Russlands Importe von Baumaterial sinken

Von Ullrich Umann – Moskau (GTAI) – Russlands Herstellern von Baustoffen und Baumaterialien kam die Rubelabwertung der vergangenen zwei Jahre sehr zu pass. Importe wurden damit automatisch teurer – so teuer, dass nur noch Material eingeführt wird, dass es in Russland gar nicht gibt oder nur in minderer Qualität. So halten russische Hersteller inzwischen 75% der Marktanteile und Niederlassungen ausländischer Produzenten weitere 15%. Importeure müssen sich mit 10% des Marktes bescheiden.

Einfuhren von Baustoffen und Baumaterialien werden – vor allem aus preislichen Gründen – nur noch für Immobilien mit gehobenen Ansprüchen durchgeführt. Dazu zählen Hotels mit vier oder fünf Sternen, Einkaufszentren in Zentrumslage, Stadien für internationale Wettkämpfe, Bürozentren der A-Klasse, internationale Flughäfen und Wohnanlagen der Mittel- und Oberklasse.

Die Importe stammen vorrangig aus Finnland und Schweden, dem Baltikum und Polen. Eingeführt werden Keramikkacheln im mittleren und oberen Preissegment, hochwertige Klinker- und Fassadensteine, Marmorplatten, Inneneinrichtungen, Sanitäranlagen, Bäder und Küchen, aber auch Flachglas. Die Lieferungen aus Deutschland konzentrieren sich auf Tafeln und Platten aus Kunststoff und Armaturen.

Exporte rechnen sich seit zwei Jahren

In umgekehrter Richtung eröffnen sich für russische Hersteller aus preislichen Gründen Möglichkeiten zum Export, sofern die Qualität stimmt: Bei anfallenden Produktionskosten auf Rubel-Basis lassen sich russische Baumaterialien gewinnbringend in der Euro-Zone absetzen, darunter in Finnland, in den Baltischen Staaten und in Polen. Wie einige russische Hersteller sagen, sind zwar die Transportkosten bei der Ausfuhr in den zurückliegenden zwei Jahren gestiegen. Doch ist das Geschäft damit immer noch rentabel.

Gestiegen sind die Transportkosten allein schon deshalb, weil der gesamte Außenhandel mit der EU Einbrüche erlitten hat. Insgesamt bringen dadurch weniger Lkw Industriegüter in Richtung Russland, wodurch weniger Leerfahrten in die EU zurück anfallen. Zu Boomzeiten hatten Speditionen mit den Leerfahrten noch ein ernsthaftes Kostenproblem und boten Fuhren zu relativ geringen Gebühren an. Dies ist inzwischen weniger der Fall.

Importverteuerung verleiht Inlandsproduktion Impulse

Die gesunkenen Einfuhren von Baustoffen und Baumaterialien wirken wie Wasser auf die Mühlen des Industriezweigs in Russland. Verstärkt wird dieser Trend durch die Politik der Importsubstitution. Im Ergebnis kommen aus dem Ausland auch zunehmend kleine und mittlere Hersteller (und nicht mehr nur die großen Konzerne) mit eigenen Produktionen ins Land. Selbst rein russische Unternehmen sehen sich durch die Entwicklung eher in der Lage, Finanzierungen aufzunehmen und einen ausreichend schnellen Return of Investment zu erzielen. Letzteres ist bei den immer noch hohen Kreditzinsen immanent wichtig.

Bedeutende Fortschritte hat die russische Industrie beispielsweise bei der Herstellung von Dachbelägen, Montageschaum, Hitze-, Kälte- und Lärmisolationen und anderen Dämmstoffen aus modernsten Werkstoffen gemacht. Zu den schnell wachsenden russischen Unternehmen in diesem Bereich zählt Technonikol (http://www.tn.ru). Erst am 30.8.2016 hatte das Unternehmen ein Werk für Wärmeisolierungen in Chabarowsk eröffnet. Die Investition wird mit 4,8 Mrd. Rubel (66 Mio. Euro; 1 Euro = 72,6695 Rubel, EZB, Stand: 30.8.16) beziffert. Von dort wird nicht nur der russische Ferne Osten, sondern künftig auch die VR China beliefert.

Angebot an Ausgangsmaterialien verbessert sich

Mit dem weiteren Ausbau der Chemieindustrie durch Konzerne wie Sibur und EuroChem verbessert sich die Rohstoffbasis vor Ort, so dass weitere Kapazitäten zur Weiterverarbeitung zu modernen Baumaterialien wirtschaftlich Sinn ergeben. Dies betrifft unter anderem Methylendiphenylisocyanate (MDI), ein Ausgangsmaterial zur Veredlung zu Polymeren. Die Importabhängigkeit bei MDI sinkt aktuell rasant.

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