Russland nach der Wahl: „Einiges Russland“ holt absolute Mehrheit

[von Hartmut Hübner] Russland hat gewählt. Von den rund 146 Millionen Einwohnern der Russländischen Föderation, wie der Staat eigentlich richtig heißt, waren 110 Millionen berechtigt, am 18. September über die Zusammensetzung des Parlamentes, der Duma, zu entscheiden.

Dabei werden die 450 Abgeordneten  diesmal nur zur Hälfte über Parteilisten gewählt, die anderen Kandidaten müssen sich um Direktmandate in den Wahlkreisen bewerben. Außerdem wurden in neun Regionen die Gouverneure direkt von der Bevölkerung gewählt, in 39 Regionen die örtliche gesetzgebende Versammlung, Hinzu kamen viele Kommunalvertretungen im gesamten Land. Die Bürger hatten sich im Extremfall durch einen ganzen Stapel Papier zu kämpfen. Das ist aber sicher nur eine zweitrangige Begründung für die überaus schwache Wahlbeteiligung von etwa 40 Prozent.

Profitiert hat davon in erster Linie die Partei „Einiges Russland“ (ER), einst von Wladimir Putin gegründet und jetzt von Premier Dmitrij Medwedjew geführt. Nach Auszählung von rund der Hälfte der abgegebenen Stimmen Sonntagnacht hatten sich über fünfzig Prozent der Urnengänger für „ER“ entschieden. Aber bei einem Rückgang der Wahlbeteiligung von über 30 Prozent bedeutet dies, dass auch die „Partei der Macht“ Anhänger verloren hat.

„Sicher hätten ein paar Bürger mehr zur Abstimmung gehen können“, meinte auch Präsident Putin, „aber das Wichtigste ist,  dass unsere Partei gewonnen hat, und zwar mit absoluter Mehrheit.“ Sein Ministerpräsident ergänzte: „Unsere Wähler wissen, dass wir alles tun, um unsere Wahlversprechen zu halten, auch wenn es mitunter länger dauert und manchmal nicht von Erfolg gekrönt ist“. Aber das sehen offensichtlich nicht mehr alle Wähler von 2011 so. Viele versuchen einfach, in dieser Krisenzeit irgendwie über die Runden zu kommen und haben keine Muße, sich um Politik zu kümmern. Dabei hat sich gerade „ER“ vorgenommen, die Bürger viel stärker, beispielsweise über örtliche Referenden, in die Vorbereitung von Entscheidungen einzubeziehen. Aber dafür müssen die wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen und die Krise überwunden erden.

Federn lassen musste auch die Kommunistische Partei (KPRF), die von 19,2 % im Jahre 2011 auf nun rund 15 Prozent abstürzte und damit von ihren zweiten Platz erstmals in der postsowjetischen Geschichte auf den dritten Platz rutscht. Bei der Ursachen-Suche geht der Blick von Parteichef Gennadij Sjuganow vor allem nach außen: „Die mit Unterstützung der politischen Führung gegründeten Miniparteien, wie Kommunisten Russlands, die Rentnerpartei für soziale Gerechtigkeit oder Patrioten Russlands, haben nur den einen Existenzgrund, nämlich, uns Wähler wegzunehmen, selbst wenn es nur ein bis zwei Prozent sind. Das hat ja auch geklappt.“

Noch härter hat es die Partei „Gerechtes Russland“ getroffen, die mit knapp über sechs Prozent der Stimmen einen Verlust von 50 % hinzunehmen hat. Ihr Konzept vom „neuen Sozialismus“ hat offenbar noch nicht überzeugt.

Als Gewinner dieser Wahl darf sich die Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR) fühlen, die von knapp zwölf auf rund 15  Prozent kletterte. Sie schwingt sich zum Interessenvertreter aller Schichten der Bevölkerung und vor allem der Russen auf. So will Parteigründer Wladimir Schirinowski den multinationalen Gedanken in der Verfassung der Russländischen Föderation durch den Führungsanspruch der Russen und Festschreibung der russischen Leitkultur ersetzen. Außerdem soll, nach seinem Willen, der Zuzug von Arbeitsmigranten für fünf Jahre unterbrochen werden, um eigene Arbeitslose zu beschäftigen. Dieser Vorschlag findet in der russischen Öffentlichkeit viel Zuspruch und hat möglicherweise zum Stimmenzuwachs beigetragen. Damit profiliert sich die LDPR immer mehr als nationalistisch-populistische Partei und bildet den rechten Rand des Parteienspektrums in Russland.

Überhaupt fällt in diesem Jahr auf, dass alle Parteien den Gedanken der nationalen Identität weit nach vorn in ihren Wahlprogrammen rücken. Das könnte eine Reaktion auf die Isolierung durch den Westen sein.

Das erste große Projekt der neuen Duma wird in den kommenden Wochen, die Bestätigung des Staatshaushaltes sein. Dann wird sich zeigen, was den Abgeordneten ihre Wähler wert sind.
(Hartmut Hübner/russland.news)

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