Russlands Ferner Osten erwartet Megaprojekte

Von Ullrich Umann – Moskau (GTAI) – Russlands Ferner Osten soll wirtschaftlich erschlossen werden. Dazu sind Investoren aus dem In- und Ausland eingeladen. Die Regierung lockt mit steuerlichen Anreizen, Subventionen und Zuschüssen. Anfang September 2016 fand das „2. Östliche Wirtschaftsforum“ in Wladiwostok statt, zu dem vorrangig asiatische Unternehmen kamen. Verträge über insgesamt 1,85 Billionen Rubel wurden unterzeichnet. Aus Deutschland könnte ein Teil der Produktionsanlagen kommen. (Kontaktanschriften)

Auf dem „2. Östlichen Wirtschaftsforum“, das am 2.9. und 3.9.2016 in Wladiwostok abgehalten wurde, warb Russland um Investoren aus Asien. In den zwei Tagen wurden 214 Absichtserklärungen und Abkommen über Projekte im Gesamtvolumen von 1,85 Billionen Rubel (25,64 Mrd. Euro; 1 Euro = 72,1488 Rubel, EZB-Wechselkurs vom 9.9.2016) unterzeichnet. Aus dem Ausland kamen insbesondere Firmen aus Japan, Korea (Rep.) und der VR China.

Großprojekt Gasverarbeitungswerk Amur – mit deutscher Technologie

Zu den umfangreichsten Neuvorhaben gehört das Gasverarbeitungswerk Amur, in dem künftig 2,4 Mio. jato Ethylen und andere Produkte erzeugt werden sollen. Die Investitionskosten betragen etwa 500 Mrd. Rubel (6,93 Mrd. Euro). Mit der Betriebsaufnahme ist stufenweise ab 2023 zu rechnen. Projektbetreiber ist die Sibur Holding. Die Technologie für die Gastrennungsanlagen liefert Linde Gas. Sibur unterzeichnete für dieses Vorhaben einen Vertrag mit dem Ministerium für die Entwicklung des Fernen Ostens. Ausgehandelt wurde darin die Ansiedlung des Werks in einem Sonderwirtschaftsgebiet – mit allen daraus erwachsenden steuerlichen Vorteilen.

Besonderheiten der fernöstlichen Sonderwirtschaftsgebiete

Die Sonderwirtschaftszonen (SWZ) im Fernen Osten tragen eine vom europäischen Landesteil abweichende Bezeichnung: „Territorium der beschleunigten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung“, kurz TOR. Der zweite Unterschied zu den föderalen SWZ besteht in ihrem Unterstellungsverhältnis. Im Fernen Osten ist nicht das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, sondern das Ministerium für die Entwicklung des Fernen Ostens für die TOR zuständig. Alle Unternehmen mit Ansiedlungsinteresse müssen sich daher an dieses Ministerium wenden, sofern sie ein TOR im Fernen Osten für ihre Niederlassung in die engere Auswahl einbeziehen.

Düngemittelwerk wird mit japanischen und koreanischen Konzernen gebaut

Die Nazionalnaja Chimitscheskaja Gruppa will ein Düngemittelwerk für 370,5 Mrd. Rubel (5,14 Mrd. Euro) am Standort Kozmino bauen. Künftig sollen hier 2,2 Mio. jato Ammoniak, 2 Mio. jato Harnstoff und 1 Mio. jato Methanol hergestellt werden. Die erste Baustufe soll 2019 den Betrieb aufnehmen, die zweite und letzte 2021. Am Projekt sind die japanische Toyo und die koreanische Hyundai beteiligt.

Auf dem „2. Östlichen Wirtschaftsforum“ in Wladiwostok unterzeichnete die Nazionalnaja Chimitscheskaja Gruppa eigens eine Kooperationsvereinbarung mit dem „Fonds zur Entwicklung des Fernen Ostens und der Baikalregion“. Demnach wird sich der Fonds bei der Finanzierung mit 5 Mrd. Rubel (69,3 Mio. Euro) engagieren. Im Gespräch ist sowohl eine direkte Beteiligung des Fonds am Grundkapital als auch die Bereitstellung eines Kredits. Chinesische und südkoreanische Banken sollen dem Vernehmen nach weitere Kredite zur Verfügung stellen.

Russisch-chinesische Erdölraffinerie entsteht im Gebiet Amur

Auf dem Wirtschaftsforum wurde auch der Bau einer russisch-chinesischen Raffinerie im Gebiet Amur im Wert von 123 Mrd. Rubel (1,7 Mrd. Euro) vereinbart. Projektbetreiber ist das russisch-chinesische Gemeinschaftsunternehmen Amurskaja Energetitscheskaja Kompanija. Gebaut werden soll die Raffinerie mit einer Kapazität von 6 Mio. jato Treibstoffe auf dem Gelände des TOR „Predmostowaja“. Dadurch sichert sich der Investor steuerliche Vergünstigungen.

Das notwendige Rohöl wird der Pipeline „Ostsibirien – Stiller Ozean“ entnommen. Bis zu 90% der in der Raffinerie erzeugten Treibstoffe sind für den Export in die VR China bestimmt. An diesem Projekt ist die öffentliche Verwaltung der Region Amur, unter anderem aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, hochgradig interessiert und erhält dafür sogar die Rückendeckung seitens der Präsidialverwaltung und der Föderalregierung.

Das war schon deshalb erforderlich, da der Betreiber der Ölpipeline, das Staatsunternehmen Transneft, sich ursprünglich gegen die Entnahme von Rohöl aus seiner Fernleitung ausgesprochen hatte. Nach der amtlichen Zustimmung für den Raffineriebau aus Moskau gab Transneft seine Blockadehaltung allerdings auf.

Milliarden fließen in den Bergbau

Auf dem „2. Östlichen Wirtschaftsforum“ wurden außerdem Pläne zum Bau eines Erzanreichungswerks für Kupfer und Nickel in der Region Amur vorgestellt. Das kündigten das britisch dominierte Unternehmen Amur Minerals Corporation und die US-kanadische IG Copper an. Die aufzubringende Investitionssumme wird mit 500 Mio. US$ veranschlagt.

Das Goldabbau-Unternehmen Polyus erhält Zuschüsse von 9,9 Mrd. Rubel (137,2 Mio. Euro) für den Ausbau der Lagerstätte Natalkinsk in der Region Magadan. Das Geld dafür überweist das Ministerium zur Entwicklung des Fernen Ostens. Unterstützung seitens des Ministeriums erhält auch der Goldförderer Tarynsk für den Bau einer Erzaufbereitungsanlage am Standort Draschnoje in der Republik Sacha (Jakutien). Dieser Bau wird 9,8 Mrd. Rubel (135,8 Mio. Euro) verschlingen.

Dem Kohlenbergbau-Unternehmen Kolmar gewährt der Fonds zur Entwicklung des Fernen Ostens und der Baikalregion einen Kredit über 7 Mrd. Rubel (97 Mio. Euro) zum Ausbau der Bergwerke Tschulmakansk und Denisowsk sowie zur Modernisierung der Kohleanreicherungsfabrik Inaglinsk in der Republik Sacha.

Der staatliche Diamantenkonzern Alrosa kann mit staatlichen Zuschüssen für den Ausbau der Lagerstätte Werchne-Munsk rechnen. Die Investitionen belaufen sich hier auf 63 Mrd. Rubel (873,2 Mio. Euro).

Nahrungsmittelindustrie und Holzverarbeitung locken Investoren an

Eine Zuckerraffinerie will die thailändische Sutech Engineering bauen. Als Standort wurde die Stadt Sowjetskaja Gawan in der Region Chabarowsk genannt. Sowjetskaja Gawan liegt 640 km östlich der Regionalhauptstadt Chabarowsk an der gleichnamigen Bucht des Tatarensundes, der Meerenge zwischen Japanischem Meer und Ochotskischem Meer. Der Projektwert für die Zuckerraffinerie wird mit 210 Mio. US$ beziffert; der erste Spatenstich soll noch 2016 gesetzt werden.

Das Unternehmen Asija Les steht ebenfalls auf der Förderliste des Ministeriums. Diese Firma will ein Sägewerk für 8,4 Mrd. Rubel (116,4 Mio. Euro) am Standort Berezow in der Region Chabarowsk errichten.

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