Russlands Industrie in Tiefstform – Schlechte Aussichten für deutsche Exporte

Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – Russlands Industrie steckt in der Krise. Rückläufige Nachfrage, schwindende Investitionskraft und fehlende Wachstumsaussichten hinterlassen tiefe Spuren. Die Produktionsergebnisse des 1. Halbjahrs 2015 zeigen Einbrüche in nahezu allen Branchen. Nur wenige Industriezweige können von protektionistischen Maßnahmen der Regierung profitieren. Bis auf Weiteres ist keine Nachfrageerholung in Sicht. Die deutsche Exportwirtschaft muss weiter ausharren und auf dem russischen Markt überwintern.

Größte Produktionsrückgänge im Maschinenbau und im Fahrzeugbau

Die Produktion der verarbeitenden Industrie ist im 1.Halbjahr 2015 um 4,5% zurückgegangen. Ursächlich sind die äußerst schwache Nachfrage und rückläufige Investitionen. Besonders schwierig ist die Lage im Maschinen- und Anlagenbau, dessen Ausstoß nach Angaben des Föderalen Statistikdienstes Rosstat um 14,8% sank. Im Fahrzeugbau belief sich der Einbruch auf 16,7%. Die Elektronik und Elektrotechnik erlitt einen Rückgang um 6,2%.

…nur wenige positive Ausnahmen

Nur wenige Segmente des Maschinenbaus und der Elektronik/Elektrotechnik steigerten in den ersten sechs Monaten 2015 ihre Produktion. Dazu gehörten der Werkzeugmaschinenbau +15,7% und die Hersteller von Medizintechnik, Messtechnik, optischen Instrumenten und Apparaturen sowie Uhren mit +3,8%. Die Hersteller von Anlagen und Ausrüstungen zur Stahlerzeugung legten um +31,3% zu.

Zu erklären sind diese Ausreißer nach oben teils mit den äußerst schwachen Basiswerten des Vorjahres, teils mit protektionistischen Maßnahmen der Regierung. Letzteres gilt für die Medizintechnik und den Nahrungsmittel-Maschinenbau. So profitierten die Hersteller von Molkereiausrüstungen vom russischen Einfuhrstopp für westliche Nahrungsmittel, durch den die russische Nahrungsmittelindustrie mehr Ausrüstungen nachfragt; ihr Ausstoß legte um +12,4% zu.

Nachfrage nach Fernsehern, Waschmaschinen und Kühlschränken bricht ein

Die Produzenten von Heimelektronik und Elektrohausgeräten schlossen das 1. Halbjahr 2015 mit einem Minus von 10,8% ab. Die rückläufigen Einkommen der Privathaushalte, teilweise aber auch die Sättigung des Marktes durch Panikkäufe im Dezember 2014, verhinderten eine Erholung. Am härtesten trifft es die Produzenten von Fernsehgeräten: sie mussten ihre Produktion um 35,4% drosseln. Bei Kühlschränken war ein Rückgang um 23,5% zu verzeichnen. Die Hersteller von Waschmaschinen lieferten wertmäßig um 13,3% weniger Erzeugnisse aus.

Absatzkrise erwischt den Fahrzeugbau besonders hart

Der Automobilmarkt brach mit 35,3% um mehr als ein Drittel ein. Es wurden nur 913.181 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge verkauft. Bei mittleren und schweren Nutzfahrzeugen sanken die Verkäufe um 22,5%. Dabei erwischte es den Marktführer Kamaz mit einem Absatzrückgang um 53,0% besonders hart. Die schlechte Baukonjunktur und ausgebliebene Flottenerneuerungen in der Industrie machen sich am Lkw-Markt stark bemerkbar. Alle Kfz-Hersteller mussten ihre Produktion drosseln – bei Pkw um 23,2%, bei Lkw um 22,5% und bei Autobussen um 15,6%. Noch schlechter ist die Lage für Hersteller von Güterwaggons. Sie mussten ihre Produktion halbieren (-53,1%). Immer weniger Übernahmen und Fusionen (M&A)

Die Flaute in der Industrie spiegelt sich auch in einer rückläufigen Zahl und sinkenden Transaktionswerten bei Übernahmen und Fusionen (M&A) wider, zeigt eine Studie der Informationsagentur AK&M. Im 1. Halbjahr 2014 waren 18 Transaktionen im Gesamtvolumen von 952,3 Mio. US$ registriert worden. Deren Zahl sank im 1. Halbjahr 2015 auf 4 Transaktionen im Gesamtwert von 62,8 Mio. $. Das Durchschnittsvolumen pro Transaktion fiel von 52,9 Mio. auf 12,6 Mio. $. Dies lässt auf eingetrübte Wachstumsaussichten in der russischen Industrie schließen. Statt Gewinne zu investieren, werden diese auf Bankkonten im In- und Ausland geparkt.

Fördergelder an die Industrie fließen nur langsam

Einzig staatliche Finanzhilfen im Rahmen des Anti-Krisen-Programms der Regierung könnten eine weitere Verschlechterung der Lage in der russischen Industrie verhindern. Die größten Chancen auf staatliche Stützmaßnahmen haben dabei die 190 als „systembeeinflussend“ klassifizierten Großunternehmen. Doch die noch zu Jahresbeginn lautstark angekündigten Stützungszahlungen an die Wirtschaft sind vorerst nicht im avisierten Maße geflossen. Einen entscheidenden Einfluss übt dabei der fallende Ölpreis aus. Dieser lässt dem Finanzministerium keinen Spielraum für zusätzliche Ausgaben.

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