RUSSLAND KÜRZT DIE INVESTITIONEN IN DIE VERKEHRSINFRASTRUKTUR

Von Ullrich Umann Moskau (gtai) – In Russland wurden die geplanten Ausgaben für den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur erheblich gekürzt. Für eine Erweiterung des Straßennetzes reichen die Mittel nicht aus. Im Eisenbahnbereich wird daran gedacht, private Investoren für ein Engagement zu gewinnen. Hohe Priorität hat für die Staatsbahn RZD die Anbindung von Häfen an das Schienennetz. Von Kürzungen weitgehend ausgenommen bleibt die Modernisierung von Flughäfen in Austragungsorten der Fußball WM-2018.

In Russland wurden auf föderaler Ebene die geplanten Investitionen in den Infrastrukturbau erheblich gekürzt. Grund sind unter anderem die rückläufigen Steuereinnahmen. Gebaut wird jedoch eine Brücke vom russischen Festland auf die Halbinsel Krim. Aus heutiger Sicht soll das Vorhaben 228,3 Mrd. Rubel (Rbl; rund 3,1 Mrd. Euro; Durchschnittskurs im Januar 2016: 1 Euro = 74,19 Rbl) kosten. Im laufenden und den zwei künftigen Haushalten verschlingt dieses Projekt allein 10% der Straßenbauausgaben auf föderaler Ebene. Die verbleibenden 90% reichen dann nur noch dafür aus, das vorhandene Netz an Autobahnen und Bundesstraßen zu warten. An Streckenverlängerungen ist in dieser Konjunkturlage kaum zu denken. Auch der Schienenausbau kommt zunehmend in Finanzierungsschwierigkeiten. Um die Abhängigkeit der Staatsbahn OAO RZD von staatlichen Zuschüssen zu verringern, arbeitet das Unternehmen derzeit an einer Änderung der Tarife im Gütertransport. Der Streckenausbau soll weiterhin vom Staat finanziert werden, die Modernisierung bestehender Strecken aber durch RZD. Eine Konzessionsvergabe an Private ist selbst beim Streckenausbau und beim Bau von Brücken, Stationen und Terminals inzwischen kein Unwort mehr.

Es bleibt die Frage, welcher private Investor sich in der gegenwärtigen Konjunkturlage für derartige Vorhaben überhaupt interessieren könnte. Zumal die Tarifpolitik der RZD weiterhin an politische Vorgaben des Verkehrsministeriums und nicht an das Wechselspiel aus Angebot und Nachfrage gebunden bleibt. Um den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Moskau und Kazan im Gesamtwert von 1 Billion Rubel wurde es in der zweiten Jahreshälfte 2015 unerwartet ruhig. Es schien klar, dass RZD das System in Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen bauen wird. Die Auswechslung der Führungsspitze bei den Russischen Eisenbahnen OAO RZD im August 2015 sorgte jedoch für Verwirrung. Der neue Chef, Oleg Belozerow, gilt im Unterschied zu seinem Vorgänger als Techniker und nicht als Charismatiker. Der Vorgang lässt erwarten, dass es bei der Hochgeschwindigkeitsstrecke zu Verzögerungen kommen wird. Ursprünglich sollten die Züge schon zur Fußball-WM 2018 fahren. Dies wird nicht mehr für möglich gehalten. Milliardensummen verschlingt der Ausbau von Transsibirischer Eisenbahn (Transsib) und Baikal-Amur- Magistrale (BAM). Allein dafür sollen 562 Mrd. Rubel fließen. Davon wird RZD 302 Mrd. Rubel tragen, der Rest soll aus dem Nationalen Wohlstandsfonds kommen. Vom Fortschritt in dieser Sache hängt das Schicksal ganzer Regionen im Südural, in Sibirien und im Fernen Osten ab. Vor diesem Hintergrund stehen die Finanzierungschancen hier wesentlich besser als beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke.

Allerdings wird auch hier nach Einsparpotenzial gesucht. RZD betont zudem die Wichtigkeit der Schienenanbindung von Häfen. Genannt werden die Häfen Murmansk, Baltijsk, die Häfen am Schwarzen und am Asowschen Meer und im Fernen Osten. Transportknoten wie Kuzbass/Nord-West, Kuzbass/Ferner Osten, Kuzbass/Asowsches und Schwarzes Meer sollen ausgebaut werden.

Seehäfen bereiten sich auf Diversifizierung der Exporte vor

In den beiden fernöstlichen Seehäfen Nachodka und Nachodka-Wostotschnyj, über die etwa 11% der gesamten russischen Seefracht (insbesondere Schütt- und Sammelgut wie Metalle, Metallerze, Kohle und Erdöl) umgeschlagen werden, sind Erweiterungen geplant. Speziell im Hafen Wostotschnyj streiten sich jedoch Investoren um das Entwicklungsmodell – ob der Ausbau der Schienenwege oder der Verladeterminals Vorrang bekommen soll. Im Hafen Nachodka scheint die Marschrichtung dagegen jetzt schon klar: die Kapazitäten zur Kohleverschiffung sollen bis 2017 auf 24,5 Mio. und bis 2020 auf 39 Mio. jato aufgestockt werden.

Im Hafen Noworossijsk am Schwarzen Meer soll ebenfalls Großes geschehen. Der Hafenbetreiber NMPT wird bis 2018 einen Terminal zum Verschiffen von 10 Mio. jato Eisenerz und Gusseisen bauen, nachdem der Metallgroßhändler Metalloinvest sich vertraglich verpflichtet hat, diese Menge über den Hafen abzuwickeln. Der Hafenbetreiber wird zusätzlich die Ro-Ro-Kapazitäten erweitern, unter anderem als Plattform für den Export von Fahrzeugen.

In der eisfreien Ostseeregion Kaliningrad werden für 8,5 Mrd. Rubel am Standort Pionersk vier Passagierterminals mit einer Kapazität von zusammen 1 Mio. Reisende pro Jahr nebst Marina mit 300 Ankerplätzen für Jachten entstehen. Als Koinvestor fungiert die italienische Mediterranean Shipping Company. Kaliningrad will damit neben dem litauischen Klaipeda und dem polnischen Gdansk zu einem weiteren Anlaufpunkt für große Cruise-Schiffe werden, die auf der Ostsee mit Touristen unterwegs sind.

Ausgabe für Flughafenbau werden gekürzt

Um die Finanzierung von Flughafenprojekten seitens der Zentralregierung ist es nicht zum Besten bestellt. Die föderalen Programme zum Bau und zur Modernisierung von Regionalflughäfen wurden 2015 um 14,2 Mrd. Rubel gekürzt. Das spezielle Ausbauprogramm für Flughäfen im Fernen Osten wird um 14 Mrd. Rubel reduziert. Dies gab das Transportministerium in Moskau bekannt. Von Kürzungen weitgehend ausgenommen bleiben lediglich die Flughäfen an den Austragungsorten der Fußball-WM 2018 sowie in den besonders schwer zugänglichen Orten des Hohen Nordens und des Fernen Ostens. So wird der Terminal B des Moskauer Flughafens Scheremetjewo für die Fußball-WM erweitert.

Statt 33,5 Mio. sollen ab 2017 pro Jahr 48,5 Mio. Passagiere abgefertigt werden können. Speziell für die WM wird auch in den Ausbau der Flughäfen in Samara, Nischni Nowgorod, Jekaterinburg, Rostow und Nabereschnye Tschelny (Tatarstan) investiert.

 

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