Russland: Öffentliche Hand darf keine ausländischen Nutzfahrzeuge und Baumaschinen mehr kaufen

[Von Ullrich Umann Moskau-gtai] – Öffentliche Auftraggeber in Russland dürfen Nutzfahrzeuge, Kommunaltechnik und Baumaschinen ab sofort nur noch aus Mitgliedsländern der Eurasischen Wirtschaftsunion beschaffen. Die Regierung versucht mit dieser Marktabschottung den heimischen Maschinenbau anzukurbeln. Rechtsexperten weisen darauf hin, dass die neue Verordnung nur für bestimmte Staatsunternehmen juristisch bindend sei. Aktiengesellschaften mit staatlichen Anteilen könne die Regierung nur indirekt zum Importverzicht bewegen.

Insgesamt 55 Maschinenarten dürfen in Russland von staatlichen und kommunalen Auftraggebern nur noch aus den Mitgliedsländern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) beschafft werden. Das geht aus der neuen Regierungsverordnung Nr. 84 vom 31. Januar 2015 hervor, die am 2. Februar 2015 in Kraft getreten ist.

Betroffen sind Straßenfahrzeuge, Kommunaltechnik, Baumaschinen und Ausrüstungen zur Exploration von Rohstoffen. Dazu gehören unter anderem Traktoren auf Ketten (Raupenschlepper), Planierraupen, Straßenhobel, Straßenwalzen, Bagger, Gabelstapler, Autobusse, Oberleitungsbusse, Lkw bis 12 Tonnen, Kipper, Zugmaschinen, Autokräne, Feuerwehrfahrzeuge, Krankenwagen, Gefangenentransporter, Geldtransporter, Straßenbahnen und Container.

Mit der Neufassung wurde die Verordnung Nr. 656 vom 14.7.2014, in der ein Importverbot für 66 Maschinenarten (Nummern im russischen Güterverzeichnis) im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen festgelegt worden war, modifiziert. Offiziell wurde die Anzahl der betroffenen Nummern im Güterverzeichnis (Nomenklaturen) verringert; dies wurde mit einer Neuklassifizierung von Maschinenarten begründet. In Wirklichkeit wurde die Liste verlängert.

Dennoch Hoffnung für deutsche Maschinenlieferanten

Juristen sehen für Hersteller aus Deutschland den Schaden, der aus den Einfuhrbeschränkungen entsteht, aber begrenzt. Sie begründen das mit den relativ geringen Losgrößen von Ausschreibungen, deren Finanzierung direkt aus staatlichen oder kommunalen Haushalten realisiert wird. Einige Juristen interpretieren den Regierungsbeschluss nämlich derart, dass er sich nicht auf Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft mit staatlichen Anteilen bezieht. Diese führen aber die Mehrheit der Ausschreibungen durch. Private Unternehmen sind ohnehin frei bei der Auswahl ihrer Maschinenlieferanten im In- oder Ausland.

Die Einschränkungen wären demnach nur für Ausschreibungen von staatlichen oder kommunalen Unternehmen folgender spezifisch russischer Rechtsformen gültig:

– FGUP (Föderales staatliches Einheits-Unternehmen);

– OGUP, KGUP oder RGUP (staatliches Einheits-Unternehmen auf der Ebene von Gebieten, Bezirken oder autonomen Republiken);

– MGUP (Kommunales staatliches Einheits-Unternehmen).

Alle GUP gehören zu 100% der öffentlichen Hand. Sie dürfen kapitalmäßig weder geteilt oder gestückelt werden, noch darf eine GUP ein Tochterunternehmen gründen. Aus diesem Grund werden sie als Einheits-Unternehmen bezeichnet. Die Bedingungen zur Durchführung von Ausschreibungen durch GUP wurden eigens per Gesetz Nr. 44-FZ vom 5.4.2013 „Über das Vertragssystem im Bereich der Beschaffung von Waren, Arbeiten und Dienstleistungen für staatliche und kommunale Zwecke“ geregelt.

Sollten Aktiengesellschaften mit staatlichen Anteilen im gleichen Ausmaß wie GUP Importe aus Nicht-EAWU-Staaten einschränken müssen, ginge das nach Expertenmeinung lediglich per politischer Anweisung der Regierung an ihre Vertreter in den Vorständen.

Regierung versucht beunruhigte Staatsunternehmen zu beschwichtigen

Vizepremier Arkadi Dworkowitsch, der im Kabinett unter anderem für die zivile Industrieproduktion verantwortlich ist, versuchte unterdessen, russische Staatsunternehmen, die in der Vergangenheit Maschinen und Anlagen unter anderem aus Deutschland importiert haben, zu beschwichtigen. Nach seinen Worten seien die vom Import ausgeschlossenen Maschinen und Anlagen speziell so ausgesucht worden, dass in jeder Warenposition analoge Erzeugnisse aus einem Mitgliedsland der EAWU zur Verfügung stünden. Er fügte hinzu, dass mit dieser Maßnahme die Politik der Importsubstitution einen frischen Impuls erhalten würde.

Die Föderale Straßenbauagentur teilte unterdessen mit, dass in ihrem Bereich keine Maschinenengpässe auftreten dürften. So erteile die Agentur Straßenbauaufträge an private Firmen, die sich bei Beschaffungen nicht an die Regierungsverordnung halten müssen. Zudem seien die Auftragnehmer durch den Abschluss langfristiger Bauverträge finanziell sogar in der Lage, große Partien von Bautechnik zu ordern. Darüber hinaus hätten wichtige westliche Baumaschinenhersteller bereits Produktionsniederlassungen in Russland eröffnet und könnten daher in jedem Fall an Beschaffungsmaßnahmen der öffentlichen Hand teilnehmen.

Privatfirmen sehen sich frei von Importeinschränkungen

Eine ähnliche Meinung äußerte ein Vertreter der Baufirma OAO Metrostroj aus Sankt Petersburg. Auch dort ist man der Meinung, dass die Privatwirtschaft von der Importeinschränkung komplett ausgenommen sei, selbst wenn staatliche Aufträge ausgeführt würden. Metrostroj werde schon  deshalb Technik aus dem europäischen Ausland beziehen, da die Qualität vergleichbarer inländischer Erzeugnisse nicht an die europäischer Konkurrenzprodukte heran käme.

Ein Vertreter des Bauunternehmens IFCK Arks stellte sogar heraus, dass Bautechnik aus der EAWU nicht in jedem Fall den rechtlichen Vorschriften der Russischen Föderation genügt. So entsprechen die Motoren russischer Baufahrzeuge nur zum Teil den Abgasvorschriften Euro-4 und Euro-5. Die Einhaltung dieser Abgasnormen sei aber zwingend. Eine Umstellung der Motorenproduktion auf die neuen Standards koste erhebliche Investitionen, die gegenwärtig nicht geleistet werden könnten.

 

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