Russlands totaler Reinfall bei Biathlon-WM: Ricco Gross beklagt psychologischen Druck

Die gerade zu Ende gegangene Biathlon-Weltmeisterschaft in Norwegen hat den Russen einen herben Reinfall beschert – das Team konnte in elf Wettbewerben nicht eine einzige Medaille erringen. Woran liegt die grottenschlechte Leistung? Im Folgenden eine Auswahl an ExpertenReaktionen.

Ricco Gross, der deutsche Trainer der russischen Männer, rät zu einem ganz einfachen Mittel, um mit der Pleite fertigzuwerden: Vergessen, neue Motivation finden und weitermachen! Es seien zu viele Chancen vergeben worden, zum Teil beim Sprint, zum Teil beim Schießen. „Unsere Athleten stehen unter großem Druck. Sie waren schon oft in solchen Situationen, aber in diesem Jahr sind sie damit nicht fertiggeworden.“

Anton Schipulin: Letzte Runde mit Tränen in den Augen

Auch Anton Schipulin, Russlands bester Biathlet und „ewiger Konkurrent“ von Simon Schempp, ist der Meinung, die schlechteste WM aller Zeiten liege an der Psychologie. „Ich möchte mich bei den Fans entschuldigen“, sagte er nach dem letzten Rennen gegenüber „Sowsport“. „Auf der letzten Runde heute hatte ich fast Tränen in den Augen – so sehr tat weh, wie dieses Turnier verlaufen ist. Für mich kann ich sagen: Ich habe mir zu viel aufgehalst. Irgendwo war ich zu nervös, irgendwo fehlte das nötige Glück.“

Martin Fourcade, der Überflieger der WM in Oslo, kommentierte: „Ich bin sehr verwundert über das Ergebnis der russischen Mannschaft (…). Ich fühle mit ihnen (…) und denke, dass sie es nächste Woche in Chanty-Mansijsk sehr viel besser machen werden.“ Zur Erinnerung: Die letzte Weltcup-Etappe dieser Saison wird vom 17. bis 20. März in der sibirischen Biathlon-Metropole ausgetragen.

Ex-Verbandschef: „Wir brauchen strengere Trainer!“

Alexander Tichonow, viermaliger Olympiasieger und ehemaliger Chef des Russischen Biathlon-Verbandes SBR, fordert mehr Disziplin und eine „harte Hand“: „Solange wir im Trainerteam keine harte Hand haben, wird nichts besser werden. Es hinkt die Disziplin im Trainingsablauf (…). Bei uns sehe ich keine Enttäuschung in den Gesichtern und kein Verantwortungsgefühl. (…) Wenn von Überbelastung gesprochen wird, heißt das, die Sportler denken nicht mit. Sie müssen ihr Befinden selbst kennen – kein Trainer kann ihnen in die Seele schauen.“

Laut dem dreimaligen Weltmeister Pawel Rostowzew sind an der Klatsche in Oslo sowohl Trainer wie Sportler Schuld: „Die Trainer haben es nicht geschafft, die Biathleten zum wichtigsten Start der Saison an das Maximum heranzuführen. (…) Unsere Sportler sind nicht mit der Last der Verantwortung und der Last des Misserfolgs zurechtgekommen. Das hat unsere Mannschaft psychologisch kaputtgemacht.“

Trainerköpfe sollen rollen?

Der zweifache Olympiasieger Dmitri Wassiljew fordert Konsequenzen auf Trainerebene: „Bei den Männern sehe ich noch keine große Tragödie, dort geht es um ein paar organisatorische Fragen“, sagte er gegenüber TASS. „Bei den Frauen muss sich die Lage grundlegend ändern, und das vor allem im Trainerteam. Ich rede schon lange davon, und leider habe ich Recht behalten. Solange sich bei den Trainern nichts ändert, brauchen wir uns bei den Frauen keine Hoffnung auf Besserung zu machen.“

Biathlon-Verbandschef Alexander Krawzow will sich zuhause mit den Trainern zusammensetzen und nach den Gründen für die Pleite Ausschau halten: „Wieso schnelle Schlüsse ziehen? Ich denke, es hat bei der Vorbereitung etwas nicht gestimmt. (…) Ich muss mit dem Trainerstab sprechen. Wir setzen uns zusammen, reden darüber, ziehen Fazit und treffen die nötigen Entscheidungen.“

[sb/russland.RU]

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