaft ausgebaut werden. Dazu gehören Kapazitätserweiterungen bei Gewächshäusern, der Ausbau der Viehwirtschaft, der Milcherzeugung, der Geflügelzucht und Eierproduktion sowie der Bau eines Werkes für Tierfutterzusätze. Der Getränkekonzern Coca-Cola produziert bereits vor Ort. Um im Krisenjahr 2015 den Ausbau der Agrarwirtschaft zu fördern, erhält die Region Orjol 480 Mio. Rubel an zweckgebundenen Zuschüssen aus dem Staatshaushalt der Russischen Föderation. Mit dem Geld wird unter anderem für Investoren in der Pflanzen- und Fleischverarbeitung ein Teil der Kreditzinsen subventioniert.

Fast schon händeringend gesucht werden niederlassungswillige Hersteller von Baustoffen und Baumaterialien. Gut aufgestellt ist Orjol bei der Produktion von Keramikkacheln. Das verwundert nicht, hat sich doch der italienische Produzent Kerama Marazzi Group die Region als Standort ausgewählt. Aus Deutschland mit einer eigenen Produktion vertreten ist die OOO Sto, Spezialist für Wärmedämmungen, Farben, Stuckaturen und Fassadenprofile. Es fehlen aber noch Kapazitäten zur Produktion von Ziegelsteinen und ein Betonplattenwerk, so Potomski. Diese werden für den Wohnungsbau benötigt.

Gouverneur Potomski lud deutsche Unternehmen ein, im Industriepark „Grüner Hain“ (Zeljonaja Roscha) zu investieren. Außerdem stehen zwei privat betriebene Gewerbeparks auf dem Gelände stillgelegter Fabriken zur Auswahl.

Der deutsche Handelskonzern Metro ist diesem Ruf bereits gefolgt und hat sich gerade in Orjol angesiedelt. Der Leiter der Repräsentanz der Metro AG in Moskau, Alexey Grigoriev, berichtete in diesem Zusammenhang Gutes über die Kontakte seines Konzerns zu den Behörden in Orjol. So wurden sämtliche Genehmigungen zum Bau eines entstehenden Cash&Carry-Marktes zügig erteilt.

Gerade auf die Eindämmung von Bürokratie, die Senkung der Unternehmensbelastung durch Regionalsteuern und die Bereitstellung von Gewerbeflächen mit Komplettanschlüssen legt Gouverneur Potomski großen Wert. Hier will er im Standortwettbewerb der russischen Regionen bei Auslandsinvestoren punkten. Mit dem Pharmakonzern Sanofi-Aventis Wostok, der in Orjol Insulin herstellt, und dem Kühlgeräteproduzenten Frigorex Eurasia, der zum Coca-Cola-Konzern gehört, hat die Region schon in zwei weiteren Fällen erfolgreich ausländische Investoren angesiedelt.

Potomski wirbt unter anderem mit einer zentralen Anlaufstelle für Investoren in seiner Administration (One-Stop-Shop), kurzen Genehmigungsverfahren und einem relativ großen Pool an hochqualifizierten Arbeitskräften. Nach seinen Worten verfügt ein Drittel der Bevölkerung über einen Hochschulabschluss. Seine Verwaltung habe Erfahrung aus der Ausbildung von Fachkräften für Sanofi-Aventis gesammelt. Dieses Beispiel lasse sich auf andere Unternehmen ausweiten. Im Vergleich zu Moskau strich Potomski die in Orjol herrschenden wesentlich moderaten Lohnkosten ausdrücklich heraus.

Um auch bei Logistik und Transport kräftig zuzulegen, führt die Region aktuell Verhandlungen mit einem privaten Investor, um den Flughafen Orjol noch 2015 eröffnen zu können. Dadurch soll auch der Tourismus in Schwung gebracht werden. Zu den großen Besuchermagneten gehört der Nachlass des Schriftstellers Turgenjew. Turgenjew war im elterlichen Gut Spasskoje-Lutowinow in der Nähe von Orjol geboren und aufgewachsen. Auch später wirkte er dort gelegentlich.

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