SPIEF-2016: Investitionen für eine Billion Rubel – Westen gibt Zurückhaltung auf

[Hartmut Hübner/St. Petersburg] Das Jubiläum war für die Gastgeber durchaus ein Grund zum Jubeln. Nach zwei Jahren Durststrecke im Zuge der Sanktionen des Westens gegen Russland meldeten die Veranstalter des 20. Sankt Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums (SPIEF) mit etwa 12000 Teilnehmern aus 130 Ländern einen neuen Rekord, das sind jeweils fast doppelt so viel wie vor dem Ukraine-Konflikt mit seinen Folgen. Die große Besucherzahl war logistisch auch möglich durch den mit 100 000 m² deutlich größeren Kapazität der neuen Veranstaltungsstätte, des Expoforums in der Nähe des Flughafens liegen. Das Gelände der Lenexpo, wo bisher das Wirtschaftsforum stattfand, wurde von Gazprom für eigene Planungen gekauft und stand nicht mehr zur Verfügung.

Prominenteste Gäste waren zweifellos der russische Präsident Wladimir Putin, der bei seinem Auftritt in seiner Heimatstadt die Bereitschaft Russlands zur gleichberechtigten Teilnahme an der Weltwirtschaft betonte, sowie UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die bei aller Kritik dafür warben, Russland wieder in die internationale Kooperation einzubeziehen. Gekommen war auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, denn in diesem Jahr war Italien das offizielle Gastland des SPIEF-2016. Der Premier verteidigte zwar die Einführung der Sanktionen, sieht aber jetzt gute Chancen für einen Ausstieg aus den Sanktionen. Dass auch seine Wirtschaft diese Ansicht teilt, beweist das in St. Petersburg mit russischen Unternehmen vereinbarte Investitionsvolumen von insgesamt 1,4 Milliarden Euro. So bildet eine Rosstech-Tochter, die Nationale Immunbiologische Gesellschaft, mit der italienischen Kedrion ein Gemeinschaftsunternehmen am Standort in Kirow. Die Gesamtinvestitionen in das Projekt belaufen sich auf über 5,5 Mrd. Rubel.

Deutsche mischen kräftig mit

Insgesamt wurden, nach Angaben des Leiters des Oganisationskomitees der Veranstaltung, Präsidentenberater Anton Kobjakow, 322 veröffentlichte Verträge im Wert von 1, 024 Billionen Rubel (ca. 15 Mrd. Euro) unterzeichnet, das ist mehr als das Dreifache vom vergangenen Jahr. Dabei dürfte, nach seinen Worten, die eigentliche Summe noch deutlich höher liegen, denn zahlreiche Unternehmen hätten bei ihren Geschäften Geheimhaltung vereinbart.

Zu den umfangreichsten Abschlüssen gehört sicher die Vereinbarung des russischen Erdöl-Giganten  Rosneft mit BP über die Bildung des Gemeinschaftsunternehmens Jermak Neftegaz, in das der britische Partner etwa 20 Mrd. Rubel (ca. 300 Millionen US-Dollar) investiert. Das Joint Venture wird geologische Erkundungen in Westsibirien sowie im Jenissej-Hatanga-Becken vornehmen.

Um weitere drei Jahre verlängert wurde der Vertrag zwischen Ericsson und dem russischen Mobilfunkanbieter MTS. Das Gesamtvolumen der im Zeitraum bis 2019 von den Schweden an das Moskauer Unternehmen zu verkaufenden Waren und Dienstleistungen liegt bei 133 Mrd. Rubel (1,82 Mrd. Euro).

Eine Vereinbarung über strategische Partnerschaft schlossen in St. Petersburg auch der russische Mobilfunkbetreiber Tele2 und der deutsche Anbieter von Unternehmenssoftware SAP. Dem von Tele2-Chef Sergej Emdin und SAP GUS Generaldirektor Paul Gongar unterzeichneten Papier zufolge installiert SAP bei Tele 2 das Einkaufs-Management-System Ariba. Dieses soll dem Mobilfunkanbieter helfen,seine Beschaffungstätigkeit zu automatisieren und die Geschäftsabläufe zu optimieren.

Wie Emdin erklärte, werde die Einführung des neuen Verwaltungs-Systems dem Unternehmen ermöglichen, allein im Jahr 2017 bis zu anderthalb Millionen Dollar einzusparen.

SAP kooperiert in Russland bereits mit Gazprom und sei zur Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren bereit, erklärte Stefan Hofbauer, Konzernbereichsleiter für Mittel- und Osteuropa auf einem vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft organisierten Symposium zum Thema Digitalisierung und Industrie 4.0. Weiteres Potenzial sieht SAP, dem Manager zufolge, auch in der Zusammenarbeit mit perspektivreichen kleineren russischen Startup-Unternehmen.

Einen für alle an einer Produktion in Russland interessierten Unternehmen wohl bahnbrechenden „Special Investment Contract“ schlossen auf dem Forum der westfälische Landmaschinenhersteller CLAAS, einer der Weltmarktführer, mit der Russischen Föderation. Danach erhält das Unternehmen den offiziellen Status eines „russischen Herstellers“ und bekommt für seine Mähdrescher die unter anderem gleichen staatlichen Finanzierungsbeihilfen wie die einheimischen Produzenten. „Die russische Landwirtschaft hat große Zukunftschancen. Mit diesem Vertrag wird modernste Landtechnik für die russischen Betriebe jetzt erschwinglicher“, erklärt Lothar Kriszun, Sprecher der CLAAS Konzernleitung. Die Vereinbarung dürfte auch für andere Branchen ein Präzedenzfall sein, um in Russland lokalisierten ausländischen Unternehmen die gleichen Rechte wie originär einheimische Betrieben zu erhalten.

Zu den Dauergästen auf dem St. Petersburger Wirtschaftsforum gehört die Münchner Knorr Bremse Gruppe, der weltweit führende Hersteller von Bremssystemen für Schienen- und Nutzfahrzeuge. Auch im vergangenen Jahr hatte Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender Heinz Herrman Thiele auf dem Forum sein Festhalten am Engagement in Russland bekräftigt. In Russland stellt Knorr-Bremse unter anderem Bremseinrichtungen für den Hochgeschwindigkeitszug SAPSAN her. Im Rahmen des Forums übergab Thiele symbolisch einen Scheck über zwei Millionen zur Unterstützung eines Waisenhauses in St. Petersburg an die Leiterin der Einrichtung, Anna Wassiljewna.

(Hartmut Hübner/russland.NEWS/St. Petersburg)

 

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