Sanktionen gefährden Investitionen im russischen Agrar- und Ernährungssektor

Die Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft erwartet negative Folgen des russischen Importverbots für Lebensmittel auf zukünftige Investitionsvorhaben im russischen Agrar- und Ernährungssektor: „Die am 6. August 2014 eingeführten russischen Handelssanktionen dürften sich auf geplante Direktinvestitionen deutscher und westeuropäischer Unternehmen im Agrar- und Ernährungssektor in Russland negativ auswirken und dadurch den Modernisierungsprozess in Russland verzögern“, warnt Thomas Kirchberg, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft im Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. „Bereits jetzt melden uns Firmen, dass sie geplante Projekte auf Eis legen oder ganz absagen.“

„Deutsche Unternehmen leisten mit der Bereitstellung von modernen Technologien und Know-how für die Landwirtschaft und Verarbeitungsindustrie einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung des russischen Agrar- und Ernährungssektors“, unterstreicht Kirchberg. „Bis heute hat die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft rund eine Milliarde Euro direkt in Russland investiert. Durch diese Investitionen konnte Russland in den letzten Jahren beeindruckende Erfolge im Bereich der Pflanzenproduktion erzielen und neben den USA, der EU und Argentinien zu einem der wichtigsten Lieferanten auf den Weltgetreidemärkten aufsteigen“, so Kirchberg. Auch bei der Geflügel- und Schweineproduktion habe Russland in den letzten Jahren stark aufholen und die Eigenversorgung deutlich steigern können.

Zahlreiche deutsche Unternehmen, unter ihnen viele Mittelständler, signalisierten in einer Umfrage der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft noch im vergangenen Jahr die Bereitschaft, ihr entsprechendes Engagement in Russland deutlich auszubauen. „Diese Pläne werden durch die aktuelle politische Krise teilweise in Frage gestellt“, sagte Kirchberg. „Funktionierende Handelsbeziehungen und Problemlösungsmechanismen schaffen Vertrauen in den Handelspartner als Voraussetzung für ein stärkeres Engagement vor Ort“, unterstreicht Kirchberg. „Wichtig ist auch, dass auf politischer Ebene die Gesprächsfäden nicht abreißen und die Chancen zur Fortführung der Modernisierungspartnerschaft in der Agrar- und Ernährungswirtschaft genutzt werden. Wir sind daher im engen Dialog mit der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie dem russischen Landwirtschaftsministerium und den russischen Regionen, um mögliche Auswirkungen der aktuellen Krise auf die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit in Russland frühzeitig erkennen und Lösungsmöglichkeiten zu finden“.

Die russische Regierung hatte das Importverbot für zahlreiche Lebensmittel aus der EU und den USA nicht nur als politisches Druckmittel gewählt, sondern auch auf deren positive Auswirkungen auf die Entwicklung der russischen Agrar- und Ernährungswirtschaft hingewiesen. Der stellvertretende Ministerpräsident Russlands Arkadij Dworkowitsch hat vor wenigen Tagen allerdings bereits angekündigt, eine Reihe von Produkten wie Saatgut, bestimmte Nahrungsergänzungsmittel und Produkte für Diabetiker und Allergiker wie zum Beispiel laktosefreie Milch aus dem Sanktionskatalog auszunehmen. Nach Einschätzung der AG Agrarwirtschaft im Ost-Ausschuss dürfte der Prozess der Substituierung sanktionierter Lebensmittel durch russische Produktion einige Jahre dauern und müsste angesichts der westlichen Sanktionen unter schwierigen Finanzierungsbedingungen bewerkstelligt werden. „Es liegt deshalb im beiderseitigen Interesse, dass der Ukraine-Konflikt nicht weiter eskaliert und die Bedingungen für eine Rücknahme der gegenseitigen Sanktionen geschaffen werden“, so Kirchberg.

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