Russland will den Dialog – aber nicht um jeden Preis

Am Dienstag kam der russische Staatschef ins Außenministerium Russlands, wo er bei der traditionellen Beratung der Botschafter und ständigen Vertreter des Landes die Hauptaufgaben der russischen Diplomatie formulierte.
Hier Auszüge aus seiner Rede:

„Auf der Weltkarte tauchen immer mehr Regionen auf, in denen die Situation chronisch fiebert. Unter einem Sicherheitsdefizit leiden Europa, der Nahe und Mittlere Osten, Südasien, der asiatisch-pazifische Raum, Afrika. Es bleiben wohl kaum Zweifel daran, dass das monopolare Modell der Weltordnung nicht zustande gekommen ist. Die Völker und Länder erklären immer lauter ihre Entschlossenheit, selbst ihr Schicksal zu bestimmen und ihre zivilisatorische und kulturelle Identität zu bewahren. Das steht im Widerspruch zum Versuch mancher Länder, ihre Dominanz auf militärischem Gebiet, in der Politik, in der Finanzsphäre, in der Wirtschaft und der Ideologie zu erhalten.“

Russland tritt für die Oberherrschaft des Völkerrechts unter Beibehaltung der führenden Rolle der UNO ein. Das Völkerrecht muss für alle verbindlich sein, es darf nicht auswahlweise zur Bedienung der Interessen einzelner auserwählter Länder oder Staatengruppen verwendet werden. Die Situation in der Ukraine sei nach Meinung des Präsidenten gerade die Folge dieser verantwortungslosen Politik.

„Uns muss klar sein, dass die Ereignisse, die in der Ukraine provoziert wurden, ein konzentrierter Ausdruck der berüchtigten Zügelungspolitik wurden. In der Ukraine wurden unsere Landsleute, russische Menschen, Menschen anderer Nationalität, ihre Sprache, ihre Geschichte und Kultur, ihre gesetzlichen Rechte – die sogar durch gesamteuropäische Konventionen garantieren werden –, bedroht. Ich meine damit die Menschen, die sich als Teil der sogenannten ‚breiten russischen Welt‘ fühlen.

Welche Reaktion haben unsere Partner von uns dabei erwartet, als sich die Ereignisse in der Ukraine wie geschehen entwickelt haben? Wir durften natürlich, die Bürger der Krim und Sewastopols der nicht der Willkür der kriegslüsternen radikalen Nationalisten überlassen. Wir konnten nicht zulassen, dass unser Zugang zum Schwarzen Meer wesentlich eingeschränkt wird und auf die Krim und nach Sewastopol, das vom Kampfesruhm russischer Soldaten und Matrosen zeugt, letztendlich (ich denke, recht schnell) Truppen der NATO kommen und sich das Kräfteverhältnis im Schwarzmeergebiet grundlegend verändert. Das hätte bedeutet, dass alles, wofür Russland seit den petrinischen Zeiten (vielleicht auch schon früher) gekämpft hat, vernichtet wird.

Ich will, dass es allen klar ist: Unser Land wird auch künftig energisch die Rechte der Russen, unserer Landsleute im Ausland, behaupten, es wird hierzu das ganze Arsenal vorhandener Mittel nutzen: von politischen und wirtschaftlichen bis hin zu den vom Völkerrecht vorgesehenen humanitären Operationen des Rechts auf Selbstverteidigung. Ich betone: Das Geschehen in der Ukraine ist eine Kulmination der negativen Tendenzen in der heutigen Weltpolitik. Diese Tendenzen haben sich jahrelang verstärkt. Wir haben seit langem davor gewarnt. Leider sind unsere Prognosen bestätigt worden.“

Putin forderte vom Westen neue, gerechtere und gleichberechtigte Spielregeln für die Weltpolitik.

„In den letzten beiden Jahrzehnten haben unsere Partner Russland überzeugt, dass sie gute Absichten haben, dass sie bereit seien, gemeinsam eine strategische Zusammenarbeit aufzubauen. Jedoch wurde gleichzeitig immer wieder die NATO erweitert und der von ihr kontrollierte militärpolitische Raum rückte immer näher auf unsere Grenzen zu. Jene, die immer noch ihre Vormachtstellung verkünden, missfällt Russlands unabhängige Politik extrem. Die Ereignisse in der Ukraine haben das gezeigt. Die Ereignisse haben aber auch gezeigt, dass doppelte Standards in den Beziehungen zu Russland nicht funktionieren.

Trotzdem hoffe ich, dass der Pragmatismus letztendlich doch triumphieren wird. Man muss aufhören, eine Weltordnung im Stil einer Kaserne aufzubauen, in der allen nach einer Rangordnung ein Platz zugewiesen wird. Man muss endlich anfangen, Beziehungen auf der Basis von Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung und gegenseitiger Berücksichtigung der Interessen aufzubauen. Es ist an der Zeit, das Recht untereinander anzuerkennen, dass alle Staaten entwickelt sind. Jedes Land hat das Recht, das eigene Leben nach eigenem Ermessen aufzubauen, nicht aber nach jemandes anderen aufdringlichem Diktat.“

Man könne die weltweite Entwicklung unmöglich vereinheitlichen, sagte Putin, doch man könne und müsse Berührungspunkte suchen, man dürfe in den anderen nicht nur Konkurrenten, sondern auch Partner sehen. Man müsse die Zusammenarbeit zwischen den verschiedensten Staaten, ihren Vereinigungen und Integrationsstrukturen in Gang bringen.

Hier die Rede Putins in englischer Sprache

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