Russland sondiert Kapazitätsausbau bei grüner Energie

[Von Ullrich Umann/gtai] Russland will bis 2020 Anlagen zur alternativen Energieerzeugung mit einer Gesamtkapazität von 6 GW installieren. Ansätze dazu sind aber erst punktuell erkennbar. Bedarf besteht insbesondere in weiten Teilen Sibiriens und des Fernen Ostens, wo die Stromversorgung dezentral, oft sogar lokal erfolgt. Außer Solarmodulen und Generatoren für Wasserkraftwerke muss entsprechende Technologie im Ausland geordert werden.

In einem Staat mit riesigen Reserven an Kohlenwasserstoffen stößt der Ausbau der alternativen Energiegewinnung auf Widerstand aus Kreisen der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. In einem Punkt sind sich die Fachleute aber einig: Alternative Formen der Energieerzeugung machen in den abgelegenen und strukturschwachen Regionen Sibiriens und des Fernen Ostens absolut Sinn. Dort bestehen keine Anschlüsse an Übertragungsnetze; die Stromversorgung erfolgt dezentral. Der Bedarf ist riesig, betrifft das doch immerhin zwei Drittel des Territoriums im größten Flächenland der Welt. In diesen Gebieten leben und arbeiten 20 Mio. Menschen.

Strom wird in diesen Regionen unter hohem Kostenaufwand vorrangig mittels Dieselgeneratoren erzeugt. Allein im Fernen Osten werden zur Stromerzeugung nach Angaben des Regionalversorgers RAO ES Wostoka jährlich 254.000 t Dieselkraftstoff in 500 Generatoren mit einer Gesamtleistung von 670 MW verbrannt. Unter dem Strich kostet das jedes Jahr 9 Mrd. Rubel. Allein der Transport und die Lagerung des Diesels stellen eine Herausforderung in jeder Hinsicht dar. Die Gestehungskosten für Strom aus Dieselgeneratoren betragen dadurch im Fernen Osten 25 Rubel/kWh (rund 0,54 Euro/kWh).

Der Anteil der Dieselverstromung an der Energiebilanz könnte zugunsten alternativer Technologien zur Energieerzeugung herunter gefahren werden. Einen Anfang hat das Tochterunternehmen der RAO ES Wostoka, OAO Peredwischnaja Energetika, an zehn Standorten in Jakutien und auf der Halbinsel Kamtschatka mit Solar- und Windkraftanlagen gemacht. Bis 2016 will der Versorger im Bereich der erneuerbaren Energien Kapazitäten von 60 MW installieren und diesen Wert anschließend bis 2020 auf 120 MW verdoppeln.

In einem ersten Schritt werden auf der Halbinsel Kamtschatka Wind-Diesel-Anlagen mit einer Leistung von 14,6 MW errichtet, auf Sachalin weitere 0,825 MW. In Jakutien gehen bis 2020 Solaranlagen mit einer Leistung von 3,6 MW ans Netz. Eigens hat RAO ES Wostoka am 27.3.2013 ein Kooperationsabkommen mit der International Finance Corporation (IFC, Weltbank- Gruppe) geschlossen. IFC wird demnach technische Hilfe bei der Projektplanung im Bereich alternative Energien leisten.

Private Stromerzeuger und -versorger wie E.On Rus oder OAO Fortum sprechen sich zwar generell für den Ausbau der alternativen Energieerzeugung aus. Doch halten sie sich mit konkreten Taten zurück. Beide ausländischen Investoren verweisen auf noch ungelöste rechtliche Regularien. Dazu gehört unter anderem auch Abnahmepreise für grünen Strom. Speziell Fortum erklärte seine Zurückhaltung mit den hohen Forderungen der Politik in Bezug auf den Lokalisierungsgrad der zu verwendenden Technologie. Hierfür gebe es vor Ort noch keine ausreichende industrielle Basis, hieß es in einer Stellungnahme des Konzerns.

Eine Industrie für grüne Erzeugertechnologien hat sich in Ansätzen dennoch herausgebildet. RusHydro gründete zum Beispiel mit der französischen Alstom ein Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Ufa zur Herstellung von Ausrüstungen, die in Wasserkraftanlagen geringer und mittlerer Leistung benötigt werden. RusHydro möchte die Anlagen in der Kaukasusregion aufstellen. Wasserturbinen großer Leistungen werden in Russland bereits gefertigt, teilweise auch exportiert. Solarmodule stellt das Unternehmen OOO Hevel am Standort Nowotscheboksarsk (Tschuwaschien) her. Der Hersteller wurde 2009 durch die Renova-Gruppe und die Staatsholding Rosnano als Joint Venture gegründet. Die Jahreskapazität des Werks wird mit 1 Mio. Panels beziehungsweise 130 MW angegeben.

Hevel stellt inzwischen nicht nur Module her, sondern projektiert und baut komplette photovoltaische Anlagen, die projektbezogen an die Bedürfnisse der Kunden angepasst werden. Gleichfall entwickelt Hevel Solarmodule, die in der Raumfahrt Anwendung finden. Im Bereich Forschung und Entwicklung kooperiert Hevel mit Einrichtungen und Unternehmen im Ausland, darunter mit dem Technologiepark Berlin-Adlershof und der Tokyo Electron Limited.

In Kommentaren über Hevel wird aber darauf hingewiesen, dass der Preisverfall auf dem Weltmarkt für Solarmodule die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Unternehmen seit Betriebsaufnahme im Jahr 2009 verschlechtert hat. Renova und Rosnano halten zwar zu Hevel, doch scheinen ursprüngliche Exportbestrebungen weitgehend aufgegeben worden zu sein. Gegenwärtig wird der Akzent auf den Absatz im Inland gelegt, zumal der russische Markt für Solarmodule mengenmäßig zulegt.

Auf das zu erwartende Wachstum weist ein Regierungsdokument aus dem Jahr 2013 mit dem Arbeitstitel „Energieeffizienz und die Entwicklung der Energiewirtschaft“ hin. Demnach sollen in den kommenden sechs Jahren 690 Mrd. Rubel (15 Mrd. Euro) in den Ausbau der alternativen Energiewirtschaft fließen. Unklar bleibt dabei die Rolle des Staats. Dieser ist bislang Ideengeber und Koordinator. Von den erwähnten Investitionen will die Regierung jedenfalls nur 10 Mrd. Rubel (0,2 Mrd. Euro) hinzu geben. Den übergroßen Teil der Rechnung trägt somit die Wirtschaft.

Laut Energieministerium sollen bis 2020 Windkraftanlagen mit einer Leistung von 1,52 GW, photovoltaische Anlagen mit einer Leistung von 0,751 GW und kleine Wasserkraftanlagen von 3,6 GW entstehen. Allein 0,6 GW will davon die Avelar Energy Group in den Bereichen Wind und Solar errichten. Avelar gehört ebenfalls zur Renova-Gruppe, genau wie der Solarmodulhersteller Hevel.

Derzeit sondiert Avelar in den Regionen Baschkirien, Orenburg, Tscheljabinsk, Altai, Rostow, Astrachan und Kalmykien die klimatischen Bedingungen und spricht mit Vertretern der Regionalund Kommunalpolitik. Das Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz ist nach eigenen Worten bereits international erfolgreich unterwegs, darunter in Italien und in Südafrika. Dort realisiert es Projekte der alternativen Energiegewinnung im Wert von 300 Mio. Euro.

 

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