Russlands Chemiebranche 2014 auf Wachstumskurs

[Von Ullrich Umann/gtai] Russlands Chemiebranche wächst. Von Januar bis November 2013 legte der Ausstoß um 4,5% zu. Die gesamte Industrie verharrte dagegen auf Vorjahresniveau mit nur plus 0,1%. Innerhalb der Chemie gehören die Hersteller von Kunststoffen, Bauchemiekalien und Kalidünger zu den Spitzenreitern. Sie haben über Jahre Kapazitäten erweitert. Die Aufwärtsbewegung setzt sich den Prognosen nach 2014 fort. Weitere Werkseröffnungen wurden angekündigt.

Für die deutsche Wirtschaft bieten die fortlaufenden Kapazitätserweiterungen in der russischen Chemieindustrie Geschäftschancen in den Bereichen Planung, Lieferung und Errichtung von kompletten Anlagen oder von Komponenten. Darüber hinaus können sich deutsche Unternehmen als Zulieferer von Chemikalien, die in den neuen oder erweiterten Werken zur Herstellung der jeweiligen Endprodukte benötigt werden, positionieren.

Die BASF AG unterschrieb zum Beispiel am 28.1.2014 eine Vereinbarung mit dem russischen Kunststoffhersteller Poliplastik zur Lieferung von Antioxidantien und Farbstabilisatoren. Unter Nutzung der Zuschlagstoffe des deutschen Chemieherstellers kann Poliplastik nun sämtliche Qualitätsanforderungen der Automobilindustrie erfüllen. Das russische Unternehmen liefert Innenausstattungen und Armaturenbretter.

Die russische Kunststoffindustrie reagierte mit ihren umfangreichen Investitionen unter anderem auf den breiten Zustrom ausländischer Montageindustrien und auf die Modernisierung russischer OEM´s zur Fertigung von elektrischen Haushaltsgeräten, Heimelektronik, Automobilen, Schienenfahrzeugen, Luftfahrzeugen und Schiffen.

Diese Entwicklung fügt sich nahtlos in die Industriepolitik der föderalen Regierung ein, die den Ausbau leistungsfähiger Endfertigungen samt Zulieferindustrien fördert. Mit dem Erstarken der Gummi- und Kunststoffindustrie werden sich die Einfuhren von Zwischen- und Fertigprodukten aus Gummi und Kunststoffen aus dem Ausland, darunter aus Deutschland, graduell verringern. Durch den nachlassenden Außenwert des Rubels im Vergleich zum US-Dollar und Euro verteuern sich zudem sämtliche Importe, was die wirtschaftliche Position vor Ort niedergelassener Qualitätshersteller weiter verbessert.

Die Gummi- und Kunststoffherstellung gehörte 2013 zu den Wachstumstreibern innerhalb der Chemiebranche. So erreichte die Steigerungsrate in dieser Warengruppe 13,5% (Januar bis November 2013). Doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass diesen Wachstumszahlen relativ schwache Basiswerte aus dem Jahr 2012 zu Grunde liegen.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Produktionsunterbrechung nach einer Havarie Ende 2011 beim Hersteller Stawrolen in Budjonnowsk. Als Folge war der Ausstoß an Polyethylen 2012 an diesem Standort auf 70.400 t eingebrochen. Stawrolen konnte die Anlagen 2013 wieder auf 309.000 t hochfahren. Statistisch zog diese Entwicklung die gesamte Kunststoffbranche nach oben. Allein bei Polyethylen war 2013 ein Plus von knapp 30% zu verzeichnen. Die vor Ort gefertigten Kunststoffe werden in erster Linie in der Bau-, Elektrotechnik-, Verpackungs-, Maschinenbau- und Automobilindustrie verwendet.

Russland ist und bleibt ein interessanter Markt für deutsche Hersteller bauchemischer Produkte. Auch wenn das Wachstum in der Bauwirtschaft 2013 im Vorjahresvergleich um 2,4% eingebrochen war (2012: +2,5%), bewirken qualitative Faktoren einen steigenden Absatz innovativer bauchemischer Erzeugnisse. Die Verantwortlichen für Bauchemie innerhalb der BASF bezeichnen Russland nicht ohne Grund fortgesetzt als Wachstumsmarkt. Bei Henkel gehört die Sparte Klebemittel für die Industrie und Bauwirtschaft sogar zu den profitabelsten. Der Konzern stellt in Russland Klebemittel, Reinigungsmittel, Kosmetik sowie Baumaterialien für Dächer, Fassaden und zur Feuchtigkeits- und Wasserabdichtung her. Derzeit prüft Henkel nach eigenen Angaben eine Kapazitätserweiterung.

Die Errichtung einer Produktionsstätte im Süden des Landes wird voran getrieben, heißt es in diesem Zusammenhang. Weitere Informationen gab der Konzern aber noch nicht preis. Generell ist Russland für Henkel der drittgrößte Markt weltweit, nach den USA und Deutschland und vor der VR China. Die Wachstumsraten in China und Russland sollen sich dabei in der Konzernbilanz mehr oder weniger in der Waage halten.

Durch die Erhöhung der Standards in der Bauwirtschaft, die schrittweise Einführung der Euronormen, wachsende Ansprüche an die Qualität der Bauausführung, die Energieeffizienz von Gebäuden, die Funktionalität und das Design verbreitern sich die Absatzmöglichkeiten für Hersteller innovativer Produkte der Bauchemie. Dies gilt selbst in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, wie sie Anfang 2014 zu verzeichnen ist.

Hinzu kommen die zum Bauen klimatisch schwierigen Bedingungen im größten Flächenland der Welt, mit Temperaturen zwischen -54 Grad Celsius im nordsibirischen Winter und +40 Grad Celsius in der sommerlichen Steppe. Dies stellt besonders hohe Anforderungen an die physikalischen Eigenschaften von Baustoffen und Baumaterialien. Hier kann mit chemischen Zusatzstoffen nachgebessert werden.

Dazu zählt unter anderem der Einsatz von Betonzusatzmitteln, um auch in der Kälteperiode Vorhaben im Hoch- und Tiefbau voran treiben zu können. Das Marktvolumen bei Betonzusatzmitteln beläuft sich in Russland nach Angaben der BASF auf 140 Mio. Euro jährlich. Hervorragende Absatzmöglichkeiten bieten sich für chemische Lösungen für die Errichtung, Instandhaltung, Reparatur und Renovierung von Gebäuden sowie der Infrastruktur, darunter neben Betonzusatzmitteln auch Zementadditive, Präzisionsmörtel und Hochleistungs- Bodenlösungen, Lösungen für den Schutz und die Reparatur von Beton, für den Untertagebau, Isoliermaterialien und Abdichtungen.

Bei Kalisalzen kündigen sich für 2014 weitere Abbauzuwächse an. In diesem Bereich folgt die russische Düngerindustrie der gestiegenen Nachfragemenge auf dem Weltmarkt und heizt dort den Absatz durch Preissenkungen sogar noch an. Die 2013 entstandene Wachstumsdynamik dürfte sich somit 2014 fortsetzen. Eingesetzt hat die Aufwärtsbewegung im Sommer 2013, als der Hersteller Uralkali die gemeinsame Vertriebsorganisation mit der belarussischen Düngerindustrie aufkündigte.

Da sich Uralkali mit diesem Schritt frei von weiteren Preis- und Mengenabsprachen mit den Belarussen machte, konnte das Unternehmen im 2. Halbjahr 2013 seine Anlagen ungebremst hochfahren. Allein im November schoss der Abbau im Vorjahresvergleich um 52,7% in die Höhe. Zugenommen hat parallel dazu der Ausstoß von Stickstoffdünger. Hier wurde 2013 das Vorjahresergebnis um etwa 2% übertroffen.

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