Schwere Verletzungen der Schlußakte von Helsinki 1975 durch die ukrainische Regierung

Am 1. August 1975 unterzeichneten 35 Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten in Helsinki die sogenannte KSZE-Schlußakte. Sie ist kein völkerrechtlich bindender Vertrag, jedoch Ausdruck einer politischen Verpflichtung der Unterzeichner. Welche Bedeutung dies im Zusammenhang mit dem aktuellen Ukraine Konflikt hat, hat sich die freie Journalistin Beate Taufer, im nachfolgenden Beitrag einmal angeschaut.

Sie schreibt darin: „Die ukrainischen Regierungen des Jahres 2014 haben diese Schlußakte in mehreren zentralen Bestimmungen verletzt – ohne daß dies je Gegenstand öffentlicher Kritik seitens der sie unterstützenden Europa- und NATO-Staaten gewesen wäre. Der schwerwiegendste Verstoß gegen die Schlußakte – mit tausendfacher Todesfolge von Zivilisten – besteht in der Mißachtung des Gewaltverzichts, den die Schlussakte auch bei innerstaatlichen Konflikten fordert. Es besteht die Verpflichtung, vor dem Einsatz militärischer Gewalt eine Etappe der Verhandlungslösung vorzuschalten. Diese Verpflichtung hat die ukrainische Regierung im Konflikt mit der Bevölkerung des Donbass schwer verletzt. Anstatt zuerst einen Verhandlungstisch einzuberufen und eine Kompromißlösung zu suchen, entsandte sie sofort nach der Volksabstimmung Panzer und schwerbewaffnete Truppen in die Unabhängigkeitsregion. Erst nachdem durch schwere Bombardierungen und Artilleriebeschuß von Wohngegenden über 3.000 Zivilisten gestorben sind (Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung!), verabschiedete das ukrainische Parlament in der Folge der Minsker Friedensverhandlungen für den Donbass einen Sonderstatus – befristet auf drei Jahre. Diese Entscheidung hätte am Anfang und nicht am Ende einer militärischen Etappe stehen müssen. Auch die Charta der Vereinten Nationen bringt die Verpflichtung zur prioritären Verhandlungslösung zum Ausdruck.

Die KSZE-Schlußakte von 1975 verpflichtet auch zur Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte – einschließlich der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Auch an diesem Punkt hat die ukrainische Regierung die Verpflichtungen der KSZE-Schlußakte von 1975 verletzt. Das Verbot der russischen Sprache als Amtssprache in bestimmten Landesteilen bedeutete für den russischsprechenden Teil der Bevölkerung ein existenzieller Angriff auf seine Identität. Ein Bruch einer kulturellen Übereinkunft, die ein Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Ukraine seit Jahrzehnten ermöglicht hatte. Diese Maßnahme war Auslöser der breiten Unabhängigkeitsaktionen in mehreren Landesteilen. Zwar wurde sie im Rahmen der Friedensverhandlungen von Minsk wieder zurückgenommen, doch ihre Funktion als Auslöser eines blutigen Konflikts hatte diese Provokation bereits erfüllt. Wozu also das Ganze?

Die KSZE-Schlussakte verpflichtet auch zur Durchführung von demokratischen Wahlen. Dazu gehören die unterschiedslose Behandlung aller politischen Parteien und ihr ungehinderter Wahlkampf und der gleichberechtigte Zugang zu den Massenmedien eines Landes. Nach Berichten aus der Ukraine wurden bestimmte Parteien verboten und deren Repräsentanten unter körperlicher Gewaltandrohung eingeschüchtert. (Partei der Regionen, Kommunistische Partei). Auch hier verletzte die ukrainische Regierung die Schlußakte von Helsinki – ohne daß dies jemals Gegenstand westlicher Kritik war.

Stattdessen wirft man Russland pauschal die Verletzung der Schlußakte von Helsinki wegen Nicht-Respektierung der Grenzen der Ukraine vor. Die Schlußakte von 1975 fordert die Respektierung der Grenzen, so wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg bestanden. Die Krim wurde jedoch erst 1954 verschenkt.

FAZIT: Der Vorwurf der Verletzung oder Nicht-Einhaltung verschiedener internationaler Abkommen an Russland wird vom Westen mit „doppelten Standards“vollzogen, unter Verschweigen der eigenen Verletzungen bzw. Nichteinhaltungen der Abkommen, die ihrerseits Teil der politischen und militärischen Dynamik in der Ukraine waren und sind.“

Textbeitrag von Beate Taufer

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