Russland plant Pflichtentsorgung von Altstoffen

[Von Ullrich Umann/gtai] Moskau – Russlands Regierung möchte die Recyclinggebühr auf alle Waren ausweiten. Ein entsprechendes Gesetzesprojekt liegt der Staatsduma zur Beratung vor. Zwar fand schon 2011 die erste Lesung statt, aber in den letzten zwei Jahren bestand nur wenig Anlass für Hoffnungen auf eine Verabschiedung. Nun hat Präsident Putin dem Warten ein Ende gesetzt.

Er beauftragte die Regierung, bis März 2014 eine praktikable Verwertungsregelung für Abfälle auszuarbeiten. Bislang hat die Verwertungspflicht nur für relativ wenige Produktgruppen bestanden. Im Fall von Kraftfahrzeugen sorgte die Abwrackgebühr für viel Aufmerksamkeit, insbesondere im Ausland. Denn zunächst betraf die Abgabepflicht nur importierte Kfz. Seit Anfang 2014 müssen Verwertungsabgaben jedoch auf alle Kfz abgeführt werden, einschließlich der in Russland montierten.

Zur gesetzlichen Regelung der Altstoffverwertung fanden 2013 im Parlament eine Reihe teilweise kontrovers geführter Debatten statt. In diesem Zusammenhang wurde die Idee geboren, zur Finanzierung der Altstoffverwertung einen speziellen Fonds aufzulegen. In diesen sollten alle Hersteller und Importeure von Waren einzahlen, die sich technisch oder finanziell außerstande sahen, veraltete oder verbrauchte Produkte zurückzunehmen und unter eigenem Dach zu verwerten.

Über die in den Fonds eingezahlten Gelder sollten nach Anschauungen des Umweltministeriums regionale Selbstregulierungsorganisationen (SRO) der Entsorgungswirtschaft verfügen können, um damit Programme zu finanzieren. Von diesem Vorschlag wurde allerdings wieder Abstand genommen, nachdem bekannt wurde, dass Firmen diese SROs monopolisieren könnten.

So stellte sich heraus, dass die Staatsholding Rostech sowohl eine Tochterfirma mit der Bezeichnung „Nationaler Ökologischer Operator“ gegründet hatte, die vom Tätigkeitsfeld her Mitglied einer SRO der Entsorgungswirtschaft werden kann, als auch einen geschlossenen Investitionsfonds mit der Bezeichnung „RT-Invest“. RT-Invest begann, regionale Entsorgungsunternehmen aufzukaufen. Dies kommt relativ rasch einer Konzentration des Gesamtsystems in einer Hand gleich, einschließlich der Finanzierung der Abfallverwertung.

Alternativ wurde deshalb der Vorschlag unterbreitet, den Verwertungsfonds komplett unter staatliche Kontrolle zu stellen. Gegen diesen Vorschlag intervenierte wiederum das Finanzministerium mit der Begründung, dass eine solche Konstruktion im Widerspruch zum Haushaltsrecht stünde. Finanzmittel zur Altstoffverwertung aus dem Fonds könnten zwar Staatskonzerne und spezialisierte staatliche Unternehmen erhalten, aber auch andere Mitgliedsunternehmen der SRO, was eine unzulässige Weitergabe öffentlicher Gelder an Privatfirmen darstellen würde.

Daher wäre es besser, wenn die Abgaben zur Altstoffverwertung dem Haushalt direkt zuflössen, aus dem dann Regierungsprogramme finanziert würden, die eine rationelle Abfallverwertung zum Ziel haben. Private Firmen könnten an diesen Programmen im Rahmen öffentlich privater Vorhaben (Public Private Partnerships) oder als Konzessionsnehmer partizipieren.

Mit diesem Vorschlag des Finanzressorts erklärte sich das Umweltministerium einverstanden. In den aktuell gültigen Gesetzesvorschlag wurde ein Passus eingefügt, dass es sich beim einzurichtenden Verwertungsfonds um einen vollwertigen Bestandteil des Staatshaushalts handelt. Die Gelder werden im Rahmen der Umweltpolitik zur Altstoffverwertung weitergeleitet. Zu den möglichen Zuwendungsempfängern für staatliche Gelder gehören neben Staatskonzernen auch Gebietskörperschaften und Kommunen, die lokale Vorhaben zur Altstoffverwertung durchführen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, zweckgebundene Direktinvestitionen des Umweltministeriums zu finanzieren.

Umweltexperten werfen die Frage auf, ob überhaupt genügend Gelder eingesammelt werden? Dies träfe dann zu, wenn die Hersteller und Importeure doch eigene Verwertungsprogramme auf breiter Basis zum Laufen bringen und somit von der Abgabepflicht frei gestellt werden. Im Grunde genommen wäre dann das eigentliche Ziel des Gesetzes erreicht, einen nachhaltigen Beitrag zu einer umweltgerechten Altstoffverwertung zu leisten.

Unabhängig von der angedachten Verwertungspflicht für alle Altstoffe existieren darüber hinaus Entsorgungsfirmen, die jetzt schon bereit wären, mehr in die kommunale Müllentsorgung zu investieren, obwohl die Gebühren für Privathaushalte noch relativ niedrig ausfallen und damit die Refinanzierung unsicher ist. Wie sich gezeigt hat, besteht das Problem weniger in der Finanzierung solcher Maßnahmen, etwa zur Einführung von Mülltrennungssystemen, sondern mehr in der derzeit noch intransparenten Rechtslage für die Marktteilnehmer. Auch hier muss der Gesetzgeber nacharbeiten.

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